Vier Herausforderungen für Privatbanken im Jahr 2023

Chancen in Zeiten der Krise

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Jede Krise bietet auch Chancen. Die Privatbank-Branche stellt sich bereits seit Monaten einem höchst anspruchsvollen Marktumfeld. Umso wichtiger, dass sie diese Zeit konstruktiv und vorausschauend nutzt. Einige Trends sind dabei im Jahr 2023 besonders zu beachten.

Ausblick auf die Perspektiven für Privatbanken im Jahr 2023

Privatbanken im Jahr 2023.

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Die Notwendigkeit zur Innovation ist den Privatbanken seit langem bekannt. Die eigenen Prozesse zu modernisieren und den sich verändernden Kundenbedürfnissen mit neuen digitalen Angeboten nachzukommen, sind langfristige Herausforderungen für die Branche. Allerdings hat sich die Situation der Banken mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise, anhaltend hoher Inflation und Turbulenzen an den Finanzmärkten nochmals deutlich verschärft.

Grund genug für die Branche, die aktuellen Entwicklungen nicht tatenlos auszusitzen – sondern vielmehr Trends zu identifizieren und die Weichen zu stellen, um neue Kundengruppen anzusprechen und sich auch intern zukunftssicher aufzustellen. Dabei sollten sie sich auf die folgenden vier relevanten Themen fokussieren:

Jüngere Generationen berücksichtigen

Eine Zielgruppe, die für Privatbanken ein erhebliches Potenzial birgt, ist die der sogenannten Emerging Affluents. Diese Gruppe der zumeist jungen Berufstätigen zählt mit einem Jahresgehalt zwischen 80.000 und 200.000 Euro zwar zu den Besserverdienern, bewegen sich aber noch in einem Bereich, der häufig nicht im Fokus unserer Branche steht. Dabei empfiehlt sich eine nähere Betrachtung, denn lautet einer Studie von BCG  verfügen Emerging Affluents über ein investierbares Vermögen von derzeit rund 800 Mrd. Euro. Für die kommenden zwei Jahre geht die Studie von einem Wachstum von rund 50 Prozent auf mehr als 1.200 Mrd. Euro aus.

Allerdings verschieben sich mit der jüngeren Zielgruppe auch die Anforderungen an die Bankhäuser: Emerging Affluents nähern sich trotz ihres zumeist jungen Alters sehr selbstbewusst dem Thema Geldanlage. Sie informieren sich verstärkt selbst vor allem über Online-Medien und fällen Anlageentscheidungen gerne eigenständig. Vor allem digitale Zugänge und Plattformen stehen hoch im Kurs – im Moment sind es der BCG-Studie zufolge daher vorrangig die Direktbanken und Neobroker, die diese Zielgruppe ansprechen.

Privatbanken sollten die Chance nutzen, die Emerging Affluents mit maßgeschneiderten Angeboten anzusprechen – und sich damit die Möglichkeit eröffnen, mit den Kunden zu wachsen. Letztlich ist dies auch Bestandteil der klassischen Privatbank-DNA. Emerging Affluent-Kunden von heute können die Private-Banking-Kunden der Zukunft sein. Wie solch ein Angebot aussieht, zeigen wir selbst mit Zeedin: Die jüngeren Kunden wünschen digitale Wealth-Management-Zugänge,  gepaart mit der persönlichen Beratung und der Expertise einer Privatbank, mit angemessener Wissensvermittlung und einem ansprechenden Kundenerlebnis.

Alternatives Anlageuniversum zugänglicher machen

Neben den klassischen Anlageformen wie Aktien oder Anleihen sind in den vergangenen Jahren zunehmend Alternative Assets wie Immobilien, Private Equity, Venture Capital oder Private Debt in den Vordergrund getreten und haben mit spezifischen Stärken überzeugt. Bislang konnten davon vor allem institutionelle Anleger profitieren, die aufgrund der hohen Mindestanlage von den bemerkenswerten Wertzuwächsen in der Vergangenheit profitieren konnten.

Das Interesse der privaten Anleger an diesen Assetklassen ist diesem Zeitraum ebenfalls stark gestiegen. Privatkunden suchen nach neuen Rendite- und Diversifizierungsmöglichkeiten abseits des Mainstreams, abseits von Sparplänen und Aktienfonds. Hemmnisse sind derzeit noch die mitunter hohen Einstiegshürden und der Aufwand. Innovative Anbieter haben diese Nachfrage erkannt und neuartige Zugänge zu diesen Assetklassen geschaffen, etwa via spezieller Fondsstrukturen.

