Was der Preiskampf beim digitalen Investieren für die Beratung bedeutet

Digitalisierung des Wertpapiergeschäftes schreitet voran

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Der Wettbewerbsvorsprung der Neobroker beim Kampf um neue Kunden schrumpft und auch der Preiskampf im Markt wird sich nicht endlos fortsetzen. Am Ende steht die Frage, welche Mehrwerte die Anbieter von Aktiendepots jenseits der günstigen Preise bieten.

Zunehmender Wettbewerb durch Digitalisierung des Wertpapiergeschäftes

Die Digitalisierung des Wertpapiergeschäftes verschärft den Wettbewerb.

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Das digitale Investieren boomt – doch vor allem Neobroker und Robo-Advisor, die mit geringen Gebühren locken, profitieren beim Werben um Neukunden derzeit von dem Trend. Die Herausforderer mögen mit ihren gebührenarmen Angeboten derzeit noch nicht viel Geld verdienen, sie schaffen sich jedoch eine Basis für stabile Renditen in der Zukunft. Klassische Banken und Sparkassen hingegen haben das Nachsehen, während der Preiskampf der Herausforderer auf einen Höhepunkt zusteuert. Doch obwohl der Preis und die Nutzerfreundlichkeit von Apps und mobilen Angeboten auch in Zukunft maßgeblich die Entscheidung der Kunden bei der Wahl ihres Depot- und Trading-Anbieters bestimmen, rückt mit der zunehmenden Gleichartigkeit der Produkte in diesen Bereichen die Beratungskompetenz klassischer Geldhäuser erneut in den Fokus. Ganz nach dem Motto: Totgesagte leben länger. Das zeigen die Ergebnisse unserer Marktanalyse „Digital Investieren“. Der Preiskampf von Neobrokern und Robo-Advisor erhöht den Druck auf das Angebot und somit auch die die Margen der Herausforderer, gleichzeitig sorgt die zunehmende Regulatorik für Unsicherheiten bei der Frage, inwieweit sich die neuartigen Geschäftsmodelle dauerhaft auf Praktiken wie das Payment-for-Order-Flow stützen können.

Die künftige Differenzierung im Wettbewerb erfolgt daher über das Bereitstellen smarter, digitaler Features, die aus der Perspektive der Kunden gedacht und konzipiert sind. Mit ihnen schaffen die Anbieter von Depots Mehrwerte für ihre Kunden, die über das reine Kaufen und Verkaufen von Aktien und ETFs hinausgehen. Den Anbietern helfen diese Features dabei, zusätzliche Ertragsquellen zu erschließen und die eigenen Margen zu stabilisieren.

Beratungskompetenz als Chance der Banken und Sparkassen

Genau darin liegt die Chance für Banken und Sparkassen – vorausgesetzt, es gelingt ihnen, die Beratungskompetenz in (mobile) Apps und andere zeitgemäße digitale Lösungen zu überführen oder beispielsweise als „as a Service“-Angebote für Dritte bereitzustellen. Um günstige Konditionen im Brokerage kommen Banken und Sparkassen damit zwar nicht herum und die generellen Kostenvorteile werden auch in Zukunft bei Neobrokern und Robo-Advisors liegen, die ohne teure Legacy-IT, personellen Overhead und Filialnetze auskommen. Allerdings schaffen sie sich neue Wachstums- und Umsatzmöglichkeiten.

Um diese Chance für sich nutzen zu können, sollten Banken und Sparkassen vor allem drei Ebenen betrachten, die sich mit den folgenden Schlagworten beschreiben lassen:

  • Ansprache
  • Technologie
  • Integration

Zeitgemäße Ansprache

Kunden mit dem Girokonto an das eigene Unternehmen binden und ihnen später weitere, meist beratungsintensive Produkte verkaufen – das war jahrzehntelang der klassische Sales-Funnel der Banken und Sparkassen. Doch heutzutage sind Hausbanken nicht mehr die natürlichen Hauptansprechpartner für ihre Kunden in Sachen Geldanlage. Die Hälfte der Deutschen hat das Konto schon mindestens einmal im Leben gewechselt, zum Teil sogar schon mehrfach, wie eine Umfrage des Hightech-Branchenverbands Bitkom jüngst ergab. Gleichzeitig versorgt eine wachsende Szene aus Finance-Influencern Interessierte in YouTube-Videos, Podcasts oder auch TikTok-Clips und Instagram-Posts mit Ratschlägen und Hintergrundwissen – perfekt abgestimmt auf den Kenntnisstand und die Bedürfnisse der eigenen Community.

Was ist eine Dividende? Was bedeutet thesaurierend? Was unterscheidet Aktien, ETFs und Investmentfonds? Wie hängen Kursentwicklung und Notenbank-Entscheidungen miteinander zusammen? Was hat es eigentlich mit dem Shortsqueeze bei GameStop auf sich? Die Antworten liefern YouTube-Tutorials, Tweets und tagesaktuelle Podcasts. Die Folge: Die Generation YouTube ist informiert, preissensibel und bereit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Für Banken und Sparkassen macht das eine andere Ansprache erforderlich – mit dem Depot als neuem Ankerprodukt. Bieten Banken und Sparkassen der jungen Generation preisgünstige Produkte, ETFs und Depots, für den Einstieg in den Handel, schaffen sie damit die Grundlage für weitergehende Angebote wie beispielsweise eine Baufinanzierung. Während das Girokonto bei Kunden kaum Interaktion fördert, weckt das Depot Interesse und schafft durch seine häufige Nutzung zusätzliche Kontaktpunkte.

