Kurz erklärt: Vier Probleme des Plattform-Bankings in Deutschland

Beispiele und Erkenntnisse aus der Finanzbranche und der Wissenschaft

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Plattform-Banking gilt weiterhin als eines der Topthemen in der Finanzbranche. Bei einem kritischen Blick fällt jedoch auf, dass die tatsächliche Umsetzung den Erwartungen des theoretischen Ideals nicht gerecht wird. Die Ursache liegt vor allem in vier Problemen begründet.

Plattform-Banking bedeutet Öffnung für Dritte

Beim Plattform-Banking öffnen sich Banken und Sparkassen gegenüber FinTechs und anderen Fremdanbietern und integrieren deren Leistungen in ihr eigenes Angebot.

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„Plattform-Banking“ wurde bereits 2018 zum „Finanzwort des Jahres“ gewählt. Dahinter verbirgt sich die Vision, dass Banken sich gegenüber FinTechs und anderen Fremdanbietern als Kreditinstitut öffnen und deren Leistungen in ihr eigenes Bankangebot integrieren. Hierdurch soll sich der Fokus der Kreditinstitute vom ursprünglichen Vertrieb der eigenen Finanzdienstleistungen hin zur Vermittlung der Dienstleistungen auch von Drittanbietern verlagern.

Der Hype um das Thema wird verständlich, wenn man weiß, dass sieben der zehn wertvollsten Firmen der Welt den Plattformgedanken für ihr Geschäftsmodell nutzen. Die auf dem Plattformgedanken begründeten Skalierungsmöglichkeiten möchte natürlich auch die Finanzbranche für sich nutzen. Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem nicht von der Öffnung der Banken für Drittanbieter gesprochen wird. Häufig wirken die bisherigen Versuche von den meisten Banken jedoch halbherzig. Schnell kommt daher die Frage auf, warum ein VW-Verkäufer problemlos zum verkauften Auto eine Finanzierung vertreiben kann, während sich Banken mit dem Verkauf eines VW extrem schwertun. Liegt es möglicherweise daran, dass Banken nur banknahe Produkte erfolgreich verkaufen können?

AirBnB und Uber sind gute Vorbilder für Check24, aber nicht für Banken

Doch was genau unterscheidet beispielsweise Uber oder AirBnB von Banken? Bei genauer Betrachtung der Tech-Plattformen fällt schnell auf, dass Uber keine eigenen Autos und AirBnB keine eigenen Immobilien besitzt. Beide müssen selbst nicht in physische Produkte investieren, sondern vertreiben die Dienstleistungen anderer. Die Bankdienstleistungen sind zwar ebenfalls digital, es entfällt also gleichermaßen die Investition in physische Produkte, jedoch liegt der Fokus von Banken in der Regel auf der Gewinnmaximierung durch den Vertrieb der eigenen Finanzprodukte. Der Ansatz von AirBnB und Uber entspricht eher den Geschäftsmodellen von Check24 und Verivox, die mit ihren Vergleichsangeboten auch bei Finanzprodukten sehr erfolgreich sind.

Das populärste Beispiel aus der Finanzbranche ist die App „George“ von der Erste Group aus Österreich. Das Besondere an George ist, dass neben den Standardleistungen der Erste Bank auch fremde Technologieunternehmen ihre Services anbieten. Diese Zusatzleistungen werden als individuelle Plug-Ins in einem virtuellen Shop der Bank erworben. Dort finden sich beispielsweise Plug-Ins für einen Budgetplaner, ein Kontoarchiv oder einen Schutz gegen finanzielle Schäden. Gleichzeitig öffnet sich George auch gegenüber Nicht-Kunden: Es können also auch Kunden anderer Banken ihre Finanzgeschäfte über George abwickeln. Das Ökosystem beschränkt sich dabei inzwischen nicht mehr nur auf Privatkunden, sondern richtet sich auch an Unternehmen und Freiberufler.

