Grundlegende Weichenstellung in einer neuen Dekade

Herausforderungen für das Risikomanagement der Banken im Jahr 2021

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Europa steht vor einer richtungsweisenden Dekade, die unsere wirtschaftliche Relevanz für viele Jahre festlegen wird. Banken spielen bei der bevorstehenden Transformation eine wichtige Rolle. Dies stellt auch das Risikomanagement vor neue Herausforderungen.

Das Jahr 2021 im Banking steht unter Corona-Vorbehalt

Auch im Jahr 2021 werden Banken und Sparkassen vom Corona-Virus „begleitet“ werden.

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Die Aufgaben für das nächste Jahrzehnt sind zahlreich. Wir müssen unseren ökologischen Fußabdruck deutlich reduzieren und uns für die wachsende (Hightech)-Dominanz Chinas rüsten. Gleichzeitig stecken wir mitten in einer Pandemiekrise. Wie Europa und insbesondere Deutschland aus der aktuellen Krise herauskommt, wird definieren, welche Rolle wir in der Weltwirtschaft am Ende dieser Dekade spielen werden. 2021 müssen dafür grundlegende Weichen gestellt werden:

Blick auf die Herausforderungen nach Corona lenken

Auch wenn wir es uns heute aufgrund der akuten Einschränkungen und der medialen Dominanz nicht vorstellen können, die Corona-Pandemie wird unser kulturelles und gesellschaftliches Leben in diesem Jahr vermutlich weniger stark beeinflussen. Die Zulassung eines ersten Impfstoffes gibt Hoffnung auf eine Rückkehr zu mehr „Normalität“. Selbst wenn es vereinzelt Prozessrisiken bei der Durchführung geben wird oder Rückschläge durch Mutationen des Virus wie zuletzt in Großbritannien wieder zu Lockdowns führen können: Die Fortschritte der Medizin und die Erfahrungen bei der Pandemiebekämpfung sind inzwischen glücklicherweise sehr erfolgversprechend.

Risikomanager werden die Folgen der Pandemie jedoch noch etwas länger zu spüren bekommen. Es wird bis weit in das Jahr dauern, bis Unternehmen ihre 20er Bilanzen ausgewertet haben. Wir gehen aktuell davon aus, dass wir 2021 etwa 4-mal so viele Insolvenzen wie im Vorjahr sehen werden. Was zum einen an der vergleichsweisen sehr geringen Vorjahreszahl liegt – aufgrund der Aussetzung des Insolvenzrechts, Moratorien sowie der massiven staatlichen Hilfsprogramme. Zum anderen war die Disruption und die Geschwindigkeit der Veränderung in den vergangenen Monaten teils so radikal, dass einige Geschäftsmodelle grundlegend in Frage gestellt werden müssen.

Darüber hinaus sollten die Folgen der Krise nicht die Sicht auf die grundlegenden Umwälzungen verdecken, die bereits vor der Pandemie schon drängend waren und die Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten grundlegend prägen werden.

Klimaschutz, Digitalisierung und Forschung bieten großes Potential

Die Corona-Pandemie hat einen beispiellosen Schub für die Digitalisierung ausgelöst. Unternehmen und Kunden haben quasi über Nacht deutlich verstärkt digitale Angebote entwickelt bzw. genutzt. So haben Menschen ihr Zahlungsverhalten von Bargeld auf kontaktlos umgestellt und zahlen selbst Kleinstbeträge inzwischen mit dem Smartphone. Auch „Remote Working“ ist nicht nur adaptiert, sondern auch akzeptiert. Diese und andere technologischen Errungenschaften werden nicht nur bleiben, sie werden weiter vorangetrieben und digital aufgerüstet werden.

Unser Ziel in Europa sollte sein, souverän und eigenständig im digitalen Raum zu agieren und mit unseren Werten die Standards z.B. in Fragen des Datenschutzes zu prägen. Die einseitige Abhängigkeit von großen Digitalplattformen und Technologieimporten macht uns verwundbar. Dafür brauchen wir dringend eine deutsche und europäische Antwort und müssen Projekte wie die European Cloud User Coalition, mit der wir die großen Cloudanbieter auf europäische Standards verpflichten wollen, oder GAIA-X weiter vorantreiben.

Gleichzeit müssen wir innerhalb der EU ambitionierte Ziele im Klimaschutz erfüllen. Die EU-Kommission plant, die Zielvorgabe für die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 auf mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 anzuheben. Klimaschutz und Digitalisierung gehen Hand in Hand. Hierfür sind hohe Investitionen und Innovationen notwendig. Doch es ist auch eine große Chance für Deutschland: Die Erfahrungen der Pandemie sollten uns darin bestärken. Die Krise hat gezeigt, was alles in sehr kurzer Zeit möglich ist. In weniger als zwölf Monaten können ganz neue Impfstoffe entwickelt werden. Und Deutschland hat sich hier an die Spitze der Forschung gesetzt. Gleichzeitig hat uns die Forschung um Covid-19 auch gezeigt, welche unglaubliche Durchschlagskraft und Geschwindigkeit wir zur Lösung weltweiter Probleme erreichen können, wenn wir weltweit nach wissenschaftlichen Prinzipien zusammenarbeiten. Das zeigt: Forschung und Entwicklung sind essenziell für unsere weltweite Relevanz.

