Plattform ist der neue Name für Disruption im Banking

Digitale Ökosysteme erfordern ein Umdenken

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Während bis vor kurzem noch recht allgemein disruptive Strategien und Produkte gesucht wurden, gibt es jetzt offenbar einen klaren Favoriten: die Plattformökonomie, oft auch „digitales Ökosystem“ genannt. Dieser neue Heilsbringer soll auslaufende Geschäftsmodelle retten.

Banking-Plattformen als neues Geschäftsmodell

Bei der Umsetzung von Banking-Plattformen als neues Geschäftsmodell sollten Finanzinstitute einiges beachten.

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Betrachtet man die Statistiken der zehn wertvollsten Firmen weltweit, ist das tatsächlich beeindruckend: Acht von zehn dieser Unternehmen haben eine Plattform als Geschäftsmodell. Und noch auffälliger: Nur eines war bereits 2008 unter den Top 10.

Das weckt Begehrlichkeiten. Nur, dass ein Geschäftsmodell nicht so einfach mal schnell auf grundlegende Weise umgestellt werden kann. Schließlich geht es nicht nur darum, eine neue Webseite oder App an den Start zu bringen. Plattformökonomie bedeutet einen radikalen Paradigmenwechsel, der sich bei einem Unternehmen – wie alle Veränderungsprozesse – nur mit klarem Fokus und strategischer Entschlossenheit bewerkstelligen lässt. Was zu der Frage führt, ob eine solche Transformation überhaupt gelingen kann oder ob es nicht angebracht wäre, die Plattform in einem eigenen gesonderten Unternehmen von Grund auf neu zu gestalten.

Kundenzentrierung hat sich überlebt

Es scheint paradox: Jetzt, wo wir endlich so weit sind, dass in den meisten Unternehmen über Kundenorientierung oder besser Kundenzentrierung zumindest gesprochen wird und es fast immer auch schon einzelne Bereiche gibt, in denen man danach handelt, jetzt, wo das Verständnis für einen durchgängigen Ansatz von Service Exzellenz als Resultat einer Kette von internen Kunde-Lieferant-Beziehungen wächst – ausgerechnet jetzt müssen wir uns beim Plattformdenken von der Kundenzentrierung schon wieder lösen.

Denn das Erforschen von Kundenbedürfnissen und das Entwickeln von darauf zugeschnittenen Produkten und Services haben sich dort erübrigt. Sie sind mit ihrem Unternehmen als Plattform in einer anderen Rolle am Markt aktiv. Ihre Aufgabe ist es jetzt nämlich, Kunden und Anbieter zusammenzubringen und deren Interaktionen und Transaktionen untereinander zu initiieren, zu verstärken und zu verbessern. Statt „Customer Centricity“ gilt jetzt also „Relationship Centricity“. Sie sind kein Produzent mehr am einen Ende der Pipeline, was in der Folge auch bedeutet, dass die Business Model Canvas ausgedient hat. Sie sind Netzwerk-Orchestrator und brauchen beide im Blick: Consumer und Producer. Und nur wenn Sie die Beziehungen zwischen diesen beiden Rollen so ausgestalten können, dass beide davon profitieren, wenn sie künftig Transaktionen über Ihre Plattform abwickeln, werden Sie erfolgreich sein.

Ökosysteme lassen sich nicht bauen

Die Plattform hat nicht das Ziel, für den Kunden eine Problemlösung zu entwickeln. Stattdessen formt sie ein Ökosystem, genauer gesagt entfaltet sie das Potenzial, das in einem Ökosystem steckt. Das wir übrigens weder bauen müssen noch können, da es bereits vorher – unabhängig von der Plattform – existiert hat.

Folgen wir diesem Gedanken, dass ein Ökosystem schon existiert und im besten Falle genügend Potenzial hat, sich zu entwickeln, sich zu verbessern, zu wachsen und allen Beteiligten die Chance zu geben, mehr daraus zu machen, dann wird klar: Unser Fokus muss darauf liegen, die Interaktionen und Transaktionen, den Austausch von (materiellen und immateriellen) Werten in diesem Ökosystem so auszugestalten und zu verbessern, dass die neue Plattform ausreichend Vorteile für alle Beteiligten bietet. Diese Vorteile, von Reichweite angefangen über die Verfügbarkeit an jedem Ort bis hin zu Algorithmen, die die entstehenden Daten analysieren und z. B. für ein perfektes Matching nutzen können, sind dank der Digitalisierung inzwischen alle realisierbar. Kein Zufall also, dass Plattformen gerade jetzt entstehen..