Trotz alle dem handelt es sich auch bei George nicht um eine Plattform im engeren Sinne wie Uber oder AirBnB. Denn als Finanzinstitut unterliegt auch George strengen regulatorischen Rahmenbedingungen. Deshalb kann hier nur von einer Plattform im weiteren Sinne die Rede sein, die über standardisierte Programmschnittstellen den Zugang in Form von APIs zwar erleichtert, aber gleichzeitig sehr genau steuert, wer Zugang zu den Kunden- und Geschäftsdaten bekommt. Plattformen im engeren Sinne wie Uber oder AirBnB sind im Finanzsektor nur in den Bereichen Crowdfunding, Crowdinvesting oder Marketplace-Lending anzutreffen. Wichtig ist hierbei zu betonen, dass Plattformanbieter im oben genannten engeren Sinne keine neuen Produkte entwickeln oder eigene Produkte vertreiben, sondern Transaktionen von Produkten und Dienstleistungen für Partner organisieren. Sobald es zu einer Mischung von Eigen- und Fremddienstleistungen kommt, die auf der Plattform angeboten werden, wird von Plattformen im weiteren Sinne gesprochen. Letzteres ist häufig das theoretische Idealbild in der Finanzpraxis.

Plattformansatz funktioniert im Bereich Baufinanzierung bereits gut

Plattformen sind allgemein als Orte zu verstehen, an denen Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Hierbei sorgt der sogenannte Netzwerkeffekt dafür, dass mit jedem Kunden auf der Plattform der Anreiz für die Anbieter von Dienstleistungen oder Produkten größer wird. Umgekehrt führt natürlich auch jeder neue Anbieter zu einer gesteigerten Attraktivität für die Kunden. Für beide Seiten werden so die Transaktionskosten in Form von Such- und Zeitaufwand verringert. Als Intermediär kann die Plattform zudem noch einen gewissen Qualitätsstandard zusichern, wodurch die Kunden auch gegenüber unbekannten Anbietern offen sind.

Neben den bisher genannten Beispielen ist auch die Baufinanzierung von comdirect ein Best Practice: Diese fokussiert sich auf die Vermittlung von Baufinanzierungsangeboten anderer Kreditinstitute und verzichtet auf das Angebot einer eigenen Baufinanzierung. Auf diese Weise bekommt der Kunde stets das beste Finanzierungsangebot für seine Wunschimmobilie zugesichert – unabhängig vom eigentlichen Anbieter.

Die Erfolgsfaktoren des Plattform Bankings werden häufig nicht kritisch genug hinterfragt

Wichtig ist zu verstehen, dass Plattformen nicht nur virtuelle Orte sind, an denen Anbieter und Nachfrager den Handel und Tausch von Produkten und Dienstleistungen betreiben. Plattformen sind nur dann wertvoll und nutzenstiftend, wenn die jeweils andere Seite (Anbieter bzw. Nachfrager) in ausreichender Größe vorhanden ist, sowohl Plattform als auch Anbieter sowie Nachfrager einen Mehrwert durch das Angebot auf der Plattform haben und die finanziellen Bedürfnisse aller drei Parteien berücksichtigt werden. Hierbei spielt insbesondere die Berücksichtigung der finanziellen Bedürfnisse aller Parteien eine hervorgehobene Rolle: Aktuell ist es häufig der Fall, dass entweder das Anbieten von Produkten und Dienstleistungen Dritter für die Banken finanziell zu unattraktiv ist oder alternativ das Produkt entweder für den Kunden zu teuer oder für den Drittanbieter nicht rentabel ist.

Vier Probleme des Plattform-Bankings

Diese entscheidenden Erfolgsfaktoren werden bei den theoretischen Diskussionen über Plattform-Banking häufig nicht kritisch genug diskutiert und sollen nun Grundlage für die nachfolgende Analyse über derzeitige Limitierungen des Plattformansatzes in der Finanzbranche sein.  Dabei werden vier Probleme untersucht:

  1. Die derzeitigen „Finanzsupermärkte“ gleichen eher Schlecker als Edeka;
  2. Fehlende Sichtbarkeit im entscheidenden Moment;
  3. Bankkunden sind nicht gleich App-Nutzer;
  4. Marge ist für Vermittlung an Kunden meist zu gering.

