In ihrer Sitzung im Juli hat die Europäische Zentralbank die Leitzinsen unverändert auf dem aktuell vorherrschenden Rekordtief belassen. Ein Schritt, der aktuell keinen mehr so wirklich überrascht. Trotzdem hatte die EZB-Stellungnahme es in sich.

Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank

Die Zinspolitik der EZB macht aktuell nicht jeden froh. Während sich Kreditnehmer und Aktienanleger freuen, sieht es für Sparer auch in Zukunft eher düster aus.

Die Europäische Zentralbank hat verkündet, dass die aktuell niedrigen Leizinsen sich noch mindestens bis in die erste Hälfte des Jahres 2020 auf dem bisherigen Niveau „oder darunter“ bewegten werden. Auch wenn dies noch keine klare Aussage ist, rechnet man allgemein damit, dass die EZB die Strafzinsen für geparkte Einlagen der Banken weiter anziehen könnte. Doch was bedeutet das für Anleger und Kreditnehmer?

Strafzinsen für Banken: Was steckt dahinter?

Während die Geschäftsbanken sich aktuell neues Geld zum Nulltarif bei der EZB leihen können, müssen sie Strafzinsen für alle Einlagen bezahlen, die sie nicht durch Kreditvergabe oder andere Bankgeschäfte investieren. Die EZB fungiert hierbei quasi als Bank der Banken, bei der automatisch alles nicht verwendete Geld geparkt wird. Aktuell müssen Banken für entsprechend geparkte Einlagen einen Strafzins von 0,4% bezahlen.


Dies hat verschiedene Auswirkungen:

Banken wollen kaum Kundeneinlagen

Kundeneinlagen in Form von Guthaben auf Giro- oder Sparkonten sind für die Banken aktuell eher unattraktiv. Zum einen können Banken zum Nulltarif jederzeit an frisches EZB-Geld gelangen und zum anderen müssen sie auch noch für die Einlagen bezahlen, wenn sich nicht schnell eine Verwendung findet. Aus diesem Grund sind die Zinsen für Spareinlagen wie auf Tagesgeld- oder Festgeldkonten aktuell so niedrig. Es könnte bei weiterem Strafzinsen für Banken sogar dazu kommen, dass Sparer überhaupt keine Zinsen mehr für ihre Bankeinlagen bekommen oder gar selbst Strafzinsen zahlen müssten.

Banken vergeben tendenziell günstigere Kredite

Die Geschäftsbanken haben aktuell gleich drei Motivatoren dafür, möglichst günstige Darlehen zu vergeben:

  • Hohe Konkurrenz
  • Günstiges EZB-Geld sorgt für gute Margen auch bei niedrigen Zinsen
  • Strafzinsen erhöhen den Wunsch, Einlagen als Kredite zu vergeben

Sollte es dazu kommen, dass die Strafzinsen für Banken weiter erhöht werden, könnten sich diese Effekte verstärken. Nicht nur aus diesem Grund fordert der Chef des deutschen Bankenverbandes, Hans-Walter Peters, den Banken bei den Strafzinsen bestimmte Freibeträge einzuräumen. Die Chancen dafür sieht er jedoch selbst nur bei 50%. Es bleibt abzuwarten, ob die EZB Ende Oktober die Strafzinsen tatsächlich erhöhen wird. Dieses Datum ist deshalb brisant, weil es die letzte Sitzung unter dem scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi sein wird.

Was bedeutet dies für Kreditnehmer?

Kreditnehmer können sich bei weiter steigenden Strafzinsen tendenziell über noch günstigere Kreditzinsen freuen. In den letzten 5-8 Jahren sind die Zinsen für Ratenkredite bereits erheblich gesunken und der Markt ist zudem deutlich vielfältiger geworden. So gibt es beispielsweise immer mehr ganz neue Kreditmodelle:

