Galten Kundenprofil-Informationen bislang vor allem für das Marketing als schier unerschöpfliche Quelle, so kommt jetzt eine neue Dimension hinzu: Die Nutzung für die Risikoprüfung und -bewertung. Wie das Wall Street Journal berichtete, nutzen US-amerikanische Lebensversicherer öffentlich zugängliche Daten, u.a. um damit die Lebenserwartung ihrer Kunden und Antragsteller besser kalkulieren zu können. Ganz neue Perspektiven eröffnet dabei das Web 2.0.
Bislang dominieren bei Lebensversicherungen statistische Sterbetafeln sowie oersönliche gesundheitliche Angaben und Untersuchungen, um die durchschnittliche Lebenserwartung des Antragstellers zu ermitteln und daraus Prämien und Versicherungsrisiko zu errechnen. Nun testen amerikanische Versicherungen, wie sich zusätzliche öffentlich zugängliche Daten nutzen lassen, um daraus Schlussfolgerungen auf den Lebensstil des Kunden ziehen zu können, die gesundheitliche Auswirkungen haben könnten. Ziel ist es, die herkömmlichen Datenmodelle zunächst zu ergänzen, um sie dann nach und nach zu ersetzen.
Die Vielfalt der dazu verwendeten Daten ist beeindruckend. Genutzt werden u.a.
- Online-Shopping-Details,
- Kreditkartenabrechnungen,
- Informationen über Katalogbestellungen,
- Zeitungs- und Zeitschriften-Abonnements,
- Freizeit- und Sportaktivitäten.
Die Grundüberlegung ist dabei, dass ein bestimmtes persönliches Verhalten auch bestimmte persönliche Risiken mit sich bringen kann und sich diese berechnen lassen, wie das folgende Beispiel der Firma Deloitte Consulting zeigt:
Eine neue Dimension erhalten diese Auswertungen durch das Hinzuziehen von Informationen aus sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter.
Sie Arbeit des Sammelns und Auswertens der Informationen werden den Versicherern von speziellen Dienstleistern abgenommen. Unklar ist dabei, inwieweit diese Informationsquellen ausschlaggebend oder nur ergänzend für die Annahme oder Ablehnung eines Antrags sind und ob eine Zustimmung der Kunden zur Verwendung erforderlich ist. In den USA müssen Verbraucher über die Gründe einer Ablehnung informiert werden und die Möglichkeit erhalten, dagegen vorzugehen. Das Thema „Datenschutz“ wird also durchaus auch in den USA diskutiert, wenn auch nicht mit der gleichen Vehemenz wie bei uns.
Die Motivation der Versicherer ist klar: Zum einen muss es ihr Ziel sein, die Geschäftsrisiken so präzise wie möglich zu berechnen, zum anderen sollte dies möglichst kosteneffizient geschehen. Dass Datenauswertungen mittels Computer billiger zu haben sind als individuelle ärztliche Untersuchungen erscheint einleuchtend.
In Deutschland machen die Banken und andere ja schon lange Gebrauch davon, verschiedenste Informationen auszuwerten und z.B. für Kreditentscheidungen zu nutzen. U.a. ist die Schufa als einer der größten Dienstleister in diesem Geschäftsfeld aktiv. Zudem verwenden die Banken eigene interne Scoring-Modelle, die auch zusätzliche Informationen (z.B. über die Wohnsituation) berücksichtigen.
Es sollte mich nicht wundern, wenn es auch hierzulande schon längst Projekte gäbe, wie öffentlich zugängliche Daten aus sozialen Netzwerken die Qualität der gesammelten Informationen und damit die Entscheidungsgrundlagen verbessern könnten. Ob dies zum Wohl des Verbauchers geschieht, hängt nicht zuletzt vom individuellen Umgang mit diesen Informationen ab. Für die Finanzdienstleister eröffnen sich auf jeden Fall neue und sicherlich zielführende Wege für ein verbessertes Risikomanagement.