Aufräumen liegt im Trend – sowohl in der digitalen als auch in der analogen Welt. Doch warum wird Aufräumen zur Notwendigkeit? Und wie können Banken und Sparkassen diesen Trend effektiv nutzen?
Erfolgreiche Sachbücher wie Magical Cleaning von Marie Kondō (mit eigener Netflix-Serie) treffen den Nerv der Zeit. Verbraucher sind in einer Phase digitaler Sättigung. Es gibt ein Überangebot an Produkten und Dienstleistungen, das sie kaufen und nutzen sollen. Aber die Grenze der Aufnahmefähigkeit ist erreicht, da die tägliche Menge an Daten und Informationen schneller wächst als die Evolution uns befähigen kann diese zu verarbeiten. Es fällt immer schwerer zu fokussieren und zu priorisieren.
Auch Banken stehen unter Zugzwang, um die passenden Antworten auf diese neuen Kundenbedürfnisse nach einer leiseren Ansprache zu finden. Denn auch die Banken besetzen die neuen Kontaktpunkte zum Kunden. Sie sollten sich aktiv mit dieser Thematik befassen, wenn sie weiterhin als relevante und vertrauensvolle Partner wahrgenommen werden wollen.
Digitale Entgiftung und Diät als Selbstschutz
Immer mehr Menschen versuchen sich mit digitaler Entgiftung (Digital Detox) und digitaler Diät (Digital Dieting) gegen die Informationsflut zu stemmen. Sie folgen neuen Ansätzen wie dem „Light Phone“, einem Mobiltelefon, auf dem weder Apps noch Browser installiert werden können und mit dem keine Social-Media-Aktivitäten möglich sind. Auch das Abmelden von Facebook, das Markieren von Newslettern als Junk oder das Nutzen von Banner-Blockern sorgen für mehr Ruhe. Ein aktiver Rückzug, der es Banken schwierig macht, den Kunden in den relevanten Momenten zu erreichen.
Und der menschliche Körper hat bereits Schutzmechanismen aufgebaut: „Banner Blindness“ beschreibt, dass Nutzer von Webseiten-Banner weder bewusst noch unbewusst wahrnehmen. Die Botschaften des Online-Marketing laufen so ins Nichts.
Die beschriebenen Phänomene sind ein Desaster für alle Unternehmen, die von der Interaktion mit dem Kunden leben. Denn sie wissen nicht länger, wo ihre Kunden sind, was sie interessiert oder was sie machen – sie sind einfach weg. Womöglich für immer.
Wie konnte es soweit kommen?
Das Sammeln und Analysieren von Kundendaten und das Ausspielen der richtigen Botschaften war für viele Finanzinstitute eine große Herausforderung. Zu Recht wurden die technologischen Möglichkeiten gesehen, um den Kunden hyperpersonalisierte Services und Produkte zu bieten. Aber das durch die GAFAs & Co. vorgegebene Tempo war zu hoch und die internen Möglichkeiten aus langfristig gewachsenen Strukturen sorgten für starke Limitationen.
Das Ergebnis blieb leider in vielen Fällen Massenkommunikation, anstatt der erhofften individuellen Ansprache zum richtigen Zeitpunkt.
Obwohl Finanzdienstleister eine große Menge an Daten sammeln, scheitern sie daran, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu erkennen und sprechen sie deshalb falsch an. Das Resultat ist ein Vertrauensproblem der Kunden und dafür gibt es unterschiedliche Gründe:
- Datensammelwut: Viele Banken versuchten eine möglichst große Menge an Daten zu bekommen. Leider ohne eine klare Strategie dahinter, was genau mit welchen Daten erreicht werden sollte.
- Das Opt-in Problem: Regulatorische Anforderungen zwingen Banken Opt-ins für Kundenansprache usw. einzuholen. Diese wurden häufig unnötigerweise untergejubelt.
- Geben & Nehmen: Ist es wirklich wahr, dass Menschen ohne Weiteres ihre Daten bereitwillig teilen? Nein, da sie heute aufgrund von Daten-Skandalen kritischer denken.
- Analyse & Technik: Die meisten Institute hinken in der Umsetzung von IT-Projekten ihren Ansprüchen und Erwartungen weit hinterher, da Agenden und Pipelines chronisch zu voll sind und die Altsysteme nicht helfen.
