Quo Vadis Restschuldversicherung?

Gefahren der Regulierung im Bereich Konsumentenkredite

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Bei Aufnahme eines Konsumentenkredites wird häufig eine Restschuldversicherung mit verkauft. Diese Praxis kritisieren Politik und Verbraucherschutz und schlagen einen gesetzlichen Provisionsdeckel vor. Die Folgen könnten eine ganze Branche bedrohen.

Konsumentenkredite und Regulierung der Restschuldversicherung

Gefahren für Konsumentenkredite durch Regulierung der Restschuldversicherung?

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Am 23.10.2019 stellte die Bündnis90/Die Grünen-Bundestagsfraktion mit dem Titel „Effektiver Verbraucherschutz bei Restschuldversicherungen“ (BT Drucksache 19/14386) einen Beschlussantrag an den Deutschen Bundestag, der den vorerst letzten Versuch darstellt, die Geschäftstätigkeit der Restschuldversicherer in Deutschland massiv einzuschränken bzw. zum Erliegen zu bringen. Die Grünen fordern u.a.

  • einen Provisionsdeckel von 1,5 Prozent bezogen auf die Restschuldversicherungs-(RSV)beiträge (zum Vergleich: der BMF Entwurf sieht einen Provisionsdeckel in Höhe von 2,5 Prozent der Darlehenssumme vor);,
  • eine zeitliche Entkoppelung von mindestens einer Woche zwischen dem tatsächlichen Zustandekommen vom Kredit- und vom RSV-Antrag;
  • ein Verbot der Kreditfinanzierung des RSV Beitrags;
  • eine verpflichtende Einberechnung des RSV Beitrags in den Effektivzinssatz sowie
  • verbindliche sanktionsbewehrte Mindeststandards für alle Vermittler von Restschuldversicherungen, die die Sonderregelungen für produktakzessorische Versicherungsvermittlung beenden.

Begründet wird dieser weit über den Entwurf des „Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen und Restschuldversicherungen“ des Bundesfinanzministeriums hinausgehende Regulierungsumfang mit folgenden Argumenten:

  • „Teilweise extreme Kosten“: Mit Verweis auf eine Studie der „Bürgerbewegung Finanzwende“, geführt vom ehemaligen Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick, wird ein dort genanntes Kreditbeispiel zitiert, bei dem ein Kreditnehmer zu einem 7-jährigen Ratenkredit über 10.000 Euro eine Restschuldversicherung über 3.300 Euro angeboten bekommen hat.
  • „Im Beratungsgespräch wird gar nicht ermittelt, ob der Bedarf für eine Restschuldversicherung tatsächlich gegeben ist“
  • Der gleichzeitige Abschluss des Kredit- und des Restschuldvertrages führt zum falschen Eindruck der Notwendigkeit einer Restschuldversicherung für die Kreditvergabe bzw. dass es sich dabei um einen Vertrag handeln würde.

Übers Ziel hinaus schießen

Keine dieser Aussagen oder Darstellungen hat nur die geringste statistische Validität. Die Forderungen dagegen sind aberwitzig und kommen der Vernichtungsversuch einer ganzen Branche gleich. Die Gesetzesinitiative der Grünen belegt einmal mehr – wie leider auch schon eine Vielzahl der Argumente, auf denen der vergleichsweise moderate Regulierungsvorschlag des BMF basieren – dass hierzulande Gesetze auf Basis von Vorurteilen und Fake News initiiert und begründet werden.

Dies hat fatale Folgen

  • für die betroffenen RSV-Anbieter, die das Geschäft einstellen müssen,
  • für ihre Mitarbeiter, die möglicherweise ihren Arbeitsplatz verlieren,
  • für die Banken, die einer wesentlichen Provisionsertragsquelle ihres Ratenkreditgeschäfts beraubt werden,
  • für die Verbraucher, die keine Absicherung mehr gegen existenzielle Risiken erhalten können und
  • für die gesamte Volkswirtschaft, die durch den zurückgehenden kreditfinanzierten Konsum und den Anstieg der Privatinsolvenzquote großer Schaden zugefügt wird.

Faktencheck zur Notwendigkeit einer Regulierung der Restschuldversicherung

Ich erlaube mir den Appel auszusprechen, angesichts dieser Kollateralschaden-Potentiale überzogener Regulierungsvorhaben an die faktenorientierte Erörterung der Frage zurückzukehren: Ist eine Regulierung des RSV-Markts in Deutschland in Deutschland überhaupt gerechtfertigt?

Die Wirkungsweise der mit der erst kürzlich erfolgten RKV-Regulierungen innerhalb der Insurance Distribution Directive (IDD) wurde noch gar nicht evaluiert, geschweige denn im BaFin RKV Bericht berücksichtigt. Die der BaFin zur Verfügung stehenden Sanktionierungsinstrumente lt. VAG für „schwarze Schafe“ wurden nie angewandt – warum nicht?

Die BaFin Beschwerdestatistik gibt keinen Anlass, einen Missstand zu unterstellen. Hiernach rangiert die RSV unter den Sparten mit den geringsten Beschwerdequoten überhaupt.

Das Vorliegen eines Missstands wird überwiegend begründet mit ausgewählten Ergebnissen der BaFin RKV-Marktuntersuchung: Doch stimmen diese Ergebnisse überhaupt?

Die BaFin macht falsche Angabe der Leistungsfrequenz in der RSV: 0,2 Prozent vs. 0,8 Prozent. Nur die Todesfallversicherung wurde berücksichtigt, die Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitslosigkeitsversicherung sind unberücksichtigt geblieben.

