Banken sind bei ihren Kunden emotional im Dispo. Unsicherheit, Misstrauen und Distanz trüben das Verhältnis. Mit Positive Design entstehen Produkte, die das Wohlbefinden der Kunden steigern und dadurch die Einstellung zur Institution Bank verbessern.
In Sachen Interaktionsdesign gehen Banken bisher vor allem nach dem Prinzip Nützlichkeit. Das ist hinsichtlich Nutzbarkeit und Sicherheit ihrer Produkte und Dienstleistungen nachvollziehbar. Gleichzeitig sind Finanzen für viele Menschen ein hoch emotionales Thema. Geld kann existenzielle Sorgen hervorrufen, aber auch Erlebnisse ermöglichen, die uns glücklich machen und unser Wohlbefinden steigern. Banken sollten hier aktiv ansetzen und gezielt Produkte entwickeln, die positive Emotionen hervorrufen. Ansätze dafür finden sich im Positive Design.
Neue Möglichkeitsräume für Innovation
Positive Design baut auf den Prinzipien der positiven Psychologie auf. Es befasst sich mit der Frage, wie durch Design Erlebnisse ermöglicht werden können, die das Wohlbefinden von Menschen langfristig steigern. Ziel ist die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, die uns dabei helfen, ein „gutes Leben“ zu führen.
Eine Grundprämisse von Positive Design besteht darin, bei Innovationsprozessen nicht Probleme selbst in den Fokus der Problemlösung zu rücken, sondern nach Möglichkeiten zu suchen. Gut ist etwas anderes als nicht schlecht.
Nehmen wir zum Beispiel das Problem der unattraktiven Verzinsung von Sparanlagen. Banken haben hier momentan nur wenig Spielraum, Kunden durch höhere Zinsen zu binden.
Was aber wäre, wenn man nicht nach Renditeoptimierungen, sondern nach alternativen Möglichkeiten suchen würde, das Geld der Kunden so anzulegen, dass es persönlichen Werten wie einem nachhaltigen Lebensstil oder sozialer Gerechtigkeit entspricht? Aus diesem Perspektivwechsel – weg vom unmittelbaren Problem – ergeben sich ganz neue Räume für Innovation. Dadurch bildet die Verzinsung bei der Anbieterwahl eventuell gar nicht das zentrale Entscheidungskriterium.
Das Positive Design-Framework zeigt, wie Produkte und Dienstleistungen dazu beitragen können, das Wohlbefinden der Menschen langfristig zu steigern und schafft damit eine Ausgangsbasis für Innovationsprozesse. Positive Design kann demnach dort entstehen, wo die Design-Ziele Freude, persönliche Bedeutsamkeit und Tugenden zusammentreffen. In diesem Wohlbefindens-Spektrum ergibt sich auch eine Vielzahl von Innovationsmöglichkeiten für Banken.
Design für Freude
Haben Sie als Kind den Weltspartag gefeiert? All Ihre Münzen in einer schweren Tüte oder im Sparschwein zur Bank getragen, zählen lassen und am Ende nicht nur einen Eintrag ins Sparbuch, sondern auch noch ein echtes Geschenk bekommen? Erinnern Sie sich, wie sich das angefühlt hat?
Interaktionsdesign kann uns darin unterstützen, Momente des Glücks zu erfahren. Das Thema Sparen bietet hierfür im Finanzbereich viele Anknüpfungspunkte. Denn Vorfreude ist echte Freude und sparen kann man sehr positiv erleben.
Dabei helfen digital beispielsweise Funktionen, die Sparerfolge visualisieren. N26 bietet hierfür etwa die sogenannten „Spaces“ an, bei denen man auf bestimmte Sparziele hinarbeiten kann und tagesaktuell sieht, wie viel Prozent des Zielbetrages man bereits zurückgelegt hat. Durch entsprechende Bebilderung – zum Beispiel des neuen Sofas – wird der Wert von Geld auch digital wieder erlebbarer gemacht.
Design für persönliche Bedeutsamkeit
Banken unterstützen bisher vor allem Ziele, die stark materialistischer Natur sind. Dabei stellt der Besitz von Haus/Auto/Boot gerade für jüngere Kunden häufig gar keinen relevanten Wunsch mehr dar.
Ein Möglichkeitsraum für Innovation wäre hier, Ziele zu unterstützen, die vor allem mit eigenen Wertvorstellungen korrespondieren. Die GLS Bank hat zum Beispiel einen Klimafonds eingerichtet, mit dem Menschen dezidiert in Unternehmen investieren können, die zur Eindämmung der Klimakrise beitragen.
Neben dem eigentlichen Produktangebot ist hier auch Befähigung der Kunden ein wichtiges Suchfeld für Innovation. Wer Kunden dabei helfen will, eigene Ziele zu erreichen, sollte ihnen informierte Finanzentscheidungen ermöglichen. Die Globalance Bank hat dazu ein Online-Tool entwickelt. „Globalance World“ visualisiert, welche Rendite und (ökologischen) Auswirkungen ein Aktienportfolio hat und informiert über Klima-Effekte von börsennotierten Unternehmen.
Design für Tugenden
Design kann darüber hinaus dabei helfen, uns moralisch gut zu verhalten. Das ist – mit Verlaub – bisher nicht unbedingt eine Stärke von Banken und Bankern. Das kann sich ändern. Mit Produkten und Dienstleistungen, die „das Richtige“ erreichen wollen.
Die ING hat beispielsweise eine Funktion integriert, mit der man bei jeder Kartenzahlung auf den nächsten vollen Euro aufrunden kann und den Überschuss direkt an Unicef spendet. Ein anderes Beispiel ist die US-Banking App Aspiration. Sie macht die sozialen Auswirkungen von Käufen transparent und will Kunden dadurch helfen, moralisch gut einzukaufen.
Auch die Unterstützung marginalisierter Personengruppen kann in diesen Bereich fallen. Die Digitalbank Greenwood hat sich etwa zum Ziel gemacht, Schwarze und Latinx zu unterstützen, die aufgrund geringer Einkommen in den USA Schwierigkeiten haben, ein Konto zu eröffnen. Greenwood fördert bedürftige Familien und kleine Unternehmen aus diesen Gemeinden.
Menschliche Erlebnisse als neuer USP
In einer Welt, in der die bisherigen Kontaktpunkte mit der Institution Bank zunehmend erodieren, schafft man mit Positive Design eine neue emotionale Nähe und damit die Basis für erfolgreiche Kundenbeziehungen.
Positive Design stellt gerade für etablierte Banken eine große Chance dar, nahbarer, menschlicher, zeitgemäßer zu werden. Es legt die Basis für Innovationen, die Menschen nicht nur aktuell zufriedenstellen, sondern ihr Wohlbefinden im Umgang mit Geld und Finanzanlagen langfristig steigern.