Die Schweizer Finanzbranche hat die Herausforderungen seit der Finanzkrise gut gemeistert und blickt optimistisch in die Zukunft. Die Digitalisierung wird als Herausforderung angenommen. Cyber Security ist ein aktueller Schwerpunkt.
Über zehn Jahre sind seit Ausbruch der Finanzkrise vergangen. Auch in der Schweiz sind seither viele Banken vom Markt verschwunden. Ein Grund hierfür liegt u.a. in den weitreichenden regulatorischen Auflagen. Die notwendigen Anpassungen hierfür waren und sind mit entsprechend negativen Folgen für die operative Ertragskraft und die Kosten verbunden. Hinzu kommen für die Institute neue Herausforderungen wie Negativzinsen, branchenfremde Konkurrenz sowie die zahlreichen fundamentalen Veränderungen aufgrund der Digitalisierung.
Vor diesen Hintergrund hat die Unternehmensberatung EY 100 Mitglieder von Geschäftsleitungen verschiedener Schweizer Banken zu ihren aktuellen Herausforderungen befragt.
Schweizer Banken blicken zuversichtlich in die Zukunft
Trotz der genannten Schwierigkeiten und Unsicherheiten blicken die Schweizer Institute zuversichtlicher in die nähere Zukunft als noch vor einem Jahr. 82 Prozent (Vorjahr 68 Prozent) der befragten Banken erwarten für 2018 steigende operative Ergebnisse.
„Viele Banken haben in den letzten Jahren eine relativ hohe Widerstandsfähigkeit an den Tag gelegt und daraus ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Zudem erwartet ein Großteil der befragten Institute, dass es zu Verbesserungen in den ökonomischen und regulatorischen Rahmenbedingungen kommen wird.“
Patrick Schwaller, EY Schweiz
Wurden die Ziele der Finanzmarktregulierung erreicht?
Im Nachgang zur Finanzkrise haben die Regulatoren weltweit strenge Auflagen durchgesetzt. Diese betrafen vor allem Kapitalanforderungen, Liquidität, Derivatehandel sowie Anlegerschutz und Steuertransparenz. Heute sind zumindest die Finanzinstitute der Meinung, dass die verschärfte regulatorische Agenda ihre gewünschte Wirkung entfaltet hat.
87 Prozent der befragten Banken sind der Überzeugung, dass der Finanzmarkt heute stabiler ist als vor der Finanzkrise. 37 Prozent (Vorjahr 11 Prozent) der Institute gehen sogar davon aus, dass die Regulierung nicht weiter zunehmen wird.
Strategischer Fokus auf Innovation und Wachstum
In den letzten Jahren waren die Banken stark mit der Umsetzung der neuen Regulierungsvorschriften beschäftigt. Der strategische Fokus lag vor allem auf Kosten und einem Gegensteuern bei der rückläufigen Margenentwicklung.
Mit der vermeintlichen Normalisierung der regulatorischen Rahmenbedingungen scheint auch eine Neupositionierung bei den Schwerpunkten stattzufinden. 43 Prozent (Vorjahr 27 Prozent) der befragten Institute wollen für das laufende Jahr den strategischen Fokus wieder vermehrt auf Innovation und Wachstum legen.
Der Wandel, in dem sich wegen der Digitalisierung aktuell auch die Finanzbranche befindet, macht diese Entscheidung umso wichtiger. Neben Investitionen in neue Vertriebskanäle sowie neue Technologien stehen dabei vermehrt auch Partnerschaften mit Nicht-Banken, beispielsweise FinTech-Unternehmen, im Vordergrund.
Negativzinsen als Bedrohung
Die Banken beurteilen die Negativzinsen weiterhin als problematisch. Wie schon im Vorjahr erkennen 86 Prozent der befragten Banken negative Folgen aus der Tiefzinspolitik der SNB für ihr Institut. Als weitaus häufigste Folge wird in diesem Zusammenhang die Margenverengung im klassischen Bankgeschäft (59 Prozent) genannt. Der sich verstärkende Margendruck führt mitunter dazu, dass zwischenzeitlich die Mehrheit der Banken (57 Prozent) eine Weitergabe von Negativzinsen an Privatkunden nicht mehr kategorisch ausschließt.
