Ich habe hier im Bank Blog ja bereits vor einiger Zeit über die Nettobank berichtet, die seit einem Jahr in der Schweiz ein innovatives ePrivate-Banking anbietet. Dahinter verbirgt sich Vermögensverwaltung mit ETFs via Online-Banking, verbunden mit einem neuartigen Preismodell.Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit zu einem Besuch vor Ort und dabei ein sehr ergiebiges Gespräch mit Herrn Tihomir Katulic, Mitglied der Geschäftsleitung (zuständig für die Bereiche Legal, Tax, Compliance sowie Asset & Liability Management) und Frau Tanja Rädler, Leiterin des Bereichs Kundenbetreuung und Mitarbeiterin im Bereich Asset Management.
Außen bescheiden – innen professionell
Schon die Anfahrt war spannend. Die Nettobank „residiert“ nicht wie man sich eine typische Schweizer Privatbank vorstellt in noblen Stuckbüros mit Blick auf den Genfer See oder in der Nachbarschaft von edlen und teuren Juwelieren, sondern im Großraumbüro in einem unscheinbaren Zweckgebäude im Industriegebiet von Gossau, einem Vorort von St. Gallen. Schon damit werden „Zeichen gesetzt“. Bei der Nettobank will man „anders“ sein: Modern, offen und kosteneffizient für die Kunden.Frau Rädler, Herr Katulic, herzlichen Dank für Ihre Breitschaft, mit dem Bank-Blog über die Nettobank zu sprechen. Sie sind ja nicht nur First-Mover für ein Online-Angebot von echtem Private Banking, sondern können auch generell als Wegbereiter für Online Banking in der Schweiz bezeichnet werden. Dabei ist Ihre Muttergesellschaft, das Bankhaus Wegelin, die älteste Schweizer Bank und gerade Schweizer Privatbanken sind ja nicht gerade als Wegbereiter für innovative Ideen bekannt. Wie kam es zur Gründung der Nettobank und wie lange dauerte es von der Idee zur Realisierung?
T. Katulic: Beim Bankhaus Wegelin haben wir uns Gedanken zu möglichen Wachstumsfeldern gemacht. U.a. haben wir festgestellt, dass es in der Schweiz praktisch keine Direktbanken gibt.Wir haben dann analysiert und festgestellt, dass wir über alle notwendigen Zutaten verfügen, um in diese Marktlücke hinein zu stoßen: Funktionierende Abwicklungs- und Compliance-Prozesse sowie ein leistungsstarkes Private Banking und Asset Management. Außerdem hatten wir zahlreiche Erfahrungen im Insourcing mit anderen Partnern und Banken. Was noch fehlte, waren die webbasierten Instrumente zur Ermittlung des Kundenrisikoprofils sowie zur Generierung des Anlagevorschlags. Die haben wir dann selbst entwickelt; da steckt unheimlich viel Arbeit und Know-how drin. Insgesamt waren wir rund 18 Monate mit den Vorbereitungen beschäftigt. Am 29. April 2010 war dann die offizielle Geburtsstunde der Nettobank.
Sie sind, gemessen an der Mitarbeiterzahl, kein großes Institut, machen Sie alles selbst?
T. Katulic: Das stimmt, wir sind ein sehr kleines Team mit gerade mal sieben Mitarbeitern. Dafür haben wir kurze Entscheidungswege und sind sehr schlagkräftig. Durch schlanke Prozesse können wir unsere Geschäftsstrategie effizient umsetzten. Zudem haben wir mit der Bank Wegelin & Co. einen erfahrenen und erfolgreichen Outsourcing-Partner. Das über Jahre aufgebaute Know-how der Privatbank macht sich die Nettobank stark zu Nutze.
Da die Privatbank aber unser einziger Partner ist kann man schon davon sprechen, das wir alles selbst machen.Können Sie etwas zur Entwicklung im ersten Jahr sagen? Wo stehend Sie z.B. bei der Anzahl der Kunden und wie sieht Ihr Business Plan für die Zukunft aus?
T. Katulic: Das erste Jahr war mit zwei Zielen überschrieben: Erhalt der Bankzulassung und Stabilität bei den Prozessen und Systemen. Beides haben wir erreicht. Intensives Marketing und Kundenakquisition haben wir uns im Jahr 2011 auf die Fahnen geschrieben. Unser Plan sieht vor, nach fünf Jahren auf 5.000 Kunden zu kommen. Dann sieht unser Business Plan auch Break-Even vor.
Überraschungen beim Kundentyp
Welcher Kundentyp hat sich bisher für die Nettobank entschieden und entsprach das so Ihren Erwartungen?
T. Rädler: Etwa 90 Prozent unserer Kunden sind Schweizer. Sie sind überwiegend männlich und über 50 Jahre alt.
Für uns war dies eine erste Überraschung. Wir hatten einen deutlich höheren Frauenanteil und ein wesentlich niedrigeres Durchschnittsalter erwartet. Allerdings gilt es noch zu analysieren, ob unsere Zielgruppenerwartung falsch war oder ob unsere Marketingbotschaft in einer anderen Zielgruppe als der eigentlich anvisierten ankam. Da müssen wir in den nächsten Monaten noch genau hinschauen und ggf. nachschärfen. Aufgrund unserer First-Mover-Rolle und der ausgeprägten Aktivitäten im Bereich von Social Media gehört ein gewisses Maß an Trial & Error im Bereich Marketing dazu.
Wie hoch ist das durchschnittliche Vermögen Ihrer Kunden und wie ist die Risikobereitschaft ausgeprägt?
