finledger ist deutschlandweit die erste auf Blockchain-Technologie basierende Plattform, die eine vollständig digitale und rechtssichere Abwicklung von Schuldscheindarlehen innerhalb weniger Stunden möglich macht.
Um gemeinsam Know-how auf dem Gebiet der Blockchain-Technologie aufzubauen und durch die Nutzung innovativer Technologien die Digitalisierung voranzutreiben, haben sich die DekaBank, DZ BANK, Helaba und dwpbank zu einer Entwicklungspartnerschaft zusammengeschlossen. Ein erstes Resultat dieser Kooperation ist finledger: eine Abwicklungsplattform für Schuldscheindarlehen, die auf einer Etherium-Blockchain basiert und die durch diese Technologie sowohl zur Reduktion von Prozessrisiken als auch zur Hebung von Effizienzen im Abwicklungsprozess ermöglicht.
Mittlerweile wird das Projekt von der NRW.BANK mitgetragen, die die Rolle des „friendly customers“ einnimmt. Technisch wurde das Projekt durch Entwickler der IT-Abteilungen der Häuser sowie der adesso AG umgesetzt.
Das Schuldscheindarlehen als erster Use Case
Schuldscheindarlehen (SSD) sind Darlehen, bei denen der Darlehensnehmer über das Bestehen der Forderung eine Schuldscheinurkunde erstellt. Diese Urkunde soll einen Beweis über das Bestehen der darin niedergelegten Forderung erbringen. Ändert sich beispielsweise durch eine Abtretung der Inhaber der Forderung, wird die Beweisurkunde nachträglich angepasst. Hierin unterscheiden sich Schuldscheindarlehen von (Inhaber-)Wertpapieren, bei denen die Übertragung der Urkunde die Übertragung der Forderung zur Folge hat.
Ziel war ein bereits unter den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen umsetzbarer erster Use Case mit unmittelbarem Effizienzgewinn für die Banken. Hier bot sich das Instrument des Schuldscheindarlehens an, da dieses im Vergleich zu Wertpapieren wie zum Beispiel Anleihen oder Zertifikaten vergleichsweise wenig reguliert ist.
Der Abwicklungsprozess von SSD ist durch eine Vielzahl manueller und papierbasierter Prozessschritte geprägt, die zum Teil viel Zeit in Anspruch nehmen – von der Datenerfassung über den Datenabgleich in Form einer papierhaften Geschäftsbestätigung per Fax und die Anfertigung sowie den Versand einer physischen Urkunde per Einschreiben oder Bote bis hin zur Urkunden-Einlagerung im Tresor bis zur Fälligkeit des Darlehens. Life Cycle Events, die während der Laufzeit eines Schuldscheins eintreten können, wie beispielsweise Abtretungen, sind durch vergleichbare manuelle und langwierige Prozesse gekennzeichnet. Bis die schriftliche Dokumentation an die neuen Gegebenheiten angepasst ist und sich jede Urkunde dort befindet, wo sie hingehört, vergehen in der Praxis teilweise mehrere Wochen.
Die praktische Anwendung von finledger
Neue Technologie wird häufig dort eingesetzt, wo das Geschäft abgeschlossen wird. Der Handel mit bilateralen Banken-Schuldscheindarlehen erfolgt jedoch im Wesentlichen telefonisch, was wenig Raum für Zeit- oder Effizienzgewinne lässt. finledger setzt daher erst zu dem Zeitpunkt an, an dem das Geschäft durch das Frontoffice bereits abgeschlossen wurde.
Um die wirtschaftlichen Geschäftsdaten zu erfassen, kann das jeweilige Bestandssystem der Bank durch die Nutzung von Schnittstellen (APIs) an finledger angebunden werden. Anschließend erfolgt der aufsichtsrechtlich geforderte Geschäftsbestätigungsprozess digital auf der Plattform. Die Schuldscheinurkunde wird auf Basis der Geschäftsdaten erstellt, durch den Darlehensnehmer qualifiziert elektronisch signiert und zum Download bereitgestellt. Damit ist der Abwicklungsprozess vorerst abgeschlossen.
Warum Blockchain bzw. DLT?
Ist finledger also wieder so ein Use Case, der sich problemlos durch eine Datenbank ersetzen ließe? Nein. Durch die Nutzung der Distributed Ledger Technology (DLT) entfällt die Rolle eines zentralen Registerführers, die aktuell beim (Banken‑)Schuldscheindarlehen meist von der darlehensnehmenden Bank, also dem Schuldner selbst, ausgeübt wird. Mit der dwpbank sorgt gleichzeitig eine neutrale Instanz in der deutschen Finanzbranche dafür, dass für Wartung der Infrastruktur und Rückfragen zur Abwicklung immer ein fester Ansprechpartner zur Verfügung steht.
