Wir müssen alle Fehler machen, um zu lernen, aber wir müssen nicht alle die gleichen Fehler machen. Sechs Fails aus einem Projekt zur agilen Transformation einer Bank, aus denen wir gelernt haben!
Die Agile Transformation einer Organisation kann auf vielen Wegen erfolgen: Zentral getrieben oder dezentral vorgelebt. Mit Mandat oder ohne. Mit C-Level Support oder ohne. Auf Werte-Ebene oder „Du“-Feigenblattlevel.
Ja, wir lernen alle aus Fehlern. Wir müssen sie aber nicht alle selbst machen. Hier mein Erfahrungsbericht mit sechs Fails und entsprechenden Learnings:
Fail 1: Große, wichtige Titel & Pseudostrukturen
Große, wichtige Titel & Pseudostrukturen bringen schöne LinkedIn-Titel – aber niemanden in einer Transformation so richtig weiter. Mein eigener Weg mit dem Auftrag der agilen Transformation durch das Organigramm eines großen Finanzdienstleisters ist quasi das Abbild dieses ersten Fails.
Der Aufbau des CDOs war zwar in 2016 quasi noch Frontrunning, das Mandat für den „Kulturwandel“ im Rahmen der Digitalisierungsstrategie jedoch nicht konkreter als „Von der Agilen Transformation begeistern und mitnehmen“. Jährliche Wechsel der Berichtslinien und kein klares Commitment des C-Levels zum „Kulturwandel“ haben mich eines als hartes Learning fühlen lassen: „Head of Digital Culture“ ist manchmal so gut wie „Head of Digital Nothing“.
Fail 2: Ich hab da mal was vorbereitet
Was haben wir uns Mühe gegeben mit einem fundierten Ansatz einer agilen Transformation. Wir haben Megatrends analysiert und deren Auswirkungen für uns adaptiert. Wir haben grandiose Thesen erarbeitet und veröffentlicht. Letztendlich wurden vier Handlungsfelder erarbeitet, die uns bei der Transformation helfen sollten:
- Lernen,
- Verhalten,
- Führung & Kollaboration,
- Infrastruktur & Ausstattung.
Schön ausgearbeitet haben wir damit an den Türen unserer Kollegen von HR, IT, Kommunikation etc. geklopft – und uns gewundert, warum die Tür nicht begeistert aufgerissen wurde. Was wir uns in unserem fancy Silo mit Tischtennisplatte und Grill ausgedacht hatten, war natürlich nicht neu. Schon gar nicht für die Experten der anderen Bereiche.
Learning: Es braucht nicht immer etwas Neues. Es braucht das Passende! Und zwar nicht eines Silos, sondern gemeinsam mit anderen!
Fail 3: Denken auslagern
Nachdem wir mit unseren eigenen Versuchen der Herangehensweise an Kulturveränderung gescheitert waren, haben auch wir uns nach dem Heilsbringer von außen umgesehen: Round Tables, Cross-Industrie Austausch und am Ende Berater.
Entwickelt wurden viele schicke Folien, die niemand in Frage stellt, weil sie niemand versteht. Die folgenden zeigen einen Prozess und einen Sprint.
Doch hübsche Folien sind auf jedem ExCo-Tisch auch nur Folien. Und die Erfahrungen der anderen noch immer nicht die eigenen. Es war ein hartes Stück Arbeit, das Passende für unsere individuellen Gegebenheiten herauszufiltern und auf uns anzuwenden.
Learning: Es muss nicht smart und schick auf Slides aussehen, es muss das Passende für das eigene Ziel und die eigene Situation sein. Und das ist harte Arbeit.
Fail 4: Jedem gefallen wollen
Da Kultur gefühlt ein wenig greifbares Thema ist, fingen wir an, alle Themen links und rechts aufzugreifen und zu unseren zu machen. Um zu beweisen, dass wir genauso wertvoll und wertstiftend sind, wie Bereiche, die niemand in Frage stellen würde. Wilde Formate, unnütze Kanäle, zu viel Energie mit zu wenig Fokus.
Learning: Es geht nicht nur darum, gesehen zu werden, es geht darum, den richtigen und klaren Fokus zu haben! Und da schließt der nächste Fail an.
Fail 5: Kein „Darum“ zu haben
Wir konnten selbst im Core-Team unser „Why“ nicht klar wiedergeben. Das machte uns anfällig für Kritik und stellte uns selbst und unsere Identifikation mit unserer Aufgabe in Frage. Also haben wir uns (endlich) mithilfe des „Golden Circle“ unser „Why“ erarbeitet. Unser bisher diffuses Mandat wurde so konkret: „Notwendigkeit zur Veränderung klar machen“.
Unser „How“ und „What“ konnten wir daraufhin abstimmen, sinnlose „Whats“ (Formate, Aufgaben) aufgeben und eine klare Haltung zu unserer Wertstiftung aufbauen. Dieses Selbstverständnis hat uns klar in unserer Haltung gemacht – und damit auch wieder Spaß und Leichtigkeit in den Auftrag gebracht.
Learning: Jeder kann immer ganz genau benennen, was er/sie tut – doch noch wichtiger für die Glaubwürdigkeit ist das „warum“. Und dessen ständige Überprüfung und Reflexion des passenden „How“ und „What“.
Fail 6: Auf Erlaubnis warten
Wir haben uns bei der Umsetzung für einen White-Label Ansatz entscheiden. Um den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen das gleiche Angebot machen zu können – unabhängig von unterschiedlichen CI-Richtlinien.
Wir hätten das viel früher machen sollen. Denn es war eine gute Idee, die wir viel zu lange aufgrund von „warten auf ein go“ nicht umgesetzt haben. Die Formate, die wir unter diesem Label angeboten haben (Sprints, Box mit ready-to-use Tools zur bessern Zusammenarbeit, Impulse zur Aufklärung und Vernetzung) haben einen sichtbaren und greifbaren Mehrwert gestiftet. Eine Diskussion um „wer hat das denn freigegeben“ gab es dann nicht mehr.
Learning: Streiche „sollte“, „könnte“, „würde“ und ersetze es mit „mache“!
Fazit: Handlungsspielräume suchen und nutzen
Es gibt immer Handlungsspielräume. Man muss den Mut haben, eben diese zu suchen und auch zu nutzen! Dinge in Frage stellen, Lösungen anbieten, die sofort nutzbar sind. Offen zu sein für andere Herangehensweisen und die Bereitschaft, auch ein Scheitern mal in Kauf zu nehmen. Denn alles ist besser als nichts tun, zum Spielball zu werden oder die Lust an so etwas Spannendem wie agiler Transformation zu verlieren.