T. Rädler: Unsere bisherigen Kunden sind eher Risikoorientiert. Rund drei Viertel aller Kunden wählen ein mittleres oder hohes Risikoprofil. Bisher haben lediglich 3% aller Kunden ein sehr tiefes Risikoprofil gewählt. Das durchschnittliche Volumen liegt mit rd. 112’000 CHF (rd. 86.000 Euro) über unseren Erwartungen.
Sie bieten zwei Preismodelle an: Eine Pauschalgebühr und eine Mehrwertgebühr. Bei der letzteren würden Sie ja nur dann Geld vom Kunden bekommen, wenn tatsächlich ein Ertrag für ihn entsteht. Das ist ja ein sehr innovativer Ansatz, bei dem die Interessenausrichtungen von Kunde und Bank gleichgeschaltet werden. Wie sieht die Nachfrage der Kunden danach aus?
T. Katulic: (lacht) Ja, das ist ein Ansatz, wie er in vielen öffentlichen Verlautbarungen immer wieder von den Banken eingefordert wird. Zu unserer großen Überraschung haben sich aber 90 Prozent der Kunden für die klassische Pauschalgebühr entschieden.
T. Rädler: Aus zahlreichen Gesprächen vermuten wir, dass viele Kunden und Interessenten den Charme der Mehrwertgebühr noch gar nicht richtig erkannt haben. Wir sind von daher selbst auf die weitere Entwicklung gespannt.
Soziale Medien sind ein wichtiges Thema
Die Nettobank twittert und ist auf Facebook und youtube vertreten. Wie sehen Sie das Thema „Soziale Medien“ und deren Bedeutung für Ihre Bank?
T. Katulic: Wir beobachten die Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit, weil wir glauben, dass speziell für Direktbanken das Thema hochgradig relevant und lohnenswert ist. So verfolgen wir z.B. die Aktivitäten der Fidor Bank in Deutschland sehr interessiert. Wir glauben ganz eindeutig an eine Entwicklung hin zur Bank 2.0.
T. Rädler: Die steigende Bedeutung sozialer Medien für den Bankbereich lässt sich z.B. anhand steigender Werbekosten auf Facebook sehr gut beobachten.
Auch für die Nettobank wird der Community Gedanke in den nächsten Monaten mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen.
Erwarten Sie Nachahmer Ihres Konzeptes?
T. Katulic: Grundsätzlich begrüßen wir neue Wettbewerber. Zum einen bestärkt uns das in der Richtigkeit unserer Entscheidung, zum anderen sind wir dann nicht mehr die einzigen, die Aufklärungsarbeit für dieses neue Angebot leisten müssen. Die Schweiz steckt ja im Direkt Banken-Markt noch in den Kinderschuhen.
Der erste Wettbewerber ist ja auch bereits aktiv. Swissquote hat vor etwas mehr als einem halben Jahr ein neues Produkt auch unter dem Namen ePrivate Banking auf den Schweizer Markt gebracht. Während wir eine echte Privatbanken-Historie haben, ist Swissquote ein typischer Direkt-Broker. Während unser Konzept auf einer klassischen Asset Allocation beruht, hat Swissquote ein computerbasiertes Modell im Einsatz. Das betrachten wir natürlich auch mit Interesse.
Haben Sie Reaktionen von anderen Privatbanken wahrgenommen?
T. Katulic: Schweizerische Privatbankiers sind ja von Natur aus sehr diskret und halten sich mit öffentlichen Äußerungen eher zurück. Aber wir spüren schon ein starkes Interesse an dem was wir da machen.
T. Rädler: Im persönlichen Gespräch erhalten wir wohlwollende Anerkennung für unseren Mut, spüren aber auch sehr viel Skepsis, ob unser Weg in den Erfolg führen wird. Das spornt uns natürlich zusätzlich an, da wir von unserer Idee überzeugt sind.
Zentrale Erfolgsfaktoren
Welches sind die zentralen Erfolgsfaktoren für Ihr Geschäftsmodell?T. Katulic: Ich sehe im Wesentlichen vier Punkte:
- Ein skalierbares Geschäftssystem mit einfachen Strukturen, schnellen Prozessen und niedrigen Kosten.
- Das Spezial-Know-how, das in den bereits erwähnten Prozessen zur Risikoermittlung und Generierung eines Anlagevorschlags steckt.
- Ehrliche und transparente Produkte und Preise für die Kunden, ohne versteckte Provisionen oder Erträge.
- Das Vertrauen in eine professionelle Vermögensverwaltung, das uns unsere Kunden sicherlich auch vor dem Hintergrund unserer Muttergesellschaft entgegenbringen.
Gab es Reaktionen aus Deutschland? Haben Sie vielleicht selbst Expansionspläne, nachdem ja inzwischen sogar schweizerische Kantonalbanken in Deutschland aktiv sind?
T. Katulic: Expansionspläne haben wir derzeit keine. An erster Stelle steht unser Ziel, den Markt in der Schweiz zu entwickeln. Aber tatsächlich hatten wir immer wieder Anfragen aus dem deutschsprachigen Ausland, insbesondere hinsichtlich unserer Tools zur Ermittlung des Risikos und zur Erstellung des Anlagevorschlags. In der Zwischenzeit sind wir in der Lage auch diesen Interessenten, sofern sie die regulatorischen Auflagen erfüllen, unsere Dienstleistungen anzubieten.
Und, führen Sie schon Verhandlungen über Lizenzvergaben?
T. Katulic: (lacht) Dazu haben wir uns noch keine Gedanken gemacht. Wie gesagt: Wir arbeiten erst mal an unserer weiteren Entwicklung in der Schweiz.
Die werde sicherlich nicht nur ich aufmerksam verfolgen. Viel Erfolg dazu und herzlichen Dank für das Gespräch.