1. Problem: Die derzeitigen „Finanzsupermärkte“ gleichen eher Schlecker als Edeka

Bei der Vision des Plattform-Bankings wird häufig von einem Idealbild des Finanzsupermarkts oder eines App-Stores wie von Apple oder Google gesprochen. Um einen solchen Finanzsupermarkt bestmöglich zu betreiben, benötigen die Banken herausragende Fähigkeiten im Bereich Conversion-Optimierung. Viele Talente, die aus dem E-Commerce im Bereich Marketing von Banken abgeworben werden, sind jedoch immer wieder überrascht, was man bei einer Bank alles noch nicht kann und vor allem aus regulatorischen Gründen nicht darf. Schnell kommt deshalb die Frage auf, ob die Kritik an möglicherweise falschen Produkten zu früh kommt, wenn es – unabhängig von der Produktart – derzeit noch im Produktvertrieb bei Bestandskunden hapert.

Zwar weisen viele Banken gute Zahlen bei der Neukundenakquise auf, jedoch zeigt sich immer wieder, dass sie zugleich Probleme haben, ihre Bestandskunden für die Nutzung weiterer Produkte zu gewinnen. Dementsprechend sollte der Fokus nicht auf die Erweiterung des Produktportfolios durch Angebote von Drittanbietern gelegt werden, sondern vielmehr auf den gezielten Vertrieb der bestehenden Produkte an Bestandskunden. Denn trotz möglicherweise passender Produkte von Dritten, erscheint ein „weiter so“ nach dem Gießkannenprinzip wenig erstrebenswert. Hier bedarf es eines Umdenkens, denn zu häufig wird der Erfolg im Banking noch an der Zahl der Neukunden oder der neu auf den Markt gebrachten Produkte gemessen und zu wenig am Deckungsbeitrag pro Kunde.

2. Problem: Fehlende Sichtbarkeit im entscheidenden Moment

Ziel muss es also sein, dem richtigen Kunden das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt vorzuschlagen. Denn insbesondere bei Finanzprodukten hat es den Anschein, dass die Kunden nur in seltenen Fällen wirklich offen für neue Angebote sind. Dies liegt auch dran, dass sie den echten Mehrwert des Produkts nicht immer für sich erkennen. Denn was in der Theorie nach einem logischen Vorteil aussieht, muss nicht immer auch eine aktive Handlung des Kunden nach sich ziehen.

Eine solche aktive Handlung liegt in der Regel doch ferner als es die meisten Banken wünschen. Das gilt selbst für die eigentlich leicht verständlichen Produkte. Bietet beispielsweise eine Bank ihren Kunden an, Rechnungen nachträglich in mehreren Raten zu bezahlen, dann erkennt ein Kunde in der Regel sofort den logischen Vorteil für sich, falls er einmal in finanziell schwierige Zeiten kommt oder er sich eine besonders große Anschaffung zulegen möchte. Wenn ein Kunde jedoch Online-Shopping betreibt, dort auch nur für beispielsweise 80 Euro einkauft und ihm im Check-Out-Prozess eine Buy-Now-Pay-Later-Möglichkeit von einem FinTech angeboten wird, dann vergessen die meisten Kunden in diesem Moment noch zu häufig das Alternativangebot ihrer Bank. Die Bank wiederum kann selbst mit innovativen Push-Nachrichten erst nach dem Kauf auf ihr Angebot hinweisen, da die Überweisung vorab getätigt werden muss. Auf diese Weise entsteht bei ihr ein Wettbewerbsnachteil aufgrund der fehlenden Sichtbarkeit im Moment der Kaufentscheidung.

3. Problem: Bankkunden sind nicht gleich App-Nutzer

Was jedoch viele Startups unterschätzen, ist die Tatsache, dass Bankkunden  – mit Ausnahme der Kunden von Neobanken – nicht mit App-Nutzern gleichzusetzen sind. Das bedeutet, dass sich immer nur ein Teil der Zielgruppe von neuen Produkten in der App angesprochen fühlt. Wenn man nun noch bedenkt, dass von diesen Kunden wiederum ein Teil von den vertrieblichen Maßnahmen der Banken gar nicht erreicht wird, reduziert sich die Durchdringung in der Zielgruppe erneut. Dies könnte ein Grund sein, warum viele Banker derzeit noch nicht an die Skalierung von Fremdprodukten als vollwertigen Ersatz für den Vertrieb der eigenen Produkte glauben, da letztere für die Banken deutlich höhere Margen besitzen.

