Quo vadis, Innovation und Experience?

Anpassung ist überlebenswichtig

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Extreme Veränderungen in immer kürzeren Abständen bringen ganze Märkte durcheinander, wie die Covid-19-Pandemie zeigt. Wer gedanklich, kulturell und technologisch auf Veränderung eingestellt ist, kann mit dem Unerwarteten besser umgehen und relevant bleiben.

Schnelle und flexible Anpassung sind überlebenswichtig

Wer sich nicht anpasst und verändert, denkt zu kurzfristig und droht, irrelevant zu werden.

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Um mit den schneller veränderten Rahmenparametern am Markt mithalten zu können, ist es nicht damit getan, sich ausschließlich auf die neuen Erwartungshaltungen der Kunden und Mitarbeiter zu konzentrieren. Unternehmen bleiben dann relevant, wenn sie eine perfekte Symbiose zweier Welten schaffen: die „alte“ traditionelle Welt, mit ihrem bestehenden Geschäftsmodell auf der einen Seite und die „neue“ digitalisierte Welt mit neuen Ideen, neuen Möglichkeiten und einer komplett veränderten Erwartungshaltung von Kunden und Mitarbeitern auf der anderen Seite. Dabei müssen Technologie, Mindset und Experience im Dreiklang stehen.

Das Problem mit der Innovation

Seit Beginn der digitalen Transformation und spätestens seit dem Durchstarten der FinTechs hat sich die Finanzbranche massiv gewandelt. Immobilien in bester Lage der Stadt werden zum Klotz am Bein, Kunden erwarten dass ihre Bankgeschäfte online und zu jeder Tages- und Nachtzeit abgewickelt werden können und verzichten gerne auf den persönlichen Kontakt zum Finanzberater.

Dieses Verhaltensmuster ist exemplarisch für sämtliche Branchen und betrifft nicht nur den Finanzsektor. Im regulierten Umfeld ist die Komplexität allerdings höher. Der Begriff der Innovation geistert durch die Büros der großen Entscheider und jeder möchte agil sein, etwas mit Blockchain machen oder die beste Experience liefern. Dass dabei viel Staub aufgewirbelt wird und nur wenige Initiativen langfristig und nachhaltig erfolgreich sind, lässt den Innovationsbegriff mittlerweile im negativen Licht erscheinen. Wie geht man also am besten vor, um sowohl für seine eigenen Mitarbeiter, Partner und Kunden relevant zu bleiben?

Die Rolle von Technologie

Eine der größten Herausforderungen heutzutage ist das exponentielle Wachstum der Möglichkeiten, die mit der Weiterentwicklung der Technologie einhergehen. Die Zeiten, zwischen neuen Megatrends (wie Mobile oder IoT) werden immer kürzer. Das verleitet Entscheider dazu, sich intensiv mit den Möglichkeiten des technologischen Fortschritts auseinander zu setzen und dabei den Kunden oder Mitarbeiter aus den Augen zu verlieren. So werden beispielsweise Projekte ins Leben gerufen, die die neuesten Technologien nutzen müssen und bis zur Pilotphase getrieben werden und kurze Zeit später wieder eingestellt werden.

Als Beispiel kann man hier die Mobilisierung bestehender Desktop-Prozesse anführen. Es ist natürlich nicht damit getan, dass ein Prozess auf einen anderen Formfaktor gebracht wird – ein Projekt wird erst dann erfolgreich, wenn der Prozess von Grund auf neu gedacht wird und sämtliche technischen Möglichkeiten mit berücksichtigt (Kamera, GPS-Nutzung, Augemented Reality etc.). Angenommen, man hat eine App zur Vorgangserfassung. Weshalb muss vor Ort bei der Erfassung noch die Adresse eingegeben werden, wenn man die Funktion „Meinen Standort verwenden“ nutzen könnte?

