Banken und Sparkassen sollen die API-Revolution nicht den FinTechs überlassen – heißt es. Doch was genau steckt hinter dieser Forderung? Vier konkrete Strategien zeigen, wie sich etablierte Player in der PSD2-Welt positionieren können.
PSD2 und assoziierte Vorgaben wie die Instant-Payment-Richtlinie werden den regulatorischen und wettbewerblichen Druck im Zahlungsverkehrsmarkt erhöhen – das ist unbestritten. Der Status Quo verändert sich, neue Player fassen Fuß und der Margendruck nimmt weiter zu. Unseren Prognosen zufolge drohen Banken, die sich dem neuen Marktumfeld nicht rasch genug anpassen, im Payment- und Collections-Bereich auf kurze bis mittlere Sicht bereits Umsatzeinbußen von fünf bis neun Prozent. Denn auf Kundenseite stößt die neue Richtlinie und die damit verbundene Möglichkeit, Drittdienste zu nutzen auf großes Interesse. Die Mehrheit der Deutschen würde sich einer Umfrage von PwC zufolge dazu bereit erklären, Drittanbietern Zugriff auf ihr Konto einzuräumen, bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 86 Prozent.
Die PSD2-Uhr tickt
So muss es allerdings nicht kommen. Denn auch wenn die Zeit drängt und PSD2 im kommenden Jahr bereits Wirklichkeit wird – noch haben Banken, die schnell handeln, die Chance, ihre angestammte Wettbewerbsposition zu verteidigen oder gar auszubauen.
Unternehmen, die bereits im Zahlungsmarkt aktiv sind, wie z. B. Banken, sollten diesen zunächst analysieren, um sich strategisch entsprechend ausrichten zu können. Eine solche impliziert:
- Ermittlung der Margen, die im Bereich Zahlungsverkehr erzielt werden und deren Beitrag zur Gesamtleistung der Bank.
- Bezifferung der erwarteten Umsätze, die mithilfe fortgeschrittener Methoden der Datenerfassung und -auswertung (z. B. Big Data, Advanced Analytics) erzielt werden können, um zusätzliche Services (alleine oder in Kooperation mit FinTechs oder Technologieunternehmen) strukturieren zu können.
- Analyse der Verteilung des Absatzvolumens nach Kundensegmenten und dem Grad der Gefährdung durch Angebote von Wettbewerbern.
- Neudefinition und Optimierung des Preismodells in Anbetracht anderer Marktteilnehmer.
- Evaluierung der Adaptionsfähigkeit und Flexibilität von Applikationen und Architekturen, mit denen sich Wachstumspotenziale realisieren lassen (mit Bezug auf Volumensteuerung und Prozesskapazität).
- Analyse der Innovationspotenziale, die durch die Integration externer Akteure und Services erschlossen werden können.
Vier Möglichkeiten zur Positionierung in der PSD2-Welt
Wichtigste Hebel für Umsatzsteigerungen unter PSD2 sind nach unserer Sicht die Entwicklung von Zusatzleistungen sowie die Erfassung und Monetisierung von Daten. Für traditionelle Banken gibt es in diesem Sinne vier Möglichkeiten, sich in der PSD2-Welt nachhaltig zu positionieren, nämlich
- Passiv als Compliant Player.
- Aktiv als Plattform.
- Aktiv als Aggregator.
- In der Kombination aus beidem: Aggregator als Plattform.
Ich möchte diese Optionen kurz skizzieren:
Der Compliant Player (passiv)
Der Compliant Player macht im Grunde nichts anderes, als die PSD2-Richtlinie wie vom Gesetzgeber gefordert umzusetzen. Das heißt: Er öffnet seine Konten vorschriftsgemäß für Kontoinformationsdiente, Zahlungsauslösungsdienste und Drittkartenemittenten. Dadurch verringert sich zwar voraussichtlich die Zahl seiner eigenen Geschäftsverfälle, mit der Folge von Umsatzverlusten. Doch durch die schnelle Adaption der neuen Regeln hat der Compliant Player zumindest wieder Kapazitäten, um sich auf andere, für ihn aussichtsreichere Geschäfte zu konzentrieren.
Die Plattform-Bank (aktiv)
Im Gegensatz dazu versucht die Plattform-Bank die Möglichkeiten, die sich durch die PSD2-bedingte Öffnung der Kontoschnittstellen für Drittanbieter ergeben, selbst aktiv zu nutzen. Dabei investiert der Plattform-Player gezielt in innovative Architekturen wie zum Beispiel „Open APIs“. So wird es ihm möglich, klassische Zahlungsverkehrsdienste mit neuartigen digitalen Services zu verknüpfen, seine Kundenbasis zu erweitern und Kapazitäten an anderer Finanzdienstleister weiterzugeben.