Die Entwicklung steht allerdings noch relativ am Anfang und birgt damit noch erhebliches Entwicklungspotenzial für unsere Branche. Ein besonderer Aspekt kommt dabei der Blockchain-Technologie zu, die mittels Tokenisierung die Übertragung jeglicher Formen von Eigentumsrechten ermöglicht und damit eine Vielzahl an zusätzlichen Anlageklassen eröffnet. Dieser sich ausdehnende Kosmos kann für Privatbanken künftig entscheidende Wettbewerbsvorteile bieten und die Kundenbindung verbessern. Daher sollte die kontinuierliche Ausdehnung des Anlageangebots beibehalten und eher intensiviert werden.

Blockchain zur Diversifizierung von Geschäftsmodellen nutzen

Ob in Form von Kryptowährungen als Assetklasse oder im Einsatz bei (neugedachten) Prozessen – viele Finanzdienstleister haben sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Blockchain-Technologie beschäftigt. Herausgekommen ist eine große Vielzahl an neuen Servicedienstleistungen, Prozessketten und Systemen – und es werden mehr. Die Adaption an sowie die Integration von Blockchain-Technologie sind Aufgaben für alle langfristig denken Dienstleister.

Und nicht nur FinTechs oder Großbanken haben diese Prozesse gut gemeistert: Viele Privatbanken besitzen aufgrund ihrer flexiblen Arbeitsweise klare Vorteile, entsprechende Angebote zu entwickeln und zu offerieren: Die Kryptoverwahrung, der Handel mit Digitalen Assets, das Krypto-Assetmanagement oder auch die Privatkundenberatung zu Kryptowerten sind zählen zu den Services, die sich in der Vergangenheit herausgebildet haben. Gleichwohl ist zu erwarten, dass sich das Anwendungsspektrum der neuen Technologie noch deutlich ausweiten wird.

Der gemeinsame Aufbruch von Privatbanken in die neue Zeit entspricht gewissermaßen auch den klassischen Privatbank-Werten. Denn die Traditionshäuser der Branche haben die vergangenen 300 Jahre erfolgreich bestanden, weil sie sich immer wieder dem Fortschritt geöffnet haben. In den kommenden Jahren sollte diese grundsätzliche Offenheit gegenüber beibehalten werden – auch wenn der Kryptomarkt sich nicht immer von der besten Seite zeigt.

Employee Centricity – auf die wichtigsten Assets fokussieren

Viele Unternehmen haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inzwischen als wichtigstes Asset erkannt. Auch wenn diese Philosophie oftmals bereits sehr ausgeprägt ist und gelebt wird, so hat sie aktuell nochmals an Bedeutung gewonnen. Denn ob ein Unternehmen erfolgreich ist oder nicht – und ob es in der Lage ist, sich neuen Herausforderungen überhaupt stellen zu können – das hängt letztlich von der Qualifizierung und auch der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden ab. Privatbanken zeichnen sich bislang dadurch aus, dass ihre Mitarbeiter freier und flexibler entlang der Kundenwünsche agieren und keine Lösungen „von der Stange“ bieten.

Individualität ist in gewisser Weise bereits durch die historisch gewachsene Tradition unserer Branche vorgegeben. Deshalb gilt es, diese Stärke weiter zu fördern und Mitarbeitenden einen Rahmen zu bieten, in dem sie Banking neu denken und neue Geschäftsmodelle entwickeln können. Zugleich ist die permanente Qualifikation entscheidend, erwarten insbesondere Privatbank-Kunden eine exzellente Expertise von ihrem Bankhaus. Gerade mit Blick auf den „War for Talents“, der sich in den vergangenen Jahren weiter zugespitzt hat, sind deshalb Human Resources und ein gezieltes Talent Management zu einer Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Privatbanken geworden. Deshalb gilt es, diesen Bereich nicht als Selbstverständlichkeit zu sehen, sondern strategisch auszurichten.


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Über den Autor

Michael Bentlage

Michael Bentlage ist Vorsitzender des Vorstands der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG. Zuvor war der diplomierte Wirtschaftsmathematiker u.a. bei Trinkaus Capital Management, Allianz KAG, der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank sowie in der Geschäftsführung von Activest Investment und BayernInvest tätig.

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