Neue Technologien sind gefragt

Dass es bei komplexeren Finanzfragen einen Beratungsbedarf gibt, darf an dieser Stelle aber nicht dazu verführen, in alte Denkmuster zu verfallen. Der Wunsch nach Beratung korreliert nicht zwangsweise mit dem Wunsch, die Filiale einer Bank aufzusuchen. Wer in einem YouTube-Tutorial bequem vom Sofa aus den Handel mit ETFs lernt, der möchte bei den Detailfragen zu Themen wie einer Baufinanzierung nicht zwangsläufig einen Termin in der Filiale vor Ort vereinbaren. Vielmehr ist eine virtuelle Lösung für ihn womöglich auch ein gangbarer Weg. Was es daher braucht: Innovative Chat-Lösungen, ein smartes Datenmanagement, intelligente Authentifizierungslösungen und der nahtlose Austausch von Kundeninformationen über alle Kanäle hinweg – mit dem Depot als Ausgangspunkt der künftigen Customer Journey.

Das Ergebnis kann eine On-Demand-Beratung sein, die rund um die Uhr für die Kunden aus dem Depot heraus verfügbar ist, assistiert von Künstlicher Intelligenz. Beispielweise könnten Kunden über ein Chat-Symbol in ihrer Trading-App zunächst einen virtuellen Assistenten kontaktieren. Dieser verbindet bei intensiverem Beratungsbedarf direkt mit einem menschlichen Berater, der seinerseits bereits alle relevanten Informationen zum Kunden und dessen möglichen Anfragen von der KI in aufbereiteter Form zur Verfügung gestellt bekommen hat. Die Haupthürde bei dieser Digitalisierung der Beratung dürfte die Einhaltung der Regulatorik sein. Doch sie sollte nicht als Alibi dienen, um entsprechende Investitionen zu scheuen.

Integration in Ökosysteme

Mit den beiden zuvor genannten Punkten geht der Gedanke einher, Finanzdienstleistungen genau dort anzubieten, wo sich die Kunden befinden. Die Integration der eigenen, digitalen Beratungsservices in Ökosysteme und Angebote Dritter hilft den Banken und Sparkassen dabei, sich neue Kundengruppen zu erschließen.  Denn auch mit einem Depot als Ankerprodukt werden viele Banken und Sparkassen sich weiterhin mit der Frage konfrontiert sehen, wie sie die Schnittstelle zum Kunden erfolgreich besetzen können.

Genau hier kommen Möglichkeiten wie Embedded Finance und Banking-as-a-Service mit ins Spiel. In vielen Fällen entscheiden Verbraucher sich nämlich nicht bei der Nutzung ihrer Trading-App oder auf der Online-Seite ihres Depots für die Nutzung einer weiteren Finanzdienstleistung, sondern wenn sie beispielsweise im E-Commerce-Shop unterwegs sind, in einem Immobilienportal stöbern oder sich durch die Angebote eines Mobilitätsdienstleisters klicken. Da die Banken und Sparkassen bereits für das Depot ihr Beratungsangebot digitalisiert haben, können sie dieses nun auch als separaten Service in den Ökosystemen Dritter bereitstellen und sich auf diese Weise zusätzliche Umsatzquellen erschließen. Wer auf einem einschlägigen Immobilienportal seine Traumwohnung gefunden hat und nun noch auf der Suche nach der passenden Finanzierung ist, erhält nicht nur ein mögliches Angebot mit Zins und Tilgung präsentiert, sondern kann die grundsätzlichen Eckpunkte mit einem integrierten Chatbot der jeweiligen Bank abklären. Bleibt das Angebot weiterhin interessant, erfolgt bei Bedarf per Videocall die direkte Verbindung zum Kundenberater.

Was nun zu tun ist

Für Sparkassen und Banken heißt es daher, jetzt zu handeln. Das nahende Ende des Preiskampfes bei den Neobrokern ist eine große Chance, sich selbst neu zu positionieren und die Beratungsexpertise zur Geltung zu bringen. Doch dafür gilt es, die Customer Journey zu sortieren, das Depot zum Ankerprodukt zu machen, das verstaubte Beratungsangebot einzustampfen und stattdessen On-Demand-Beratungslösungen digital und jederzeit verfügbar zu etablieren. Besonders wichtig ist es jedoch, sich von einem Geschäftsmodell zu verabschieden, das lediglich das Onboarding der Kunden und einmalige Erträge im Fokus hat und dabei die langfristigen Einnahmepotenziale über den Lebenszyklus des Kunden hinweg vernachlässigt.

Über den Autor

Hauke Thielert

Hauke Thielert ist Senior Management Consultant bei Sopra Steria Next, der Management-Consulting-Marke von Sopra Steria und verantwortet Themen rund um die Strategie- und Geschäftsmodellberatung. Der Wirtschaftsinformatiker besitzt Erfahrung in der Strategieberatung im Bankensektor.

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