Erst steigen die Preise, dann die Zinsen. Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat Auswirkungen auch auf den Immobilienmarkt und die Baufinanzierung. Oliver Adler von der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG beantwortet einige Fragen dazu.

Oliver Adler, Abteilungsleiter, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG

Oliver Adler ist Abteilungsleiter und Experte für Immobilien und Wohnungsbau bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG.

Vor kurzem hat die Europäische Zentralbank den Leitzins im Kampf gegen die Inflation um 0,5 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent erhöht. Weitere Erhöhungen werden folgen. Welche Auswirkungen hat das auf die Bauzinsen? Was bedeutet das für die Nachfrage nach Immobilien und Wohneigentum? Und werden Immobilien wieder bezahlbarer? Oliver Adler von der Bausparkasse Schwäbisch Hall gab uns Antworten auf Fragen zum Immobilienmarkt 2023. Er ist dort Immobilien-Experte und seit Jahrzehnten im Baufinanzierungsgeschäft tätig. Er und sein Expertenteam beobachten die Entwicklungen am Immobilienmarkt genau.

Preise für Immobilien können sinken

Der Bank Blog Ratgeber: Wie entwickeln sich die Immobilienpreise 2023?


Oliver Adler: Wir gehen – wie die meisten Experten – davon aus, dass sich 2023 für Immobilieninteressenten wieder bessere Kaufgelegenheiten ergeben, allerdings müssen Bauinteressierte dafür etwas mehr Zeit in Suche und Verhandlung investieren. Eine aktuelle Studie der DZ Bank prognostiziert, dass die Preise am Immobilienmarkt um 4 bis 6 Prozent sinken, andere Experten rechnen mit bis zu 10 Prozent. Tendenziell scheinen die Preisrückgänge bei Einfamilienhäusern geringer auszufallen als bei Mehrfamilienobjekten.

Dennoch gibt es insbesondere bei Gebrauchtimmobilien mit energetischem Nachholbedarf und im ländlichen Raum deutlich bessere Möglichkeiten über den Preis zu verhandeln und zu einem fairen Kaufabschluss zu kommen als in den vergangenen Jahren.

Nachfrage nach Immobilien bleibt hoch

Der Bank Blog Ratgeber: Sinkt denn die Nachfrage nach Immobilien und Wohneigentum im nächsten Jahr?

Oliver Adler: Die Nachfrage nach Wohnraum ist und bleibt hoch, ebenso der Wunsch nach Wohneigentum. Und das unabhängig vom aktuellen Marktgeschehen, wie alle aktuellen Befragungen zeigen. Derzeit müssen insbesondere Investoren von größeren Mietobjekten neu kalkulieren und warten eher ab.

Das bedeutet, dass wir insgesamt weiter steigende Mieten erleben werden. Was auch daran liegt, dass wir deutlich mehr Einwohner mit Wohnraum versorgen müssen. Heute leben in Deutschland rund 1 Million mehr Bürger in Deutschland als vor einem Jahr. Und es gilt der Grundsatz: Wohnen muss jeder.

Zinsen gehen weiter rauf

Der Bank Blog Ratgeber: Was passiert bei den Finanzierungskosten?

Oliver Adler: Wir haben auch bei Schwäbisch Hall keine Glaskugel. Aber unsere Fachleute gehen davon aus, dass die Zinsen sich möglicherweise übers Jahr 2023 hin betrachtet leicht nach oben bewegen werden. Aber als Entwarnung: eine Vervierfachung der Zinsen wird nicht mehr stattfinden. Wir werden allerdings mit Ausschlägen nach oben und unten rechnen müssen. Es wird also immer wieder Zeitfenster geben, um seine Zinskonditionen festschreiben zu können.

Für günstige Zinskonditionen gibt es eine wichtige Faustregel: Ausreichend Eigenkapital – mindestens 20 Prozent der Bausumme – sollte jeder Bauinteressierte mitbringen. Die Baunebenkosten sollten ebenfalls aus Eigenkapitalmitteln gedeckt werden können.

Übergangsphase am Immobilienmarkt

Der Bank Blog Ratgeber: Gerade zurzeit trauen sich nur noch sehr wenige eine Baufinanzierung abzuschließen, wie die eingebrochene Kreditanfrage zeigen. Wie passt die momentane Situation zu Ihrem optimistischen Ausblick?

Oliver Adler: Wir befinden uns am Immobilienmarkt derzeit in einer Übergangs- und Orientierungsphase. Die Menschen, die ihr Bauvorhaben nicht aufs erste Halbjahr 2022 vorgezogen haben, warten noch ab oder orientieren sich neu: sie schauen also nach kleineren Objekten oder Häusern in der weiteren Umgebung oder nach Gebrauchtimmobilien mit Sanierungsstau, um über einen geringeren Kaufpreis die gestiegenen Kapitalanforderungen und Finanzierungskosten abbilden zu können.

Die Rahmenbedingungen für 2023 sind unserer Schätzung nach aber deutlich stabiler und berechenbarer als im Ausnahmejahr 2022. Wer also seine Hausaufgaben beim Eigenkapital und bei der Traumhausplanung gemacht hat, sollte dieses Jahr die entstehende Preisdelle nutzen – und nicht zu lange warten.

Der Bank Blog Ratgeber: Vielen Dank.