„Alle Jahre wieder“ gilt scheinbar auch für die schlechte Beratungsqualität der Banken und Sparkassen. Zumindest wenn man den Ergebnissen der Stiftung Warentest folgt, die regelmäßig den Service der Institute überprüfen. Diesmal stand die Anlageberatung im Fokus.
„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s weiter ungeniert“. Haben sich die Banken und Sparkassen diesen volkstümliche Sprichwort zu eigen gemacht? Mit Blick auf das immer wieder schlechte Abschneiden bei Testkäufen diverser Verbraucherschützer könnte man den Eindruck tatsächlich gewinnen.
Bereits vor einiger Zeit habe ich über das schlechte Abschneiden der Banken bei Baufinanzierungs-Testberatungen durch die Stiftung Warentest berichtet. Im Zeitraum von Juni bis September 2015 hat Stiftung Warentest nun erneut die Beratungsqualität – diesmal bei der Geldanlage – von fünf bundesweit tätigen Privatbanken sowie von großen Genossenschaftsbanken und Sparkassen anhand von 160 Gesprächsprotokollen getestet. Ausgewählt wurden die regionalen Institute nach der Höhe der Einlagen und Zahl der Zweigstellen.
Für den Test wurden 53 geschulte Tester losgeschickt, um 45 000 Euro für zehn Jahre anzulegen. Maßgabe war, dass ein Teil des Geldes mit etwas Risiko angelegt werden könne und bei Bedarf das Kapital rasch verfügbar sein sollte. Die Tester gaben weiterhin an, im Umgang mit Aktien keine Erfahrung zu haben. Ihre persönliche finanzielle Situation schilderten sie als gut und erklärten, keine Schulden zu haben und zur Miete zu wohnen.
Anlageberatung Mangelhaft
Das Urteil war – wieder einmal – nicht besonders schmeichelhaft für die Institute. Zwar ermittelten die Bankberater den „Kundenstatus“ inzwischen „gut bis sehr gut“, d.h. sie fragten nach dem Ziel der Anlage, nach der gewünschten Laufzeit und nach der Risikobereitschaft des Kunden. Trotzdem passten die daran anschließend angebotenen Geldanlagen häufig nicht zum Anleger. Fazit: Nur drei von 23 Banken beraten „gut“, fünf „ausreichend“ und zwei „mangelhaft“.
Das ausgerechnet die HypoVereinsbank (neben der Hannoverschen Volksbank) mangelhaft abschneidet, muss erstaunen, setzt doch gerade die HVB konsequent auf das Thema Anlageberatung.
Von Banken ungeliebtes Beratungsprotokoll
Beim letzten Test wurde in 65 Fällen kein Beratungsprotokoll übergeben, in dem unter anderem Ziel, Zweck, Dauer der Geldanlage sowie die Risikobereitschaft des Kunden erfasst und dokumentiert werden müssen. Im aktuellen Test wurde immerhin noch 15-mal gegen die bei den Kreditinstituten ungeliebte Protokollpflicht verstoßen, besonders oft durch drei Sparkassen.
Dabei fordern die Kunden Transparenz und Verständlichkeit und sind einem strukturierten Beratungsprozess gegenüber durchaus aufgeschlossen, wie eine aktuelle Befragung zeigt.
Ich habe schon vor 20 Jahren die These vertreten, dass ein sauber strukturiertes und ausgefülltes Beratungsprotokoll, das von Kunde und Bank gemeinsam unterschrieben wird, die beste Möglichkeit einer Qualitätssicherung und damit auch einer Qualitätssteigerung ist. Und zwar nicht nur im Anlagebereich, sondern auch in allen anderen Beratungsbereichen. Damit hätten sich die Banken und Sparkassen viel Ärger (und hohe Kosten) ersparen können, sei es bei Lehmann Papieren oder bei der Bearbeitungsgebühr für Konsumentenkredite.
Marktwächteruntersuchung zeigt Missstände in der Finanzberatung
In die gleiche Kerbe hat vor kurzem ein Bericht der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geschlagen. Nach einer Auswertung von rund 835 Beratungen der Verbraucherzentralen im Zeitraum November 2014 bis Oktober 2015 erfolgten 95 Prozent der Vertragsangebote nicht im besten Kundeninteresse. Von 3.500 Anlageprodukten und rund 360 Vertragsangeboten, mit denen sich Anleger an Verbraucherzentralen gewandt hatten, wurden 95 Prozent der Vertragsangebote nicht der individuellen Lebenssituation, bzw. den Zielen oder Wünschen der Anleger gerecht. Allerdings weist dieser Test erhebliche methodische Mängel aus.