Auch bei der Nutzung von Plattformen spielt die „Experience“ natürlich eine entscheidende Rolle. Nur ist es eben nicht mehr die „Customer Experience“, sondern die „Consumer Experience“, kombiniert mit der „Producer Experience“. Beide geprägt von der Convenience, die die Beteiligten erleben, wenn sie ihre Werte über die Plattform austauschen. Das allein genügt aber nicht. Sie als Plattformbetreiber müssen deutlich mehr bieten. Sie müssen Vertrauen erzeugen in diese neue Form des Austauschs. Sie müssen dafür sorgen, dass Qualität sichtbar wird und dass „schwarze Schafe“ keinen Platz haben. Nicht ohne Grund erleben Facebook und Twitter gerade einen Vertrauensverlust.

Die gängigen Startschwierigkeiten liegen dabei in einer Henne-Ei-Problematik. Fehlendes Vertrauen, geringe Liquidität, zu wenige Anbieter, zu wenige Konsumenten. Hier gilt es, geschickte Strategien zu nutzen, z.B. durch Fokussierung auf einen eng umgrenzten Raum. Airbnb startete bekanntlich in einer einzigen Stadt, San Francisco. Uber wählte dieselbe Strategie am selben Ort.

Ungehorsam als Erfolgsrezept

„Designing for disobedience“ gibt Simone Cicero, Initiator des Platform Design Toolkits, als Gestaltungsprinzip aus. Gemeint ist, mit diesem „Ungehorsam“ so viel Freiraum in den Interaktionen der Plattform zuzulassen, dass sich durch das Verhalten der Teilnehmer neue Trends und neue Bereiche herausbilden können. Die anfangs nicht vorherzusehen waren, letztendlich aber über das Potenzial und die Größe der Plattform entscheiden.

Wohin sich die Plattform dann aus solch einem eingeschränkten Bereich heraus entwickelt, lässt sich im Vorfeld nicht abschätzen. Selbst bei einem ausreichend großen Verbesserungspotenzial im Ökosystem hängt alles Weitere von der passenden Wachstumsstrategie und vor allem von der Ausgestaltung, dem Design der Plattform ab. Und davon, in welche Richtungen sie sich vom Rand aus weiterentwickeln kann, wo weiterer Bedarf sichtbar wird und durch neue Teilnehmer abgedeckt werden kann. Co-Working-Angebote und Reiseführer als Erweiterungen bei Airbnb oder die Ausweitung von Uber zu UberBLACK und Uber Eats sind Beispiele genau dafür.

Die schwierige Doppelrolle

Unternehmen, die bisher schon als Anbieter im Ökosystem vertreten waren, geraten dabei schnell in einen Zwiespalt. Wie und wo wollen sie sich künftig in der Wertschöpfungskette positionieren? Im Idealfall gelingt es ihnen, als Plattform zum Aggregator zu werden. Ihre bisherigen Wettbewerber werden dann Zulieferer oder Komponenten, während der Aggregator sich in der Sichtbarkeit des Kunden prominent hervorhebt und den direkten Kundenkontakt hält.

Was bedeutet das für unser bisheriges Geschäft? Platzieren wir uns damit als Zulieferer in der Wertschöpfungskette? Gemeinsam mit unseren bisherigen Wettbewerbern? Und setzen den Fokus eindeutig auf das Plattformmodell als neuen Ertragsbringer? Oder konkurrieren diese beiden Bereiche künftig? Womöglich sogar noch innerhalb einer einzigen Unternehmensstruktur? Dann wird es schwierig werden, die Plattform mit der notwendigen Energie zu versorgen. Denn die alten bestehenden Kräfte und Strukturen verfügen über mehr Macht und Einfluss und ganz simpel auch über mehr Budget als ein neues, erst entstehendes Geschäftsmodell.

Gute Argumente dafür, ein Plattformgeschäft auszulagern und wie ein Start-up oder eine Ausgründung mit entsprechenden eigenen Ressourcen zu versehen. Denn schließlich stürzen wir mit dem Plattformmodell das bislang doch erfolgreiche Geschäfts- und Ertragsmodell. Sozusagen eine Disruption auf Basis des großen Potenzials bestehender Ökosysteme. Das sich aber erfolgreich heben lässt durch das passende „Platform Design“ und ein systematisches und strukturiertes Vorgehen.

Über den Autor

Stefan Wacker

Stefan Wacker ist selbstständiger Unternehmensberater und unterstützt seit über 13 Jahren mit WACKWORK Projects & Change seine Kunden bei Veränderungs-, Innovations- und Strategieprozessen. Dabei setzt er vor allem auf agile Vorgehensmodelle wie Scrum, auf Innovationsprozesse wie Service Design Thinking und die Verbindung zum Lean Startup-Ansatz. Mit der von ihm initiierten Onlineplattform und Community „Service Design Nürnberg“ und der Veranstaltungsreihe „Service Design Drinks“ bietet Stefan Wacker eine zentrale Anlaufstelle für Interessenten zu diesem Thema in der Metropolregion Nürnberg.

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