Retail Banking zwischen Wachstum und Neuausrichtung

Niedrigzinsen verlangen neue Geschäftsmodelle und Produkte

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In einer Welt dauerhaft niedriger Zinsen funktionieren klassische Geschäftsmodelle der Banken nicht mehr richtig. Eine Studie zeigt, wie sich Institute mit neuer Aufstellung und neuen Produkten positionieren können.

Aktuelle Trends, Studien und Research über Retail Banking

Das klassische Retail Banking, also das Geschäft mit der Mehrzahl der privaten Kunden, befindet sich in einem tiefgreifenden Prozess der Veränderung. Verändertes Kundenverhalten, intensiver Wettbewerb, die Digitalisierung und andere Faktoren führen zu einer stetigen Verengung der Margen und stellen Banken und Sparkassen zunehmend vor neue Herausforderungen. Studien zu den neuesten Trends und Entwicklungen und wie darauf reagiert werden kann finden Sie im Bank Blog.

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Mit zunehmender Digitalisierung werden die meisten Teile des Bankgewerbes zu Commodities. Damit sinkt auch das Margenpotential der klassischen Bankprodukte. Die Digitalisierung senkt Transaktionskosten und ermöglicht andere, digitale Vertriebs- und Abwicklungsformen. Hinzu kommt der Zinseffekt. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank wird uns noch einige Jahre begleiten. Zudem führt die Corona-Krise zu neuen Schuldenbergen. Echte Ausstiegsszenarien sind für beides nicht erkennbar und gerade erst hat die EZB das Inflationsziel nach oben korrigiert, um die Verlängerung ihrer Politik zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Moonroc Hintergründe, Beispiele und vermittelt Handlungsperspektiven für das Retail Banking.

Banken kämpfen mit neuen Marktbedingungen

Die Überflutung der Märkte mit billigem Geld führt in einigen Bereichen zu Wachstum, so beim Wertpapiergeschäft, bei Immobilien, bei den Rohstoffpreisen und Kryptowährungen. Die meisten etablierten Bankmodelle funktionieren allerdings in dieser neuen Welt nicht mehr richtig. So sind die Zinserträge der deutschen Banken von 303 Mrd. EUR im Jahr 2011 auf 162,8 Mrd. EUR in 2019 zurückgegangen.

Zeitgleich gibt es im Euroraum weiterhin ca. 4.400 Banken. Dies erscheint viel zu viel für ein Geschäft, welches aufgrund der Digitalisierung hohe Investitionen benötigt und zeitgleich aufgrund des Niedrigzinses immer geringere Erträge und Margen ermöglicht. Eine Konsolidierungswelle ist nach Ansicht der Autoren unausweichlich.

Viele Banken würden unter einer Zwangsjacke aus Verfahrensvorschriften, Prozessen, Freigaberegeln und Entscheidungs- oder Nicht-Entscheidungsgremien leiden. Viele Mitarbeiter seien in den Wirrungen der internen Bürokratie und Prozesse gefangen. Eine Weiterentwicklung des Banking Richtung Zukunft, schnelle Antworten auf neue Möglichkeiten und neue Chancen im Markt erscheine in den bestehenden Strukturen kaum vorstellbar. Die eigene operative Komplexität bremse die Neuausrichtung. Dabei würden für einfache Bankgeschäfte moderne, einfache Produkte mit einfachen Prozessen zu sehr überschaubaren Kosten ausreichen.

Retail Banking ohne Filialen?

Retail Banking scheint auch ohne Filialen zu funktionieren. Zumindest hat sich dies bei vielen Instituten während der Corona-Krise gezeigt. Kunden sind in andere Kanäle ausgewichen. Noch ist allerdings unklar, wie nachhaltig das neue Kundenverhalten sein wird.

Doch die Bankfiliale muss nicht zwangsläufig zum Relikt der Vergangenheit werden. Einige Bankprodukte, wie Baufinanzierungen, Vorsorge- und Investmentprodukte, werden weiter eher über den persönlichen Kontakt erworben. Ein hybrider Ansatz sei notwendig, der digitale und physische Touchpoints verbindet.

BigTechs greifen die Banken an

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung werden Rolle und Funktion von BigTechs immer wichtiger. Sie besetzen vor allem neue Kundenschnittstellen wie Marktplätze und Suchmaschinen im Internet, aber auch darüber hinaus viele Medienformate. Seit geraumer Zeit haben die großen Plattformunternehmen Google, Apple, Facebook oder Amazon auch das Geschäft mit Finanzdienstleistungen für sich entdeckt. Apple bietet erste Services wie ApplePay oder die Apple Card. Amazon und PayPal bieten Kredite für KMUs, Facebook experimentiert mit Zahlungen und Bankgeschäften über WhatsApp und Google arbeitet unter dem Codenamen „Cache“ an einem transaktionalen Konto.

Allerdings beginnen die BigTechs gerade erst, ihre enorme Kundenreichweite wirklich zu nutzen. Eine echte Monetarisierung der Kundenbasis steht noch bevor. Nach dem Vorbild von Supermärkten und Automobilherstellern werden sie Finanzdienstleistungen nutzen, um die eigenen Geschäfte zu unterstützen, das eigenen Ökosystem zu stärken und nicht zuletzt einen Teil der Margen zu vereinnahmen.