Woran liegen die Beratungsprobleme der Banken?
Man kann derartige Testkäufe natürlich generell hinterfragen: Auswahl der Institute, geringe Fallzahl, Bewertungskriterien, Transparenz, etc.. Und man kann sich natürlich darüber freuen, dass die Ergebnisse besser sind als beim letzten Mal. Zufrieden stimmen sollte das jedoch nicht.
Wo also liegen die Ursachen? Einige seien im Folgenden dargestellt.
Mangelnde Fähigkeiten des Beraters
Es kann (und darf) nicht sein, dass über 20 Jahre nach Einführung des WpHG-Beratungsbogens die Qualität der Beratung individuell vom jeweiligen Berater abhängt und damit dem Zufall überlassen bleibt.
Genauso, wie Patienten bei einer Blinddarmoperation nicht vom Zufall des jeweiligen Operateurs abhängen wollen, erwarten auch Kunden bei einer Geldanlage eine 100-prozentige Erfolgsquote (im Sinne einer objektiv richtigen Beratung).
Fehlende oder unzureichende Anlage- und Beratungsprozesse
Auch sollte inzwischen (zumindest unter den getesteten Instituten) jede Bank oder Sparkasse über eine ausformulierte Anlagestrategie verfügen und einen entsprechenden Prozess zur flächendeckenden Umsetzung vorzuweisen haben.
Dass sich in diesem Zeitraum die Möglichkeiten der technischen Unterstützung weiterentwickelt haben und damit ein durchgängig IT-gestützter Beratungsprozess möglich wäre, sollte spätestens seit dem Aufkommen von Robo-Advisory auch jedem klar sein.
Bankinteresse statt Kundenbedarf
Stiftung Warentest selbst vermutet weniger ein Unvermögen seitens des Beraters, sondern einen Zusammenhang zwischen Anlageempfehlung und Provisionsertrag. Mit anderen Worten, der Berater würde ganz bewusst das falsche Produkt empfehlen, sei es zur Erhöhung des Bankergebnisses oder (wahrscheinlicher) zur Erreichung seiner persönlichen Ziele.
Sollte dies wirklich zutreffen, wäre dies nicht nur ein Armutszeugnis für die Zielsysteme der Banken, die in diesem Fall allen öffentlichen Bekundungen zum Trotz unverändert das Bankinteresse vor das Kundeninteresse stellen würden. Es würde auch die spätestens seit der Finanzkrise bestehende Vermutung vieler Kunden bestätigt, dass Banken nur ihr eigenes Wohl statt das der Kunden im Blick haben. Darüber hatte ich schon 2012 im Beitrag „Eigennutz überwiegt aus Kundensicht“ berichtet und den Instituten dringend empfohlen, den Kundenbedarf wieder vorne anzustellen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Stellungnahme der Finanzinstitute
Was sagen die Banken und Sparkassen selbst zu dem Testergebnis? Dazu gibt es eine offizielle Verlautbarung der Deutschen Kreditwirtschaft, welche die positiven Entwicklung betont und vor allem darauf hinweist, dass die Ergebnisse der oben erwähnten Untersuchung des Finanzmarktwächters damit in Frage gestellt würden.
Hingewiesen wird auch auf die Notwendigkeit von Erträgen im Zuge einer Beratung. Auf die möglichen Ursachen geht die Erklärung jedoch nicht ein und auch auf Anfrage war dazu keine offizielle Stellungnahme zu erhalten.
Fazit: Auf gutem Weg, aber noch viel zu tun
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Banken und Sparkassen zwar auf gutem Weg sind, es jedoch noch viel zu tun gibt. Keine Frage, dass die Banken mit ihrer Beratung Geld verdienen wollen, sollen und müssen. Auch durch Provisionsertrag. Aber bitte nicht zu Lasten der Kunden, sondern als Bezahlung für eine qualitativ angemessene Leistung.
Letztlich ist es wohl in erster Linie eine Frage der Kultur und der Ziele, ob objektiver Kundenbedarf oder die Erträge der Institute im Vordergrund einer Kundenberatung stehen. Vermutlich ist dafür einfach auch noch mehr Zeit notwendig, zu erkennen, dass man mit allen Produkten Geld verdienen kann und sich am Ende des Tages der Mix automatisch einstellt, wenn das Kundeninteresse im Mittelpunkt steht.
Allerdings müssen die Finanzinstitute aufpassen: Derartige Testergebnisse sind einmal mehr Wasser auf die Mühlen derjenigen, die ihnen die Zukunft absprechen und im Zuge der Digitalisierung auf neue webbasierte vermeintlich automatisch kundenorientierte Angebote verweisen.