Gründe für den Misserfolg

Den Grund für den Misserfolg kann (!) man in den IT-Abteilungen suchen, aber das wäre zu kurz gedacht und wird den Bemühungen der IT nicht gerecht. Die größte Zeit und der Großteil des Budgets werden heute darauf verwendet, die bestehende Infrastruktur der „alten Welt“ am Laufen zu halten. Die meisten IT Verantwortlichen hätten gerne Zeit und Ressourcen, um sich neuen Trendthemen widmen zu können, bekommen diese allerdings nicht.

Die Folge ist, dass man sich mit neuen Technologien anders beschäftigt: man startet zu selten beim Kunden und dessen Problem. Welches Problem welches Kunden möchte man eigentlich lösen? Erst wenn diese Frage beantwortet ist, kann man beginnen anhand dieses Problems rückwärts zu arbeiten und sich am Ende darüber Gedanken machen, welche Technologie zum Einsatz kommt.

Häufig ist die Vorgehensweise genau umgekehrt: man hat die (meist neue) Technologie und sucht das Problem des Kunden/Anwenders. Mit Proof of Concepts zu konstruierten und teilweise fiktiven Aufgabenstellungen beschäftigt man sich mit den Möglichkeiten einer neuen Software, um dann irgendwie auf Anfragen aus den Fachbereichen vorbereitet zu sein.

Problemlösung und Innovation

Häufig können real existierende Probleme mit bestehenden Technologien gelöst werden, die heute schon in vielen Unternehmen im Einsatz sind. Dann bekommt der Begriff „Innovation“ auch wieder eine positive Assoziation: für viele Mitarbeitende ist es schon innovativ, wenn ihre Oberflächen verständlicher sind, weniger Prozessschritte notwendig sind oder -und das wird technisch schon etwas komplexer- alle Daten tatsächlich vollumfänglich zur Verfügung stehen, um eine Entscheidung treffen zu können. Wenn das Softwaresystem unterschiedliche Möglichkeiten simuliert und dem Anwender drei Auswahlmöglichkeiten mit Pro/Contra anbietet, dann kann man tatsächlich von intelligenter Innovation sprechen.

Wenn Unternehmen auf die richtige Softwareplattform setzen, sind heute solche Szenarien Realität. Es ist aber nicht damit getan, eine „IT der zwei Geschwindigkeiten“ aufzubauen, dabei den digitalen Kern unverändert zu lassen und Innovation nur im agilen Layer zu realisieren. Spätestens bei der Integration in existierende Systeme und Prozesse zeigt sich, wie gut die beiden Welten miteinander harmonieren. Entscheidend ist also nicht nur die Zeit bis zum Prototypen in der „neuen Welt“, gewinnen wird derjenige, der seinen Piloten als erstes Ende-zu-Ende integriert hat und dabei geltende Standards einhalten kann.

Ist das Experience oder kann das weg?

Eines der heißesten Trendthemen der letzten Monate ist zweifelsohne „Experience Management“. Unternehmen legen gesteigerten Wert darauf, wie ihre Produkte und ihre Marke von Kunden angenommen werden oder wie wohl sich Mitarbeiter und junge Talente an ihrem Arbeitsplatz fühlen.

Nicht ohne Grund ging im Business Netzwerk ein Bild durch die Timeline, das vom Revolut CEO gepostet wurde: wie viele Klicks benötigt ein Kunde, um ein neues Konto zu eröffnen? Wer hier versagt, wird für den Kunden gar nicht erst relevant werden und muss sich dann keine Gedanken mehr über weiterführende Kundenbindungsprogramme machen. Die Erwartungshaltung -egal ob bei Kunden oder Mitarbeitern- ist mittlerweile dieselbe und sie beginnt in der Einfachheit. User Experience, also das Erlebnis wie Anwender beispielsweise einen Prozess (Kontoeröffnung, Abrechnen von Spesen, etc.) wahrnehmen ist entscheidend für die Akzeptanz der darunterliegenden technischen Architektur.

