Der Kunde entscheidet

Retail Banking 2022: Jenseits von Corona

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Die Herausforderungen des Retail Bankings sind vielfältig und hinlänglich bekannt. Lassen Sie uns für das neue Jahr stattdessen auf die Chancen blicken, die wir ausgemacht haben, und auf die disruptive Energie, die die Corona-Pandemie freigesetzt hat.

Ausblick Retail Banking im Jahr 2022

Retail Banking im Jahr 2022.

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Regulierung, Wettbewerbsdruck, verändertes Kundenverhalten, Handling der Corona-Krise – das sind die üblichen Buzzwords, wenn es um die Zukunft der Branche geht. Lassen Sie uns stattdessen auf die Chancen blicken, die wir in der Targobank ausgemacht haben, und auf die disruptive Energie, die die Pandemie freigesetzt hat.

Die Kundschaft entscheidet über den Kanal

Auch wenn der Begriff in die Jahre gekommen ist: Omnikanal-Banking als Anspruch und Kernaufgabe jedes Finanzdienstleisters ist in der gegenwärtigen Situation aktueller denn je. Egal, um welchen Service und welches Produkt es geht: Kundinnen und Kunden entscheiden selbst über die Kanäle, die sie nutzen. Dabei ist das Kundenverhalten nicht selten hybrid: Informationen werden per Vergleichsportal eingeholt, der Antrag auf einen Produktabschluss erfolgt online, Fragen werden per Telefon oder Chat geklärt, der Vertragsabschluss schließlich erfolgt in der Filiale vor Ort. Kanäle separat zu managen und die Kundschaft nach Kontaktwegen zu clustern, wird dieser Tatsache schon lange nicht mehr gerecht. Der Fokus muss deshalb darauf liegen, die Kanäle durchlässig für den Kunden zu machen und Prozesse konsequent aus Kundensicht zu betrachten und zu denken. Worauf es zudem ankommt, ist die Verfügbarkeit von allen relevanten Informationen zu den jeweiligen Kundenbeziehungen an sämtlichen Kontaktpunkten. Das erfordert ein internes Management-Set-up losgelöst von Kanal-Dogmen.

Digital bedeutet nicht zwingend unpersönlich

Um den Omnikanal-Gedanken umzusetzen, sind alle Bankprozesse konsequent daran auszurichten. So ist etwa ein hohes Maß an Automatisierung und Digitalisierung im Backoffice nötig. Prozesse und Kanäle müssen von der systemischen Ersterfassung bis zur Endverarbeitung vernetzt sein, um die Durchlässigkeit der Kanäle für die Kundschaft zu gewährleisten. Künstliche Intelligenz und Chatbots sind dabei hilfreiche Tools, um eine schnelle und über alle Kontaktwege hinweg einheitliche Reaktion auf Kundenanfragen zu gewährleisten. Wichtig dabei: Der hohe Industrialisierungsgrad im Hintergrund muss mit einer persönlichen und individuellen Komponente im direkten Kundenkontakt kombiniert werden – in Zeiten von Kontaktbeschränkungen ein unerlässlicher Faktor. Das entsprechende technische Setup muss dabei unterstützen. Um ein ganz einfaches Beispiel zu nennen: Bei Anfragen im Kundenservice sollte ein Kunde immer wieder zum selben Mitarbeiter geroutet werden – wenigstens aber zu einem Mitarbeiter, der mit dem konkreten Kunden-Anliegen vertraut ist. Dies trägt zu einer stärkeren Kundenbindung bei und beschleunigt zudem die internen Durchlaufzeiten.

Agilität bringt die PS auf die Straße

Die konsequente Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse und die ständige Anpassung von internen Prozessen erfordern eine entsprechende Organisation – wenn man kundenzentriert handeln möchte. Hier sind neue Arbeitsformen, flache Hierarchien und agile Arbeitsmethoden unerlässlich. Sie fördern schnelle Entscheidungswege und bringen dadurch Projekte rasch in die Umsetzung. Und schnelles Time-to-Market von neuen Produkten und Services sorgt für ein besseres Kundenerlebnis. Dies hat auch Auswirkungen auf die von den Mitarbeitenden geforderten Skills: Gefragt ist ein hohes Maß an Selbstorganisation und Eigenverantwortung auf allen Mitarbeiterebenen. Unerlässlich ist auch ein breites Wissen, das über den eigenen Fachbereich hinausgeht und das Erkennen von Zusammenhängen ermöglicht. Aus Arbeitgebersicht ist ein Jobrotations-Konzept gerade in agilen Setups ein wichtiger Erfolgsfaktor. Entscheidend ist zudem die Einstellung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – das Mindset. Denn Agilität ändert nachhaltig die bisherigen Automatismen in der Unternehmens- und Führungskultur.