  • Abrufkredite: Abrufkredite funktionieren grob wie Dispokredite, jedoch wird das Kreditkonto bei einer anderen Bank eingerichtet. Die Kreditlinie kann jederzeit nach Bedarf genutzt werden und die Rückzahlung ist bis auf einen gewissen monatlichen Mindestbetrag flexibel. Der größte Vorteil liegt jedoch darin, dass Abrufkredite (auch Rahmenkredite) zu deutlich günstigeren Zinskonditionen vergeben werden als der herkömmliche Dispokredit.
  • Minikredite: Minikredite oder auch Mikrokredite werden oft eher über Kleinbeträge vergeben und sind besonders schnell zu beantragen. Wer dabei besonders günstige Angebote nutzen möchte, sollte vorher Mikrokredite, z.B. auf Smava.de vergleichen. . Diese Kreditart eignet sich immer dann, wenn schnell eine kleine Überbrückung oder Geld für eine unvorhergesehene Anschaffung benötigt wird.
  • Spezielle Ökofinanzierungen: Auch die Finanzierung regenerativer Energien wie die Anbringung eines Solaranlage auf dem eigenen Dach wird mittlerweile mit unkomplizierten Darlehen von Online-Banken ermöglicht. Die Konditionen sind günstig und eine Besicherung per Grundschuld entfällt. Die Banken nutzen einfach die übliche Lohnabtretung und zudem eine Abtretung der Stromeinspeisevergütung (fest zugesagter Abnahmepreis für Stromeinspeisung durch die Solaranlage) als Sicherheit.
  • Unkomplizierte Unternehmensfinanzierungen: Auch Unternehmen kommen heute immer häufiger in den Genuss unkomplizierter Finanzierungsmodelle. Gerade Online-Anbieter stellen mittlerweile Betriebsmittelkredite aus, bei der für kleine Beträge eine Online-Prüfung der Geschäftskontoumsätze vollkommen ausreicht, um einen Kredit zu erhalten. Somit entfällt der große Wust an Unterlagen, der üblicherweise mit einer solchen Kreditvergabe verbunden ist.
  • Volldigitale Eilkredite: In Sachen Geschwindigkeit tut sich aufgrund des hohen Wettbewerbs und der neuen Möglichkeiten ebenfalls viel. So werden Eilkredite heute volldigital vergeben. Der Kreditnehmer kann also alle Antragsschritte (Kreditantrag, Identifizierung per Video-Ident-Verfahren, Bonitätsprüfung) online durchführen und den Kreditvertrag am Ende auch per qualifizierter Signatur unterzeichnen. Im besten Fall ist somit das Geld innerhalb von 1-2 Geschäftstagen auf dem Konto des potenziellen Kreditnehmers.

Diese Beispiele zeigen, dass der Kreditmarkt sich im Wandel befindet. Das Niedrigzins-Umfeld und die damit verbundene gestiegene Nachfrage haben sicherlich dazu beigetragen. Auf dem Kreditmarkt herrscht zudem schon seit langem ein großer Wettbewerb, weshalb Kreditnehmer künftig wohl zusätzlich auf bessere Konditionen hoffen können.

Sparer müssen umsatteln – Zinseinlagen lohnen sich nicht mehr

Es wirkt wie ein Mantra, aber Anleger in Deutschland können es nicht oft genug hören: Einfache Spareinlagen wie Tagesgeld oder Festgeld lohnen sich aufgrund der lächerlich niedrigen Zinsen kaum noch. Wer heute noch annehmbare Renditen erzielen möchte, sollte sich deshalb Gedanken um Alternativen machen. Ob nun ETFs, direkte Aktieninvestments oder der Einstieg in den Immobilienmarkt – diese Alternativen existieren. Vor einer Entscheidung ist in den meisten Fällen jedoch zumindest eine gewisse Basis-Vorbildung nötig, um am Ende das Risiko von Misserfolgen zumindest einzudämmen.

EZB könnte den Geldhahn noch weiter aufdrehen

Die Zeichen stehen also auch bei der EZB auf Sturm: EZB-Präsident Draghi scheint fest entschlossen zu sein, die Konjunktur in der Eurozone durch möglichst viel günstiges Geld am Leben zu halten. Während Kreditnehmer sich tendenziell über noch günstigere Angebote und noch schnellere Innovationen freuen können, sieht für sicherheitsorientierte Anleger eher düster aus. Ein Umstieg auf ETFs, Aktien oder auch andere Fondsprodukte könnte eine Alternative darstellen. Hier sollte jeder selbst prüfen, was letztlich am besten zum ihm passt.