Ein Leben ohne Girokonto ist in der heutigen Zeit unvorstellbar. Miete, Strom, Versicherungen – alles läuft via Überweisung und Lastschrift. Doch nach wie vor haben über 30 Millionen EU-Bürger kein Konto, mehr als 500.000 allein in Deutschland. Das soll sich nun ändern.
Girokonto für jedermann
Ziel des Richtlinienvorschlags der Europäischen Union zu Bankkonten ist es, das Recht auf ein Girokonto in Form eines Guthabenkontos als Basiskonto gesetzlich zu verankern. Im Gegensatz zu klassischen Girokonten sollen diese Produkte nicht an einen Mindestgeldeingang oder an eine positive Schufa-Auskunft gekoppelt sein. Häufig haben Obdachlose, Verschuldete, Flüchtlinge und Geringverdiener wie Studenten oder Saisonarbeitern mit großen Problemen zu kämpfen, ein Konto zu eröffnen.
Das Basiskonto soll Bürgern die in finanziellen Schwierigkeiten stecken eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen und Ihnen so die Chance geben, ihre Situation zu verbessern. Ohne Konto sind Überweisungen oder der Empfang von bargeldlosen Zuwendungen ausgeschlossen. Ein Teufelskreis entsteht.
Diskriminierung und Ablehnung
Vor kurzem hatte das Bundesfinanzministerium vereinzelt Banken für ihre Weigerung kritisiert, Asylsuchenden mit Aufenthaltsgestattung eine Kontoeröffnung zu ermöglichen. Die Banken beriefen sich hierbei auf das Geldwäschegesetz, das dem Ministerium zufolge in diesem Falle nicht greift.
Dagegen will die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nun vorgehen: Sollten Banken sich in der Zukunft weigern, den Betroffenen die Kontoeröffnung zu ermöglichen, drohen Bußgelder.
Rechtsanspruch auf ein Girokonto ab 2016
Ursprünglich sollte der Anspruch auf ein Basiskonto erst im Herbst 2016 wirksam werden. Die Bundesregierung jedoch will nicht so lange warten und setzt das künftige EU-Recht bereits ab Anfang 2016 um. Grundlage hierfür ist die sogenannte EU-Zahlungskontenrichtlinie.
Doch das Konto ist nicht zwingend kostenlos – die Staaten der Europäischen Union dürfen selbst entscheiden, ob in ihren Landesgrenzen Gebühren für ein entsprechendes Konto erhoben werden dürfen. Auch müssen nicht alle Kreditinstitute solch ein Basiskonto anbieten, allerdings muss es eine ausreichende Anzahl von Banken geben, die Bürgern die Eröffnung eines solchen Kontos ermöglichen.
Auch ist es Sache der einzelnen Staaten zu entscheiden, ob eine Überziehung des Kontos erlaubt sein soll oder nicht. Doch eins gilt für alle Kreditinstitute, die Ihren Kunden ein Basiskonto anbieten: Ein fester Wohnsitz ist keine Bedingung mehr.
Leistungen des Basiskontos
Ein Basiskonto soll die Teilnahme am gesellschaftlichen, alltäglichen Leben ermöglichen, d.h. der Inhaber kann Überweisungen tätigen, Lastschriften erteilen und sich Geld wie z.B. Gehalt oder Sozialleistungen einzahlen lassen. Zu den Service-Leistungen des Basiskontos zählt auch die Möglichkeit, elektronisch mit der Bankkarte oder online zu bezahlen. Das Basiskonto bietet somit alle Funktionen, die ein klassisches Girokonto auch hat.
Transparenz und Grenzenlosigkeit
Mit dem neuen Gesetz wird auch die Lage derjenigen Menschen verbessert, die ihre Bank oder Konto wechseln wollen. Verbraucher sollen leichter die unterschiedlichen Angebote der Banken vergleichen und schrankenlos eine Kontoeröffnung vollziehen können. Dabei bleibt das nicht nur eine nationale Angelegenheit – künftig sollen auch Kontoeröffnungen über Ländergrenzen hinweg erleichtert und überhaupt möglich gemacht werden.
Auch werden die Banken mit dem neuen Gesetz aus Brüssel verpflichtet, anstatt nur die freiwillige Selbstverpflichtung einzugehen, die sich ein paar wenige Finanzinstitute in den 1990ern selbst auferlegt haben. Das neue Gesetz macht unmissverständlich klar, dass mindestens ein Kreditinstitut im Land Basiskonten anbieten muss.
Weiterhin sieht das neue Gesetz vor, dass Mitgliedsstaaten eine unabhängige Vergleichsmöglichkeit anbieten müssen, auf der Verbraucher sich einen Überblick verschaffen können. Auch ein einheitlicher Standard zur Aufschlüsselung von Gebühren, die in den zurückliegenden 12 Monaten angefallen sind, ist vorgesehen.
Vereinfachter Kontowechsel
Nicht nur der Vergleich, auch der Wechsel von Girokonten soll sich in Zukunft einfacher gestalten. Ein verpflichtender Service soll bei Banken eingeführt werden, um dem Verbraucher dabei zu helfen. Dazu gehören notwendige Schritte wie der Transfer von Guthaben und die Übernahme von Daueraufträgen. Die neue Bank hat dann maximal zwei Werktage Zeit, um den Wechselantrag zu bearbeiten.
Die aktuelle Lage
Theoretisch haben alle Staaten, die das Abkommen unterzeichnet haben, bis zum Herbst 2016 Zeit, Basiskonten als nationales Recht einzuführen. Deutschland ist freiwillig schnell und entgegenkommend, wenn hierzulande bereits ab Januar 2016 Basiskonten eröffnet werden können. Dies dürfte eine Erleichterung für knapp 670.000 Menschen in der Bundesrepublik und Millionen andere Europäer darstellen, die bisher ohne Konto leben mussten.
Wer bisher wegen negativer Schufa-Einträge kein Girokonto bekam, konnte sich im Internet an Anbieter wenden, die trotz negativer Bonität ein Konto eröffnen, sich das aber sehr gut bezahlen lassen. Häufig wird dort nicht nur einen monatlichen Grundpreis verlangt, sondern auch Einrichtungs- und Abhebegebühren.
Doch es drängen neue Mitbewerber auf den Markt, die auch ohne Bonitätsprüfung Girokonten eröffnen und dabei nicht die Kontoinhaber belasten, sondern von den Kreditkarten-Unternehmen vergütet werden oder durch andere Kooperationen kostendeckend arbeiten können. Guthabenkonten mit und ohne Kontogebühren eröffnen derzeit offiziell die Deutsche Bank, Postbank, Sparkasse, Fidor Bank, Number26 oder die Norisbank. Wöchentlich aktuelle Angebote dazu finden Sie zum Beispiel unter https://www.neukonto.de/guthabenkonto.