Darüber hinaus sind bei finledger die im Register erfassten Bestände jederzeit und von jedem überprüfbar, der im Besitz eines aktuellen Webbrowsers und eines PDFs der Schuldscheinurkunde ist. Diese wird dafür auf der Homepage von finledger hochgeladen und von der Anwendung mit den in der Blockchain hinterlegten, kryptographisch gesicherten Daten abgeglichen. Dabei gibt die Plattform Auskunft darüber, ob es sich überhaupt um eine durch finledger erstellte Urkunde handelt, sowie darüber, ob die Forderung noch besteht und ob sie so besteht, wie es in der Urkunde niedergelegt ist. Eine Abtretung wird ebenso angezeigt wie eine vorzeitige oder reguläre Rückzahlung und jede andere Veränderung zum aus der Urkunde zu entnehmenden Stand der Forderung. Damit erklärt sich auch der Titel dieses Beitrags – denn die Wahrheit über die Forderung aus dem Schuldscheindarlehen liegt tatsächlich auf der Blockchain.
Und wofür das Ganze?
Das aktuelle Geschäft mit Bankenschuldscheindarlehen ist mit seinen manuellen Prozessen und papierhaften Urkunden und Abtretungsnachweisen ein stark von gegenseitigem Vertrauen abhängiges Geschäft. Nutzen die Transaktionspartner finledger, entfallen manuelle Tätigkeiten und werden durch einen digitalisierten Prozess ersetzt. Das gegenseitige Vertrauen kann sich auf ein gemeinsames Register stützen. Zudem wird der Gesamtprozess erheblich verkürzt, sodass entsprechende Prozess- und Kostenoptimierungen zu verzeichnen sind.
Dieses zeitliche Einsparpotential wurde bereits durch Transaktionen zwischen NRW.BANK, DekaBank und DZ BANK belegt. Das Handelsgeschäft zwischen NRW.BANK und DekaBank wurde dabei mit taggleicher Valuta abgeschlossen. Zwischen Handelsabschluss und Vorliegen der qualifiziert elektronisch signierten Urkunde lagen nur wenige Stunden. Eine anschließende Abtretung der Forderung an die DZ BANK wurde ebenfalls taggleich gehandelt und wurde am Folgetag vollständig digital und rechtssicher über finledger abgewickelt. Diesen „Puffertag“ hatten die Banken vorgesehen, um für die Abwicklung des Schuldscheins auf die rechtzeitige und vollständige Zahlung des Kaufpreises zu warten.
finledger ist offen für neue Kunden und Knotenbetreiber
Die Nutzung der Schuldschein-Plattform ist bereits heute in drei unterschiedlichen Varianten möglich: als eigenständige Knotenbetreiber, als Nutzer eines Knoten-Hosting-Services der dwpbank oder als Kunde eines Knotenbetreibers. Eigenständige Knotenbetreiber implementieren einen eigenen Blockchain-Knoten in ihrer Infrastruktur und sind über diesen mit dem Netzwerk verbunden, während Nutzer des Hosting-Services über den Knoten der dwpbank angebunden sind. Der Funktionsumfang dieser beiden Rollen unterscheidet sich nicht.
Der lediglich über einen Knotenbetreiber angebundene Kunde kann nur als Darlehensgeber fungieren. Dafür ist aus technischer Sicht lediglich ein aktueller Internetbrowser notwendig. Die Plattform ist intuitiv gestaltet und bedarf keiner umfangreichen Schulung. Diese Erfahrung hat auch die NRW.BANK als projektunabhängiger Partner bestätigt. Vom Onboarding über den Handshake mit den Geschäftspartnern bis zur Bestätigung der Geschäftsparameter: Die Bedienung der Plattform ist einfach und schnell erlernbar.
Nächster Schritt: Corporate-Schuldscheindarlehen
Mit dem Banken-Schuldscheindarlehen ist es den Projektbanken gelungen, eine DLT-Abwicklungsplattform unter den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Produktion zu nehmen und den Mehrwert für die Geschäftstätigkeit der Banken nachzuweisen. Im nächsten Schritt wird das ungleich komplexere Corporate-Schuldscheindarlehen umgesetzt – eine durch eine oder mehrere Banken begleitete Darlehensaufnahme einer Gesellschaft bei einer Mehrzahl von Gläubigern. Im Unterschied zu anderen SSD-Plattformen, die für Corporate-SSD die Geschäftsanbahnung (Bookbuilding und Pricing) digital abbilden, wird sich finledger auch in diesem Zusammenhang auf die Abwicklungsprozesse konzentrieren. Auch über Darlehen hinaus lassen sich das aufgebaute Know-how und die Plattform nutzen. An Ideen mangelt es weder den Projektbanken selbst noch Marktteilnehmern, die auf das Projekt aufmerksam geworden sind – und bereits zahlreich den Kontakt zu den an finledger beteiligten Banken suchen.
Johannes von Selle ist Koautor des Beitrags. Er leitet die Einheit für die Dokumentation und Life Cycle Betreuung von Kapitalmarktprodukten in der DekaBank. Der Fokus seiner Arbeit innerhalb des Projekts „finledger“ liegt auf den durch die Anwendung digitalisierten Prozessen und Produkten. Er ist Mitglied des Strategieboards der Projektbanken und koordiniert die Umsetzung des Projekts innerhalb der DekaBank.