Der Aggregator (aktiv)
Während die Plattform-Bank bildlich gesprochen in die „Hardware“ der PSD2-Welt investiert, lenkt der Aggregator seine Ressourcen in die „Software“. Dabei geht es im Kern darum, sämtliche Finanzinformationen, die den Endkunden direkt betreffen, an einer Stelle zusammenzuführen und aufzubereiten (diese „Stelle“ kann ebenso das klassische Online-Konto wie eine neuartige App sein). Dabei greift der Aggregator über die Schnittstellen direkt auf die Konten seiner Kunden bei anderen Banken zu – und initiiert von dort zum Beispiel auch Zahlungstransaktionen.
Der Aggregator als Plattform (aktiv)
Der Aggregator als Plattform verbindet die beiden vorgenannten aktiven Positionierungen miteinander. Sein Ziel ist es, nicht nur eine Plattform für andere Finanzdienstleister bereitzustellen bzw. nicht nur ein App-fokussierter Aggregator für den Endkunden zu sein, sondern eine umfassend integrierte Banking-Lösung für die PSD2-Welt zu entwickeln. Dieser anspruchsvolle strategische Ansatz verlangt nach hohen Investitionen, die sich voraussichtlich nur dann rechnen, wenn es dem Aggregator als Plattform gelingt, Größenvorteile bei seinen Prozessen und im Marketing zu nutzen.
Beispiele für aktive Positionierungen
Für die drei aktiven Positionierungen zeigen sich im europäischen Bankenmarkt bereits erste Beispiele.
- Die Rolle als Plattformversuchen vor allem solche Akteure zu besetzen, die man als Zwitter zwischen FinTech und Bank bezeichnen könnte – also Player, die einerseits ein tiefes Verständnis für Finanztechnologie mitbringen (speziell, was das Back-end betrifft), die sich andererseits aber nicht damit begnügen, lediglich als Technologiedienstleister am Markt aufzutreten. Man könnte in diesem Fall auch von Techfirmen mit Banklizenz sprechen. Umgekehrt versuchen allerdings auch erste traditionelle Banken, dieses Feld für sich zu besetzen, indem sie die entsprechenden IT-Kompetenzen massiv ausbauen.
- Die Positionierung als Aggregatordrängt sich für jene Banken auf, die auf eine große Kundenbasis im Retailgeschäft zurückgreifen können – und die diese Position nun verteidigen möchten, indem sie die eigene App als „Frontend“ für allen finanziellen Fragen ihrer Kunden etablieren. Dabei können sich die Anbieter vor allem über die Entwicklung neuer Produkt- und Servicemodelle von ihren Wettbewerbern abheben – was auch Partnerschaften mit FinTechs einschließt, um ein möglichst schnelles „Go-to-market“ zu gewährleisten.
- An die Rolle des Aggregators als Plattformtrauen sich hingegen in Europa bislang erst wenige Banken heran. Das hat auch damit zu tun, dass das Modell nur für eine begrenzte Zahl von etablierten Playern einen absehbaren Mehrwert verspricht – nämlich für Akteure, die große Zahlungsmengen verarbeiten und über eine beträchtliche branchenübergreifende Kundenbasis im B2B-Geschäft verfügen (z. B. Einzelhandel, sonstige Unternehmen, öffentliche Verwaltungen). Hinzu kommt: Die Investitionen, die eine solche Positionierung erfordert, muss eine Bank auch erst einmal stemmen – neben aller Offenheit für dieses Geschäft.
Banken müssen PSD2 als Chance begreifen
Die meisten Experten und Marktbeobachter sind sich mittlerweile einig, dass die PSD2 für klassische Banken sowohl Gefahr als auch Verheißung sein kann. Letzteres ist sie aber nur, wenn man die Richtlinie als Antriebsfeder für mehr Innovation und Katalysator des Open Banking versteht. Finanzdienstleister, die noch nicht analysiert haben, welche konkreten Auswirkungen die Richtlinie auf ihr Wettbewerbsumfeld, ihre Produkte und ihr Geschäftsmodell hat, sollten das schleunigst nachholen. Erst dann ist die Grundlage gelegt für die strategische Entscheidung zugunsten einer der oben beschriebenen vier Rollen, mit denen Banken sich in der PSD2-Welt positionieren können.