Dabei schaffen es neue Anbieter, Kunden Schritt für Schritt für sich zu begeistern. Der bisherige Vertrauensvorschuss der etablierten Institute scheint sich von Jahr zu Jahr zu verringern. Neobanken, FinTechs und BigTechs gewinnen in einigen Bereichen signifikante Marktanteile und beeinflussen neue Branchentrends im Bankwesen. Klassischen Bankenscheint die die Geschwindigkeit, Innovationskraft und Investitionsbereitschaft zu fehlen, um mitzuhalten.

Erfolgsstrategien im Retail Banking

Die Studie zeigt Beispiele für strategische Positionierungen, mit denen einige Institute derzeit erfolgreich am Markt agieren.

Umstrukturierung von Finanzanlagen

Das Kernprinzip dieser Strategie liege darin, die Assets der Bankbilanzen zu restrukturieren und stellenweise über eine Adaption der Portfoliomischung und Risikobewertungen weitere Potentiale zu heben. Private Equity Investoren formen hier durch gezielte Akquisitionen neue Banken, die über eine Restrukturierung der Assets und eine entsprechend gelagerte Gesamtstrategie profitables Wachstum in einem scheinbar gesättigten Markt erzeugen.

Getragen wird dieser Ansatz von der Nullzinspolitik der Zentralbank. Deutsche Marktteilnehmer sind bislang noch nicht auf den Asset-Restructuring-Zug aufgesprungen. Sie orientieren sich überwiegend an dem Credo Risiken weitestgehend zu vermeiden. Andere Akteure sehen in Risiken auch deutliche Chancen. Jedes Risiko hat demnach seinen Preis (NPLs). Von diesem Punkt an gilt es, aktiv mit dem Portfolio und den Risiken zu arbeiten, um in der Gesamtbilanz wieder wachsen zu können.

Technologiegetriebenes Banking und Embedded Finance

Bei dieser Strategie positionieren sich Marktteilnehmer als technologieorientierte Angreifer im Bankenmarkt. Während viele etablierte Bankhäuser mit Legacy Problemen zu kämpfen haben und mit dem Abbau von organisational/technical Debt beschäftigt sind, profitieren die Angreifer von einer neuen und gut skalierbaren technologischen Infrastruktur. Findet man einen Angriffspunkt über ein attraktives Produkt im Markt, gelingt oft eine dynamische Wachstumsentwicklung. Meist ist der niedrigere Preispunkt ein entscheidendes Kriterium. Werden parallel die Funktionalitäten der neuen Produkte iterativ ausgeweitet, um weitere Kundenmehrwerte zu schaffen, entsteht ein tragfähiges Konzept. Die Kombination aus „fast kostenlos“ und „gesteigerter neuer Funktionalität“ zieht im großen Stil neue Kundensegmente an. Beispiele sind Neobroker, Raisin, Nubank, Revolut, Kryptobroker und -börsen, Robo Advisor und Vergleicher.

Ein anderer Ansatz der Tech-Banking-Strategie besteht in der Kontextualisierung der Banking-Dienstleistung in einen anderen Leistungszusammenhang (embedded finance). Klarna integriert beispielsweise das Thema Kredit- bzw. Factoring-Lösungen nahtlos im Online-Shopping und seit 2019 über ihre Kreditkarte auch am PoS und in Apple Pay. Auch BigTechs würden zukünftig einen ähnlichen Ansatz wählen und zunehmend ihre Banking-Angebote auf ihren eigenen Plattformen integrieren.

Abgrenzung durch Monopol-Banking

Bei diesem Ansatz gelinge es Marktteilnehmern, ihr Kundensegment durch den Aufbau bestimmter Schutzmechanismen gegenüber Wettbewerbern abzuschirmen. Je nach Positionierung des Bankhauses ist die Abgrenzung des Marktsegments mehr oder weniger stark ausgeprägt.

Ein Beispiel sind die Sparkassen, die seit jeher als öffentlich-rechtliche Institute sehr stark in ihrem Regionalgebiet verwurzelt sind. Diese Verwurzelung erzeugt eine geografische Spezialisierung, durch die es einigen Sparkassen gelingt, die für ihr spezielles Marktgebiet richtigen Angebote zu unterbreiten.

Andere Institute, wie die BBBank oder apoBank fokussieren sich auf ein besonderes Kundensegment mit speziellen Produkt- und Service-Bedürfnissen. Deutlich sichtbar wird das Potential eines solchen Ansatzes auch im Bereich Automobilbanking. Hier speziell im Captive Finance Segment. Das Ergebnis vor Steuern der VW Financial Services lag mit 1,26 Mrd. EUR im Geschäftsjahr 2019 nahezu gleichauf mit der ING Deutschland (1,35 Mrd. EUR). Ein gut abgrenzbares Kundensegment, das man im Idealfall fast für sich alleine bearbeiten kann, zeichnet Monopol-Banking aus.

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Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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