Einer aktuellen Studie zufolge zeigen sich im schweizerischen Retail Banking eine Vielzahl an Herausforderungen auf welche die Banken reagieren müssen, um im zukünftigen Wettbewerb zu bestehen.
Das Beratungsunternehmen Oliver Wyman hat in einer Studie das schweizerische Retail Banking untersucht. Dazu wurden mehr als 300 ausgewählte schweizerische Inlandsbanken analysiert. Demnach ist die Lage der Schweizer Banken im Inlandsgeschäft noch zufriedenstellend. In den letzten Jahren förderte vor allem expandierendes Kredit- und Einlagevolumen das Wachstum. Insbesondere wurde das Hypothekengeschäft im Zeitraum von 2011 bis 2016 um jährlich 4,5 Prozent ausgeweitet. Trotz sinkender Margen konnten so durch die Erhöhung der Bilanzsummen und der damit verbundenen Risiken der Gesamtertrag stabil gehalten werden.
Warnsignale im Schweizer Retail Banking
Allerdings sinkt das Kreditwachstum bereits seit einiger Zeit, so dass Geschäftsmodelle und Strategien nicht mehr alleine auf weiteres Wachstum des Kreditvolumens setzen können. Zudem stieg das durchschnittliche Aufwand-Ertrag-Verhältnis in den letzten fünf Jahren um etwa sechs Prozentpunkte und die Eigenkapitalrendite sank um fast ein Fünftel auf 5,7 Prozent.
Die Analyse zeigt eine Reihe zukünftiger Herausforderungen, die sich negativ auf den Schweizer Inlandsmarkt auswirken können. Um ihre aktuelle Position im Wettbewerb beibehalten zu können, sollten die Institute strukturelle Schwächen sowohl auf der Kosten- als auch der Ertragsseite beheben und ihr Geschäftsmodell proaktiv umstellen.
Neue Ertragsquellen erschließen
Retailbanken müssen jetzt Wege finden, die Stagnation ihres Zinsgeschäfts mit Provisions-, Handels- und sonstigen Erträgen zu kompensieren. Paradoxerweise bedeutet das zunächst mehr Ausgaben für Digitalisierung, um langfristig die Kosten im operativen Betrieb senken zu können“
Tobias Würgler, Leiter Banking Oliver Wyman Schweiz
Der Ertragsanteil des Zinsgeschäftes liegt aktuell bei 55 Prozent, bei kleineren Instituten sogar bis zu 80 Prozent der Gesamterträge. Bis 2022 ist jedoch nur noch ein Minimalwachstum der Zinserträge von einem Prozent pro Jahr zu erwarten. Viele Banken müssen alternative Ertragsquellen jedoch erst aktiv ausbauen oder neu erschließen, um zusätzliches Wachstum generieren zu können. Zu solchen möglichen Ertragsquellen zählen Provisionen und Handelserträge, Erträge aus dem Wealth und Asset Management, dem Geschäft mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, sowie dem Verkauf von Versicherungsprodukten.
Verbesserung des Bankbetriebes
Die steigenden Kosten erzwingen zudem Investitionen zur Optimierung des Bankbetriebes. Während im europäischen Bankensektor insgesamt ein Beschäftigungsabbau stattfand, diagnostiziert die Studie bei den betrachteten Schweizer Banken hohe Personalkostenblöcke. Die Beschäftigtenzahlen wachsen jährlich um 0,4 Prozent und die Personalkosten pro Mitarbeiter jedes Jahr um 1,7 Prozent. Die Kosten wachsen damit deutlich schneller als die Erträge. Dies erfordert ein aktives Management, um die negative Entwicklung des Aufwand-Ertrag-Verhältnisses zu stoppen.
Hier sind Investitionen notwendig, um die strukturelle Kostenspirale nachhaltig zu durchbrechen. Insbesondere muss in die End-to-End-Automatisierung sowie die Standardisierung der Kernbetriebsprozesse sowie das Back- und Middle-Office investiert werden.
Zudem sind strukturelle Maßnahmen zur Senkung der Kosten erforderlich. Dazu gehören:
Verschlankung des Serviceangebots über Filialen
Bisher leisten sich die Schweizer Banken ein sehr dichtes Filialnetz. Doch bereits die jährlichen Kosten für kleine Filialen mit Bargeldverkehr summieren sich schnell zu Beträgen im mittleren sechsstelligen Bereich. In Skandinavien und den Benelux-Ländern dagegen bieten Banken nicht einmal mehr halb so viele Filialen pro Einwohner an. Die Zukunft liegt in bargeldlosen Filialen an guter Lage, in denen Kunden primär beraten werden.
Kooperationen zwischen Retailbanken
Dies umfasst beispielsweise die Nutzung von Shared Services, wie gemeinsame Netzwerke von Geldautomaten, Hypothekarprozessen, Abwicklungsplattformen oder das Teilen von sonstigen Kostenblöcken, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Selbst gemeinsam betriebene Filialen sind denkbar.
Digitale Zugänge und personalisierte Lösungen
Auch die Kundenbeziehungen der Banken sind bedroht. Zum einen drängen Versicherungen und Pensionskassen in das bisher zu 95 Prozent bankendominierte Hypothekargeschäft, zum anderen versuchen Nichtbanken-Aggregatoren und Drittanbieter Kundeninteraktionskanäle zu besetzen und damit die Banken von ihren Kunden abzukoppeln.
Retailbanken investieren derzeit massiv in die Digitalisierung der Kommunikations- und Interaktionsschnittstellen. Allerdings bergen neue digitale Angebote und Zugangsmöglichkeiten für die Kunden die Gefahr, lediglich die Kosten der Banken zu steigern. Daher ist eine zeitgleiche, grundlegende Transformation des bisherigen Geschäftsmodells wichtig.
Schweizer Banken müssen vermeiden, die Kostenstruktur mit einer zusätzlichen ‚digitalen Kostenschicht‘ dauerhaft aufzublähen und so noch mehr Komplexität in ihre Prozesse zu bringen“.
Roger Stettler, Oliver Wyman Zürich
Die schweizerische Retailbanken müssten daher dringend ein digitales „Target Operating Model“ entwickeln. Dieses sollte eigene Omnikanal-Schnittstellen zur Kundeninteraktion umfassen, sowie einen zentralen Datenpool, von dem ausgehend automatisch individuelle Lösungen für Kunden entwickelt werden können.
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