Stationäre Beratung muss mehrwertig bleiben

Die Corona-Krise hat physische Kontakte lange Zeit eingeschränkt und dementsprechend das stationäre Geschäft erschwert. Dennoch – die Gleichung ist so einfach wie zeitlos: Wenn sich der Aufwand für einen Filialbesuch lohnt, wird die Filiale nicht an Bedeutung verlieren. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass jede Filiale Mehrwerte gegenüber der reinen Remote-Beratung bieten muss. Letztere ist vor allem für einfache Anliegen ein häufig gewählter Kontaktweg. Die Filialberatung muss deshalb mehr beinhalten als den stationären Vertragsabschluss und auch mehr als die Lösung komplexerer Anliegen. Es kommt vielmehr darauf an, Kundinnen und Kunden vorausschauend Möglichkeiten und Vorteile aufzuzeigen und als Finanzexperten bei der Umsetzung individueller Wünsche persönlich zur Seite zu stehen. Wichtig ist, dass auch bankintern die Remote-Kanäle und die persönliche Beratung als sich gegenseitig ergänzende und stärkende Kontaktwege gesehen werden. Das Zusammenspiel dieser Kanäle muss stimmen – schließlich sind Kunden immer Kunden der Bank, nicht eines Kanals.

Den Platz in der Gesellschaft wahrnehmen statt suchen

Das Zusammenspiel der Kanäle zu beherrschen, Mehrwerte zu bieten – all das sind absolute Basics, die Finanzdienstleister beherrschen müssen, um bei Kunden und Mitarbeitern in die engere Auswahl zu kommen. Daneben ist von zunehmender Bedeutung, durch eine klare Haltung und die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung zu überzeugen. Häufig gehen die Bemühungen, diesen Anspruch zu erfüllen, über das Ziel hinaus: Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Unternehmen etwas Gutes tut. Dass es richtig ist, etwas für Umwelt, Klima und Diversity beizutragen, steht außer Frage. Ebenso wichtig ist es aber, diese Dinge sinnhaft, glaubwürdig und konsequent zu tun. Ein zeitgemäßes Unternehmen spiegelt sich in der Vielfalt der Kulturen und nicht in der Anzahl der verwendeten Gender-Sternchen wider. Es kommt auf Authentizität an.

Bei allen Bemühungen, das öffentliche Profil einer Bank zu stärken, muss als allererstes die Basis stimmen: Vertrauen ist und bleibt die kostbarste und gleichzeitig sensibelste Währung einer Bank. Sicherheit, finanzielle Stabilität und der verantwortungsvolle Umgang mit Daten sind dementsprechend grundlegende Hygienefaktoren.

Fazit: Krise als Chance nutzen

Wir können und sollten die Krise auch als Chance verstehen, um Dogmen aufzulösen und die disruptive Energie zu nutzen: Wir sehen heute einmal mehr, dass Omnikanal-Banking eine Existenzgrundlage für eine Bank ist. Dafür braucht es ein hohes Maß an Automatisierung und Digitalisierung, die den Kunden als Individuum in den Mittelpunkt stellt. Eine starke Kundenzentrierung verlangt neue Arbeitsmethoden, um Vorhaben rasch in die Umsetzung zu bringen. Die Filiale ist nicht tot, wenn sie beim Kundenerlebnis für echten Mehrwert sorgt. Und nicht zuletzt: Kunden und Mitarbeiter verlangen heute mehr von einer Bank als gute Konditionen.


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Über den Autor

Christophe Jéhan

Christophe Jéhan ist Vorstand Privatkunden der TARGOBANK und stellvertretender CEO. In dieser Funktion ist er zudem verantwortlich für das Thema Transformation. Zuvor war er als strategischer Berater für die Geschäftsleitung in der Muttergesellschaft, Crédit Mutuel Alliance Fédérale, tätig. Davor hatte er verschiedene Funktionen in der BNP Paribas Gruppe inne.

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