An dem für die Banken widrigen Zinsumfeld wird sich gemäß Einschätzung der befragten Institute kurzfristig nichts ändern. Eine deutliche Mehrheit der Befragten (74 Prozent) geht davon aus, dass die Nationalbank erst mittelfristig, das heißt in ein bis drei Jahren, ihre expansive Geldpolitik beenden wird. Die Banken bleiben damit gefordert.
Zunehmende Attraktivität des Kreditgeschäfts
Die letzten Jahre waren von einer Phase ungewöhnlich tiefer Kreditausfälle geprägt. Der schweizerische Mittelstand hat die Herausforderungen des Frankenschocks inzwischen gut gemeistert und ist in guter Verfassung. Nur noch 20 Prozent (Vorjahr 30 Prozent) der Banken rechnen – trotz laufend zunehmenden Kreditvolumens – mit steigenden Wertberichtigungen und Rückstellungen auf den Kreditausleihungen.
Das Kreditgeschäft bleibt für die Schweizer Banken daher – trotz des Negativzinsumfelds – attraktiv und wird im Vergleich zu den Vorjahren sogar noch etwas attraktiver eingeschätzt. Nur noch 25 Prozent der befragten Institute gaben an, für das laufende Jahr eine restriktivere Kreditpolitik zu verfolgen. Dieser Wert lag vor vier Jahren noch bei 60 Prozent und hat dann kontinuierlich abgenommen.
Banken planen Einsatz von Robotern
Die Digitalisierung ist längst nicht mehr nur ein Trend, sondern eine zunehmende Realität. In den Vorjahren sah die Mehrheit der Banken in der Digitalisierung vor allem einen zusätzlichen Vertriebskanal, welcher das bestehende Geschäft ergänzt. Heute sind beinahe drei Viertel der befragten Banken der Meinung, dass sich die Schweizer Finanzindustrie in einem Strukturwandel befindet.
Das ist ein deutlicher Meinungswandel. Schweizer Banken erkennen zunehmend das Potenzial der Digitalisierung. 53 Prozent (Vorjahr 26 Prozent) der befragten Banken rechnen damit, dass die technologische Entwicklung letztlich auch in ihrer Branche eine fundamentale Auswirkung auf Strategien, Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse haben wird.
Als Reaktion auf diese Entwicklung investieren die Banken in den Aufbau von digitalen Think-Tanks bzw. Innovations-Hubs, in welchen neue Lösungen getestet und weiterentwickelt werden.
Drei Viertel der befragten Banken beabsichtigt in Zukunft auch Roboter bzw. virtuelle Assistenten einzusetzen. Diese Entwicklung wird sich nach Einschätzung der Banken insbesondere in den Bereichen Analyse und Entscheide (z. B. Anlagevorschläge, Kreditentscheide) als auch im Middle- und Backoffice niederschlagen. Hierzu sind jedoch zunächst weitere Fortschritte in der Standardisierung und Industrialisierung von Geschäftsprozessen bei den Banken erforderlich.
Cyber Security ist das Thema der Stunde
Die rasch voranschreitende Digitalisierung führt zu einer höheren Verwundbarkeit der Banken bei der IT-Sicherheit. Durch Mobile Banking sind neue Einfallstore für Hacker entstanden. ein professionelles und sicheres Handling von Daten ist daher zur zentralen Herausforderung geworden.
Zahlreiche in den letzten Monaten bekannt gewordene Cyberangriffe auf private Mailkonten von Politikern, Geheimdiensten, Unternehmen, Zentralbanken und das Zahlungsnetzwerk SWIFT haben die immensen Gefahren rund um die Datensicherheit deutlich gemacht. Vor diesem Hintergrund ist es nur wenig verwunderlich, dass die Banken in der diesjährigen Umfrage das Thema „Cyber Security“ als das wichtigste Fokusthema für das laufende Jahr genannt haben.
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