Technologie und Experience kombinieren

Ist der Benutzer erstmal in den Mittelpunkt gestellt und wenn man mit dessen Herausforderungen startet und rückwärts arbeitet, stellen sich viele technologische Fragen erst gar nicht sondern leiten sich automatisch davon ab. Wenn die neue Idee zum Beispiel einen bestehenden Prozess simplifiziert und der Anwender nicht mehr zwischen mehreren Masken und Programmen hin- und herspringen muss, bis er alle Informationen hat oder schlimmstenfalls auf Dritte warten muss, hilft dieses Wissen bei der Planung der entsprechenden Architektur. Können Schnittstellen genutzt werden oder müssen Daten über eine Zwischenschicht geladen werden, um schnelle Antwortzeiten zu garantieren etc.?

Früher wurden Unternehmensprozesse häufig durch die IT getrieben und aus dem Blickwinkel der Technologie etabliert. Nicht selten war die technische Lösung schon da oder gesetzt („wir müssen was mit Blockchain machen!“) – es musste dann nur noch das Problem gesucht werden.

Derartige Herangehensweisen sind heutzutage selten mit Erfolg gekrönt. Ignoriert man die Technologie jedoch ganz und setzt ausschließlich auf eine tolle Experience, besteht die Gefahr vieler kleiner IT Insellösungen, die untereinander nicht integriert sind, unterschiedliche Datenmodelle haben und am Ende nur mit Mühe auswertbar und analysierbar sind. Datensilos und fehlende Integration haben dann zur Folge, dass für die Kontoeröffnung von oben beispielsweise über 100 Klicks notwendig sein könnten.

Eine Frage der Einstellung und Kultur

Wie löst man das Dilemma, dass einerseits in Unternehmen gewachsene IT Infrastrukturen vorherrschen, die Business IT zu wissen glaubt, dass sie bereits alles ausprobiert hat und weiß was die Anwender und Kunden wollen? Andererseits die Fachbereiche sich missverstanden fühlen und die IT als Bremser wahrnehmen und beginnen, andere Wege zu suchen?

Ein erster Schritt könnte sein, dass Unternehmen beginnen, ein Umfeld zu schaffen, das Fehler und Misserfolge nicht nur zulässt sondern Mitarbeiter ermutigt, den Status Quo nicht zu akzeptieren und Dinge auszuprobieren und alternative Lösungsansätze zu testen. Es soll dabei nicht um „alte Welt versus neue Welt“ gehen und das Credo lautet nicht „Innovate or Die“, sondern man wird feststellen, dass „Innovation“ das schlichte Lösen alltäglicher Probleme sein kann. Der notwendige Kulturwandel muss deshalb mit der Etablierung der richtigen technologischen Plattform einhergehen. Auf dieser Plattform können neue Projekte abseits des digitalen Kerns mit zeitgemäßen Entwicklungs- und Architekturparadigmen aufgesetzt werden, jedoch ohne die sichere Integration in Bestandsprozesse aus den Augen zu verlieren.

Der Kunde im Mittelpunkt

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass mehrere Faktoren entscheidend sind, um den Themen Erwartungshaltung, Kundenzentrierung und technologische Innovation gerecht zu werden. Wenn man vom Kunden aus arbeitet, das heißt dessen Problem oder Herausforderung in den Mittelpunkt stellt und rückwärts arbeitet, lassen sich Digitalisierungsprojekte sowohl erfolgreich umsetzen als auch erfolgreich vermarkten.

Denkt man diese Ideen konsequent weiter, ergeben sich für Unternehmen völlig neue Möglichkeiten. Servicenetzwerke und Partnerschaften erscheinen dann als logische Fortsetzung, weil sie aus Kundensicht selbstverständlich in dessen „Customer Journey“ integriert sein müssen. Damit diese Ideen (weiter)gedeihen können, ist eine alte Regel immer noch valide: Tue Gutes und rede darüber.

Über den Autor

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Timo Deiner ist Diplom Informatiker und im Office of the CTO der SAP Deutschland tätig und ist dort für die Themenbereiche Change, Innovationen und interne und externe Leuchtturmprojekte verantwortlich. Als Keynote Speaker und Nerd im Herzen möchte er seine Kunden begeistern, inspirieren und ermutigen, Neues auszuprobieren.

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