- Markt & Wettbewerb: Social Media Unternehmen können auf einen Mitarbeiter-Pool zurückgreifen, der mit den neuen Medien groß geworden ist. Banken müssen häufig mit Experten aus dem analogen Marketing leben.
- Der Kunde: Ihm kommt dabei viel zu wenig Aufmerksamkeit zuteil. Und vor allen Dingen wird zu wenig Zeit investiert, seine Probleme wirklich zu verstehen.
Und jetzt ist alles vorbei?
Es gibt Institute, die ihre Kunden fast nie aktiv ansprechen. Sie unterstützen ihre Kunden reaktiv bei Anfragen und aktiv bei finanziellen Auffälligkeiten oder Chancen, die konkret in den Daten ersichtlich sind. Der Kunde weiß, dass eine Ansprache seitens seiner Bank immer einen triftigen Grund hat und schenkt ihr Aufmerksamkeit. Überflüssige Kommunikation um dauerhaft „im Relevant Set des Kunden bleiben“ wurde abgestellt. Hier ist – wie unser jährlicher Ausblick „Fjord Trends“ zeigt – Schweigen einfach Gold.
Newsletter einstellen, Social Media-Accounts löschen und Blog-Redaktionen auflösen? Abschalten ist keine Lösung. Auch hier lautet die Devise: Aufräumen, Aussortieren und Fokussieren. Instagram, Snapchat oder Twitter passen nicht zu jeder Marke. Wer es richtig macht, konzentriert sich auf die Kanäle, die zum eigenen Unternehmen passen.
Maßgeschneiderte Informationen sind Schlüssel zum Erfolg
Kunden sollten endlich die maßgeschneiderten Informationen erhalten, die sie durch ihre Datenfreigabe durch Opt-ins erwarten. Gleichzeitig müssen Banken damit anfangen, ihre Kunden so zu behandeln, wie sie es ihnen über Opt-ins und sonstiges Datensammeln suggerieren.
Banken könnten doch offen ihre Kunden nach den für sie wichtigen Daten fragen? Natürlich in Kombination mit dem konkreten Verwendungszweck. Ein Versuch wäre es wert. Transparenz zählt heute mehr denn je.
Wichtig ist, nur die Daten zu erheben, die Banken auch wirklich benötigen. Optimalerweise startet dies direkt beim Kennenlernen des Kunden mit einem durchdachten Onboarding mit gezielten Fragen für Neu-Kunden. Damit zeigt die Bank, dass sie es wert ist, Kundeninformationen zu erhalten. Basierend auf diesen Informationen kann der Kennenlernprozess gesteuert werden.
Vertrauen bleibt Schlüsselfaktor
Neben Transparenz ist Vertrauen ein weiterer wichtiger Faktor. Banken sollten ihren Kunden von Anfang an klar machen, welche Daten ihnen vorliegen und welche Schlüsse sie daraus gezogen haben. Dem Kunden muss die Möglichkeit gegeben werden, seine Daten einzusehen und zu korrigieren. Wenn der Kunde die Intentionen seiner Bank besser versteht, wird er auch stärker bereit sein, persönliche Daten zu teilen.
Um zu wissen, ob die Botschaften die richtigen waren, können sich die Banken Feedback zu ihren Ansprachen einholen. Der Prozess sollte so einfach wie möglich gestaltet werden, beispielsweise durch nur eine Frage zum Nutzen der Botschaft.
Banken müssen ihre Kunden besser kennen
Banken müssen wissen, wie ihre Kunden „ticken“. Dabei geht es primär um ihre Einstellungen und Denkweisen und nicht um ihre finanziellen Möglichkeiten. Mindset Segmentation hilft zu verstehen, was Kunden von Banken und Bankgeschäften erwarten. Ob sie viele detaillierte Informationen oder den Kontakt möglichst geringhalten möchten. Es kann auch untersucht werden, ob sie ihre eigenen Werte in den Werten der Bank wiederfinden und wie die Produkte des Unternehmens ihre persönlichen Bedürfnisse nach Selbstachtung oder Sicherheit erfüllen.
Mit einem besseren Verständnis der menschlichen Seite der Kunden werden neue Ideen zu Services und Produkten entstehen, die das Kundenvertrauen langfristig sichern.
Also auf zum großen Frühjahrsputz: Aufräumen und unnötigen Ballast loswerden. Mit den Kunden sprechen, zuhören und verstehen. Damit sich ihre Kunden wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren können. Sie werden die Stille und die neue, ruhigere Art der Kommunikation genießen.