Travel-Envy – Reise-Neid

Wie Dienstreisen über soziale Netzwerke Verwirrung stiften

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Corona-bedingt derzeit eher die Ausnahme, waren Dienstreisen zuvor gang und gäbe. Mitunter sogar nach Übersee. Erinnerungen daran kursieren in sozialen Netzwerken und können durchaus zu Fehlinterpretationen führen.

Skyline von New York

Die Skyline von New York.

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„Ach, was war das schön.“

Axel hatte sich voller Elan an seinen Computer im Homeoffice gesetzt und war prompt mit Bildern aus besseren Tagen konfrontiert. Facebook hatte ihn an eine Dienstreise erinnert, die er vor fünf Jahren gemacht hatte und deren Spuren noch immer in den Sozialen Medien zu finden waren.

Es zeigte ihn mit einer Kollegin fröhlich in die Kamera lachend und mit einem Glas Sekt in der Hand.

Soweit, so gut.

New York, New York

Weniger gut war allerdings, dass im Hintergrund des Fotos die Skyline von New York gut zu erkennen war. Axel erinnerte sich, dass seine Begleiterin und er damals im 40. Stockwerk einer Bank bei einem Get-together mit Brancheninsidern Gedanken zur Entwicklung des Correspondent Banking austauschten.

Und ein Gläschen Sekt tranken.

Eine schöne Erinnerung – möchte man meinen.

Wie es das inkriminierende Bild in die Sozialen Medien geschafft hatte? Axel konnte es nicht mehr sagen. Er wusste nur, dass nach seiner Rückkehr aus den USA in der Bank die Hölle los war.

Sein Vorgesetzter rief ihn zu sich und zeigte sich erschüttert über Axels Alkoholismus und seinen losen Lebenswandel.

Während Axel wie aus allen Wolken fiel, legte der ihm Vorgesetzte noch weiter nach.

Amouröse Abenteuer?

„Amouröse Abenteuer sollte man doch bitte privat bezahlen und dafür nicht auf Bankkosten über den großen Teich fliegen.“

Er zeigte mit vor Wut zitterndem Finger auf eine Menge Kopien des Fotos, die in unterschiedlichen Größen – sozusagen zur Beweisführung – vor ihnen auf dem Tisch lagen.

„Tolle Auflösung!“, meinte Axel anerkennend.

„Das tut hier nichts zur Sache!“, quiekte der Mann, dem Axels Abteilung unterstand, in einer befremdlich hohen Stimmlage. „Seit das Foto auf Facebook kursiert, ist hier die Hölle los. Es gab schon ein oder zwei Anrufe mit recht unschönen Anwürfen. Alkoholmissbrauch und unangebrachtes Verhalten und so …!“

Axel war perplex. „So ganz verstehe ich die Aufregung nun nicht. Es war ein Empfang für die Teilnehmer einer Bankenmesse und die Kollegin und ich hatten gerade mal ein Glas Sekt.“

„Das ist ja das Schlimme. Dass Sie sich beim Trinken fotografieren lassen, noch dazu in einer ziemlich eindeutigen Pose. Geben Sie zu, dass Sie auf diese Dienstreise Ihre Freundin mitgenommen haben.“

Trotz der heftigen Anwürfe blieb Axel cool und versuchte zu erklären: „Sorry, aber das ist ein Missverständnis. Die Dame ist nicht nur NICHT meine Freundin, sie ist auch glücklich verheiratet!“

Die Finger des Vorgesetzten zitterten vor Wut, als sie auf eine ziemlich große Kopie des Fotos mit einer fröhlichen Frau und einem zufrieden lächelnden Alex deuteten.

„Dann sind Sie auch noch ein Ehebrecher? Ich kann ja die Begierde in Ihren Augen direkt sehen!“, pfauchte der Mann und setzte noch ein „Pfui Deibel“ nach.

„Sie ist verheiratet – mit einer Frau. Ich falle wohl nicht in ihr Beuteschema.“, erklärte Axel nun etwas gereizt. „Und ja, wir waren dort zu einem Sektempfang geladen. Allerdings nach getaner Arbeit – also in unserer Freizeit. Sonst noch Fragen?“

Genehmigung von Dienstreisen

„Das ist alles eine Frage der Optik! Wer hat eigentlich diese Luxusreise in die USA genehmigt?“

„Das waren Sie!“, erklärte Axel recht sachlich seinem Line-Manager, der – wie Axel aus sicherer Quelle wusste – erst vor kurzem versehentlich die Bordellrechnung in der Dienstreise-Abrechnung eines seiner Mitarbeiter abgezeichnet hatte.

Womit die Sache für den Moment wohl auch erledigt war.

Andererseits war Axel auch ziemlich erleichtert, dass es das Video mit seiner tatsächlichen Freundin aus der New Yorker Karaoke-Bar nicht ins Netz geschaffte hatte. Als sie in feuchtfröhlicher Runde zu vorgerückter Stunde voller Inbrunst „Living next door to Alice“ gesungen hatten.

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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