Schreckgespenst Inflation

Momentaufnahme oder anhaltender Trend?

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Nachdem die Preise lange Zeit nur den Weg nach unten kannten, steigen sie wieder deutlich an. Grund sind Engpässe in der Produktion und Logistik. Was bedeutet das für die Wirtschaft – dauert der Trend an oder ist es nur eine Momentaufnahme?

Die Inflationsrate steigt nach langer Zeit wieder an

Ist der Anstieg der Inflationsrate temporär oder Anzeichen einer Trendumkehr?

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Was ist Inflation? Wenn man morgens in den Supermarkt rennt, um einzukaufen, bevor die Preise im Tagesverlauf ansteigen. Wenn man die Rente vor den eigenen Augen wegschmelzen sieht. Wenn Gold zum Mainstream wird. Weniger prosaisch bezeichnet Inflation den Verlust von Kaufkraft. Statistisch wird sie mit dem Anstieg der Preise der Güter im Warenkorb erfasst. Aber unabhängig von ihrer Definition und Messung verändert eine Inflation das Verhalten der Menschen. Denn sie trübt die Sicht der Einzelnen auf die Zukunft.

Die Inflation war schon fast vergessen. In den letzten Jahren – bald Jahrzehnten – galt es nämlich, die Deflation zu bekämpfen. Notenbanken wurden deswegen erfinderisch. Die Zinsen gingen Richtung null und noch darunter. Es schien, als ob Preise nie mehr steigen würden. Doch das Bild hat sich verändert. Seit dem Jahr 2021 übertragen sich Produktions- und Logistikengpässe in höhere Preise. In den USA, aber auch in Teilen Europas sind Inflationsraten von über drei Prozent fast schon gesetzt.

Kurzfristige Preissteigerung oder dauerhafte Inflation?

Der Sorge vor der Inflation lässt sich mit klaren Argumentationsketten entgegentreten. Erstens müssen die während Corona geschlossenen Kapazitäten wieder aufgebaut werden. Dafür sind Innovationen notwendig, die bezahlt werden müssen. Das überträgt sich auf die Güterpreise. Zweitens erfolgt der Preisvergleich heute mit dem wegen Corona tiefen Preisstand von 2020.

So weit so gut. Dennoch stellt sich die Frage: Wie lange noch werden die Güterpreise steigen? Im Finanzplatz wachsen die Sorgen. Viele Notenbanken geben zwar zu verstehen, dass der Preisschub vorübergeht. Doch Einzelne sind sich da nicht ganz sicher. Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomie- und Prognose-Treibenden ist ebenso geteilter Meinung.

Erste Zeichen für eine bleibende Inflation sind schon da – sagen die einen. Das lange Ende der Zinskurve steigt an; der Druck auf die mittel- und später auch auf die kurzfristigen Zinsen sei bemerkbar. Auch hat das „Momentum“ in der Steigerung der Börsenkurse an Zugkraft verloren. Dass aber die Negativ- oder Nullzinsen etwas korrigieren, ist normal – sagen die anderen. Solange die kurzfristigen Zinsen unter der magischen Zwei-Prozent-Marke verbleiben, kann man nicht wirklich von Inflation reden. Zudem steigen die Börsenkurse, die Kurs-Gewinn-Verhältnisse bleiben stabil. Im langfristigen Mittel sind die Erhöhungen der Güterpreise eher unterdurchschnittlich. Also: Keine Inflation.

Geld flutet reale Märkte

Diese zwei Deutungen gehen zwar auseinander. Doch sie teilen implizit das gleiche Bild des Übertragungsmechanismus der Inflation. Mindestens seit dem Jahr 2008 fluten Zentralbanken die Wirtschaft mit Geld. Bis zum Jahr 2020 verblieb diese Geldflut im Finanzsektor.

Seit 2020 gelangt dieses Geld nun auch in die realen Märkte. Mit den vielen Schutzschirmen, Krediten, Überbrückungen und dergleichen ist der Damm zwischen Geld- und Fiskalpolitik endgültig gebrochen. Die Zentral- und anderen Banken schöpfen Unmengen von Geld, das über Regierungsprogramme ungehindert an Unternehmen und Personen fließt.

Genauso wie das Zentralbankgeld vor Corona die Börsenkurse in die Höhe trieb, wird es jetzt die Güterpreise in die Höhe treiben. Während man sich darüber streiten kann – und wird –, ob und wann dieser Effekt eintritt, scheint der dafür zugrunde liegende Mechanismus, die Übertragung der Gelschwemme in Realmärkte, unumstritten.

Was hier aber außer Acht gelassen wird, ist wofür dieses Geld überhaupt eingesetzt wird, wenn es in den realen Märkten angekommen ist. Verliert sich die Geldflut im Konsum, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer bleibenden Güterinflation deutlich. Doch das viele Geld kann auch investiert werden. Dann ist es wahrscheinlicher, dass sich Güterpreise nach einer kurzfristigen Hausse wieder stabilisieren. Denn Investitionen schaffen Werte, sie treiben Güterpreise nicht willkürlich nach oben.

Szenarien für die Wirtschaft

Kommt jetzt die Inflation oder nicht? Wie so oft kann man es nicht mit Sicherheit sagen. Es lohnt sich aber immer, bei derartigen Fragen in Szenarien zu denken. Was würde die Rückkehr der Inflation für den Finanzplatz Deutschland bedeuten? Auch er wird sich nicht den inflationären Auswirkungen entziehen können. Denn Teuerung, ob in den realen oder Finanzmärkten, ist selten ein regionales Phänomen.

Dank seiner Vielfalt haben die Akteure am Finanzplatz Deutschland verschiedene Möglichkeiten, mit der Inflation umzugehen. Anlagen in Realwerten, aber auch die langfristige Finanzierung von Logistikketten und Infrastruktur sowie Kryptowährungen können einen Inflationsschutz gewähren. Deutschland gehört zu den führenden Finanzplätzen für diese Kategorien.

Auf der anderen Seite würden einige sagen, dass solche Anlagen ohnehin ins Portfolio gehören. Denn sie glänzen nicht nur wegen ihres Diversifikationsbeitrags, sondern auch, weil sie echte Chancen darstellen. Man muss eben nicht warten, bis Gold zum Mainstream wird.


Der Beitrag erschien ursprünglich als Teil des Jahrbuchs 2021/22 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier direkt herunterladen.

Über den Autor

Prof. Dr. Henrique Schneider

Henrique Schneider ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Nordakademie, Hochschule der Wirtschaft. Er wirkt in Aufsichtsräten von verschiedenen Versicherungen und Vermögensverwaltungen, meist als Mitglied oder Vorsitzender des Anlageausschusses. Seine Arbeitsschwerpunkte sind ökonomische Theorie, Technologie und alternative Anlagen.

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