Unsere wirtschaftliche Stärke beruht maßgeblich auf der Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie und vor allem ihrer Innovationsfähigkeit.

IPO oder NPL? Zombifizierung der Wirtschaft verhindern!

Für Unternehmen bedeutet das, dass sie nicht nur die kurzfristigen Folgen der Krise bewältigen, sondern gleichzeitig investieren und ihre Geschäftsmodelle grundlegend transformieren müssen. Banken kommt hier eine entscheidende Rolle zu.

Je nach Branche und Unternehmen wird es sehr unterschiedliche Entwicklungspfade geben: Während die Luftfahrt und der Tourismus sicher eine längere Zeit benötigen, um das Vorkrisenniveau zu erreichen, werden Bereiche wie Technologie, Gesundheit, Online-Handel oder digitale Services mit viel Rückenwind vorankommen.

Drei Kategorien von Unternehmen

Die Unternehmen kann man grob in die folgenden drei Kategorien einteilen:

1. Konsequent zukunftsorientierte Unternehmen

Diejenigen Unternehmen, die sehr schnell und konsequent Kosten senken und gleichzeitig in Wachstum und Transformation investieren. Sie, werden am besten aus der Krise herauskommen. Denn sie werden in der Lage sein, staatliche Hilfe zurückzahlen und gleichzeitig in Forschung zu investieren. Daher sollte die Bundesregierung alles daransetzen, diesen Firmen maximale Anreize zu bieten, so schnell und umfassend wie möglich in Forschung zu investieren. Dabei können – für Unternehmen die erfolgreich arbeiten und Steuern bezahlen – steuerliche Anreize ein Weg sein.

2. Unternehmen mit unzureichender Finanzkraft

Unternehmen, die die Rückführung von Staatshilfe und Investitionen in die Transformation nicht gleichzeitig managen können. Eine Aufnahme von zusätzlichen Krediten – auch wenn von der KfW verbürgt – können sich viele nicht leisten oder sie werden zumindest in Ihren Investitionen eingeschränkt. Um die Zukunftsfähigkeit von anpassungsfähigen Unternehmen zu sichern und langfristig Insolvenzen zu vermeiden, braucht es neue Konzepte. Eine potenzielle Lösung wäre eine Art Joint Venture zwischen Unternehmen und Bund, in dem die Unternehmen die F&E-Kapazitäten einbringen und ein potenzieller Fonds das zur Finanzierung nötige Geld. Durch die Beteiligung an neuen Konzepten wie Public-Private-Partnerships können neue Freiräume für Investitionen geschaffen werden. Durch diese Art der Finanzierung werden Banken zum Treiber von Investitionen. (und damit zum Treiber von Fortschritt)

3. Unternehmen ohne zukunftsfähiges Geschäftsmodell

Ein geordneter Übergang ist jedoch für diejenigen Unternehmen nötig, die aktuell zwar über einen ausreichenden Cashflow verfügen, aber deren Geschäftsmodell dennoch nicht zukunftsfähig ist. In spezifischen Marktnischen, wie beispielsweise bei Herstellern von spezifischen Komponenten für Dieselmotoren, ist eine Transformation des Geschäfts schwer möglich. Um eine Zombifizierung zu verhindern, dürfen überholte Technologien nicht zwanghaft am Leben erhalten werden, wie es beispielsweise bei der Steinkohle Jahrzehnte gemacht wurde. Auf der anderen Seite stehen hier Arbeitsplätze auf dem Spiel und viele Technologien und Produkte lassen sich auch nicht über Nacht substituieren. Ein geordneter Rundown – vielleicht durch die Bündelung vieler solcher Unternehmen bietet sich an. Hier bietet sich möglicherweise eine Art Treuhand-Konzept an.

Banken begleiten die Transformation

Banken spielen bei der Transformation eine entscheidende Rolle. Allerdings lässt sich diese nicht ausschließlich über Kredit finanzieren. Europa muss die Kapitalmarktunion weiterentwickeln. Nicht nur große Konzerne, sondern auch der Mittelstand muss ein leichterer Zugang zum Kapitalmarkt ermöglicht werden. Dabei ist es potenziellen Investoren nicht zuzumuten sich mit mehr als 27 verschiedenen Wertpapierhandelsgesetzen und Insolvenzregelungen in Europa auseinanderzusetzen.

Deutschland hat das Potenzial, die neue Dekade zu prägen

Die Herausforderungen bleiben hoch: 2021 wird ein Superwahljahr in Deutschland. Gleichzeitig müssen Berlin und Brüssel das Verhältnis zu Washington wieder verbessern. Der gewählte Präsident Joe Biden hat große Erwartungen hinsichtlich der Stärkung der nordatlantischen Allianz geweckt. Europa muss seinen Teil dazu beitragen und seine Rolle klar definieren. Wir stehen am Anfang einer neuen Dekade. Deutschland und Europa haben das Potential, diese Dekade entscheidend zu prägen.


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Über den Autor

Dr. Marcus Chromik

Dr. Marcus Chromik ist Mitglied des Vorstands der Commerzbank und verantwortlich für das Risikomanagement des Konzerns. Der promovierte Kernphysiker war zuvor u.a. Chief Market Risk Officer bei der Postbank. Seine berufliche Laufbahn begann er bei McKinsey, wo er vor allem Unternehmen der Finanzbranche im Risikomanagement beriet.

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