Die Provisionshöhen im BaFin Report sind durch die Fragestellung („Darstellung des höchst verprovisionierten Tarifes“) fehlleitend und nicht repräsentativ.

Die Marktverhältnisse wurden abgefragt zu Zeiträumen vor IDD Einführung, aber nach IDD Einführung veröffentlicht, die IDD hat aber erhebliche Veränderungen gebracht, die im Bericht nicht berücksichtigt wurden.

Wenn es um die angeblichen Verkaufspraktiken (unterschwelliges Mitverkaufen der RSV) der Banken geht: Fakt ist, dass nach aktueller Gesetzeslage im Verkaufsprozess an mehreren Stellen der Verbraucher auf die Optionalität und die Kosten der RKV hingewiesen wird und die niedrigen Penetrationsraten belegen, dass das Produkt nur von denen gekauft wird, die es brauchen.

Leider werden diese Fakten weder im BaFin Bericht noch in der Medienkommentierung dargestellt. Insofern darf bezweifelt werden, dass ein unparteiischer, faktenbasierter und objektiver Blick auf das Marktgeschehen eine Regulierung der RSV überhaupt rechtfertigt hätte!

Die Regulierung, wie sie im Referentenentwurf aktuell vorgesehen ist, schafft Fehlanreize und könnte daher das Gegenteil dessen bewirken, was sie vorgibt, verbessern zu wollen.

Der Regulierungsvorschlag erlaubt „Provisionsoptimierung“ zulasten des Customer Values (Anteil der Leistungszahlungen an der Versicherungsprämie) im Rahmen der neuen Provisionskappungsgrenzen. Weniger Beratung oder Wegfall des Angebots können die Folge sein.

Daher fordert die Initiative Restkreditversicherung (IRKV) die Berücksichtigung des „Versicherungsinhalts“ durch einen atmenden Provisionsdeckel bis 4,0 Prozent der Darlehenssumme, analog des atmenden Provisionsdeckels in der kapitalbildenden Lebensversicherung, wo Beratungsqualitätsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Die IRKV begrüßt insofern die Annäherung der CDU/CSU Fraktion an ihre Position (max. 3 Prozent zu Darlehenssumme und maximal 50 Prozent der Beitragssumme), doch sehen wir das noch nicht als ausreichend an – schließlich kann der LV-Deckel auch bis 4 Prozent atmen.

Auch wettbewerbs- und ordnungspolitisch ist die Regulierung kontra-indiziert.

Die Provisionsdeckelung für Lebensversicherungs- und RKV-Produkte hilft den Banken nicht, ihre Einnahmenstruktur (weg von der Zinsmargenabhängigkeit) zu verbessern, wie es selbst der BaFin Präsident Felix Hufeld fordert. Sie stärkt insofern die ausländischen Banken in ihrer ohnedies schon bestehenden stärkeren Wettbewerbsposition im Vergleich zu den deutschen Banken, zumal es sich um ein isoliertes Regulierungsvorhaben für Deutschland handelt.

Warum nimmt der Staat nicht das angebotene Bekenntnis der Banken- und Versicherungsbranche zu übergesetzlichen Selbstregulierung auf?

Wesentliche Transparenz- und Qualitätsverbesserungen wurden in den verschiedenen Selbstverpflichtungserklärungen der Banken- und Versicherungsverbände angeboten – ohne sichtbare Reaktion der staatlichen Organe. Warum nicht? Geht es möglicherweise gar nicht um die Sache, sondern nur um eine Machtdemonstration und Feigenblattargumentation „Wir tun was für den Verbraucherschutz in der Finanzbranche“?

Restschuldversicherung: Zum Abschuss freigegeben?

Wie konnte es bei so viel Widerspruch dennoch so weit kommen, dass es demnächst eine Gesetzesvorlage an den Bundestag gibt, die bei objektiver Betrachtung der Marktlage gar nicht erforderlich gewesen wäre?

An dieser Stelle erlaube ich mir die fragwürdige Rolle des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft zu kritisieren: Den offiziellen und öffentlich gemachten Verlautbarungen gegen jeden Provisionsdeckel zum Trotz wurde mir in meinen persönlichen Gesprächen mit Ministerialbeamten und Politikern mehr oder weniger deutlich zurückgespielt, dass in den Verhandlungen mit den Repräsentanten der Versicherungsbranche die RSV dazu instrumentalisiert wurde, einen Provisionsdeckel für die Kapital-LV zu vermeiden, indem die RSV „zum Bauernopfer gemacht wird“. Daher hat sich bei den Politikern und Behörden auch die Meinung breitgemacht, dass die Branche selbst das Vorhandensein eines Missstands zugibt und einen Provisionsdeckel für die RSV akzeptiert.

Bleibt die Hoffnung, dass sich am Ende noch die Vernunft durchsetzt. Die Branche ist nicht kategorisch gegen jede Form von Regulierung oder Provisionsdeckelung. Aber diese Regulierung muss ausgewogen erfolgen und muss die möglichen Folgewirkungen für Verbraucher, Anbieter, vermittelnde Banken und die Volkswirtschaft berücksichtigen. Spannende Zeiten stehen uns bevor!

Über den Autor

David Furtwängler

David Furtwängler ist Hauptbevollmächtigter und CEO von BNP Paribas Cardif in Deutschland. Nach seinem Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre bekleidete er verschiedene Führungs- und Vorstandspositionen innerhalb der Versicherungsbranche, u.a. als Geschäftsführer bei AON Jauch & Hübner sowie CEO bei der AXA Versicherung AG in Österreich.

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