4. Problem: Marge ist für Vermittlung an Kunden meist zu gering

FinTechs haben sich in der Vergangenheit auf Produktnischen konzentriert, die für viele Banken auf den ersten Blick nicht margenträchtig genug waren. Eine Skalierung von solchen Fremdprodukten würde bedeuten, dass die geringe Marge noch zwischen Bank und FinTech aufgeteilt werden müsste. Hierdurch müsste dann im Vergleich zu den Eigenprodukten eine Vielzahl an Fremdprodukten verkauft werden. Dies ist jedoch – unter Betrachtung des vorher genannten Problems – nur bedingt die Stärke vieler Banken.

Das Problem wird dadurch verstärkt, dass der Kunde sein Geld in der Regel nur einmal anlegt oder investiert. Anschließend sind seine liquiden Mittel hierfür aufgebraucht. Hinzu kommt noch, dass Finanzprodukte in der Regel wenig Emotionalität bei Kunden auslösen. Es gibt nicht wenige Kunden, die Freude daran haben, sich 20 Mal den gleichen Sneaker in einer anderen Farbe anzuschauen, jedoch kaum Kunden, denen es Spaß macht, 20 Mal das gleiche Finanzprodukt von unterschiedlichen Anbietern zu vergleichen. Dies führt dazu, dass sich Kunden in Umfragen sehr preissensibel zeigen, jedoch in ihrer aktiven Handlung noch zu häufig das Angebot ihrer Bank dem günstigeren Angebot eines Drittanbieters vorziehen. Dadurch schwindet der Anreiz für Banken erneut, auf einer eigenen Plattform die Produkte von Dritten anzubieten.

Fazit: Innovation durch Kooperation ist noch für zu viele Banken erst der zweite Schritt

Schon jetzt verändern digitale Ökosysteme die Wertschöpfungsketten zahlreicher Wirtschaftszweige und werden dies auch in der Finanzbranche tun. Kreditinstitute, die diesen unaufhaltbaren Trend als Chance begreifen, können ihre Wettbewerbsfähigkeit erheblich verbessern, wenn sie aus ihrer traditionellen Rolle als Verkäufer von Finanzprodukten ausbrechen und zuverlässige Partner mit Digitalkompetenz suchen, um mit diesen die Tür zu neuen Geschäftsfeldern aufzustoßen.

Wichtig ist hierbei zu verstehen, welches Verständnis die eigenen Kunden von ihrer Bank als Finanzdienstleister haben. Es kann nahezu ausgeschlossen werden, dass die Kunden über ihre Banking-App alle ihre Restaurantreservierungen tätigen wollen. Dafür werden die GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon) zeitnah viel interessantere Lösungen anbieten. Dementsprechend müssen Banken verstehen, welchen Mehrwert sie ihren Kunden liefern können, den FinTechs oder GAFAs nicht oder nur teilweise erbringen können.

Die Kunden erwarten hierbei grundsätzlich eine User Experience, die sie aus dem Online-Einzelhandel kennen und schätzen gelernt haben, ganz selbstverständlich auch von ihrer Bank. Sie verlangen nach Services, die sich ganz an ihren Bedürfnissen und ihrer Lebenswirklichkeit orientieren. Und sie wollen von ihrem Institut regelmäßig mit neuen, nutzenstiftenden Angeboten überrascht werden. Hierfür müssen die Banken ihre Produkte und Dienstleistungen wieder stärker auf den Kunden ausrichten und ihr eigenes Selbstbild und die eigene Produktlandschaft überprüfen. Erst im zweiten Schritt sollte das eigene Angebot durch einen Plattformansatz ergänzt werden, damit die bisherigen Fehler vieler anderer Banken vermieden werden können. Wenn die Banken jedoch soweit sind, heißt die Erfolgsformel für das Banking-Business der Zukunft „Innovation durch Kollaboration“.

Über den Autor

Pidder Seidl

Pidder Seidl ist Head of comdirect Startup Garage und arbeitet bei der comdirect bank im Innovationmanagement und Business Development. Vor seiner Zeit bei der comdirect bank hatte er sein eigenes Startup gegründet und war als selbstständiger Unternehmensberater tätig

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