Wie muss der Kundenservice der Zukunft aussehen, um erfolgreich zu sein? Dr. Ferri Abolhassan, Geschäftsführer Service der Deutschen Telekom, erläutert im Interview seine Perspektive und zeigt Banken auf, wo Handlungsfelder liegen könnten.
Die Deutsche Telekom ist hierzulande der größte Telekommunikations-Anbieter. Sie ist Netzbetreiber, Internet- und Telefon-Anbieter im Festnetz- und Mobilfunkbereich sowie Online-Dienstleister. Insgesamt rund 75 Millionen Kunden betreut ihr Serviceteam in Deutschland. Das Thema Omni-Channel ist, ähnlich wie für Banken, auch für die Telekom relevant. Nach einer gemeinsamen Studie von Google und Deutscher Telekom nimmt der Anteil der ROPO-Kunden (Research Online, Purchase Offline) massiv zu. So werden 53 Prozent der Mobilfunk- und 52 Prozent der DSL-Verträge via Desktop recherchiert und offline abgeschlossen. 88 Prozent der Mobilfunk-Abschlüsse und 79 Prozent der DSL-Vertragsabschlüsse werden mit Desktop-Recherchen vorbereitet. 40 Prozent der Mobilfunk-Verträge und 32 Prozent der DSL-Verträge werden online abgeschlossen.
Gespräch mit Dr. Ferri Abolhassan, Deutsche Telekom
Über die Anforderungen an einen modernen Kundenservice habve ich mit Dr. Ferri Abolhassan – Geschäftsführer Service der Telekom Deutschland GmbH – gesprochen.
Der passionierte Triathlet und Marathonläufer ist für die seit 1. Januar 2018 neu gebündelten Bereiche Kundenservice, technischer Service, Prozesse und Auftragsmanagement sowie Individual Solutions and Products (ISP) verantwortlich. Seine Aufgabe ist es, einen freundlichen, kompetenten, proaktiven und effektiven Service für die Kunden der Telekom zu organisieren.
Ziel ist die einheitliche Steuerung aller Serviceaktivitäten und deren konsequente Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen. Bewerkstelligen sollen dies die über 30.000 Mitarbeiter an der Servicehotline, in der Beratung von Geschäfts- und Privatkunden bei Mobilfunk- und Festnetzanschlüssen und im Carrier-Geschäft bis hin zu den Außendiensttechnikern.
„Wir wollen Kunden zu Fans machen“
Der Bank Blog: Welches sind die drei wichtigsten Voraussetzungen für guten Kundenservice?
Dr. Ferri Abolhassan: Zunächst mal: Gut sein, genügt nicht mehr. Die Kunden haben heute hohe Ansprüche an den Service. Sie sind es gewohnt, alles sofort auf Knopfdruck zu bekommen. Dadurch erscheinen selbst Wartezeiten von wenigen Sekunden mitunter wie eine Ewigkeit.
Kunden erwarten schnelle und einfache Hilfe, eine Lösung nach nur einer Kontaktaufnahme, Proaktivität und auch intuitive Self-Services – rund um die Uhr, in Echtzeit.
Trotzdem soll der Service menschlich und persönlich sein.
Ich bin überzeugt: Nur, wenn wir diese Erwartung erfüllen oder gar übertreffen, machen wir Kunden zu Fans.
Da sind wir heute noch nicht, aber genau das ist unser Ziel: Wir wollen den besten Service bieten! Dafür müssen wir bei jedem unserer täglich 270.000 Kundenkontakte tadellos sein. Und das – zurück zu Ihrer Frage – gelingt nur durch das perfekte Zusammenspiel aus Menschen, Prozessen und Technik.
Sie brauchen motivierte und kompetente Mitarbeiter, schlanke, effiziente Abläufe und digitale Innovationen, die dem Kunden wirklich etwas bringen. Darum spreche ich in diesem Zusammenhang gern von digitaler Empathie.
Es geht um eine smarte Kombination aus Menschen und technischen Möglichkeiten. Auch wenn alles digitaler wird, bleibt Service eine zwischenmenschliche Aufgabe und Beziehung. Wir müssen uns auf jeden Kunden individuell einstellen. Aus diesem Grund setzen wir neue Technologien immer mit Augenmaß ein. Wir möchten Mitarbeitern und Kunden die Gelegenheit geben, positive Erfahrungen zu machen. Erst das bringt die nötige Akzeptanz.
„Wir meinen es ernst mit unserer Service-Transformation“
Der Bank Blog: Wieviel Prozent des Ertrags investiert die Telekom in den Kundenservice?
Dr. Ferri Abolhassan: Für uns zählen drei Dinge:
- Bestes Netz,
- erstklassige Produkte und
- eben tadelloser Service.
Damit differenzieren wir uns am Markt.
Darum bekommt dieser Bereich ganz viel Aufmerksamkeit. Was die Management Attention angeht, aber auch die Investitionen.
Ohne konkrete Zahlen zu nennen, denn aus Wettbewerbsgründen veröffentlichen wir diese nachvollziehbar nicht: Wir meinen es ernst mit unserer Service-Transformation und lassen uns das auch was kosten. Zufriedene Kunden sind das Wichtigste für Unternehmen, egal ob in der Bankenbranche, im TK-Markt oder in anderen Industrien.
Der Bank Blog: Nach welchen objektiven Kriterien und Kennzahlen messen Sie Servicequalität?
Dr. Ferri Abolhassan: Die Erstlösungsquote, sprich das Kundenanliegen beim ersten Kontakt zu lösen, ist für uns die wichtigste Kennzahl. Hier wollen und müssen wir noch besser werden.
Auch die Termintreue unserer Techniker ist ein ganz wichtiger Hebel für zufriedene Kunden. Da sind wir heute – trotz der Menge von 18.000 Vor-Ort-Terminen am Tag – schon viel besser geworden. Weniger als 2 Prozent der Termine platzen.
Wir können und wollen aber noch zuverlässiger werden. Und wir wollen unseren Kunden künftig sagen, ob der Techniker vormittags oder nachmittags kommt.
An der Hotline bieten wir unseren Kunden einen Rückrufservice an: Allein im April haben rund 600.000 Kunden dieses Angebot genutzt.
Außerdem zählen wir die Beschwerden. Bei 100 Millionen Kundenkontakten im Jahr bleiben die nicht aus. Im vergangenen Jahr haben wir die Beschwerden schon um knapp 20 Prozent reduziert. Auch an diesem Thema bleiben wir dran – mit Leidenschaft, Professionalität und Beharrlichkeit. Denn jede Beschwerde ist eine zu viel!
„Digitalisierung erhöht Erwartungen, schafft aber auch neue Möglichkeiten“
Der Bank Blog: Wie verändert die fortschreitende Digitalisierung den Kundenservice?
Dr. Ferri Abolhassan: Da gibt‘s zwei Dimensionen: Die Erwartungshaltung und die neuen Möglichkeiten, auf diese zu reagieren.
Die Digitalisierung lässt – wie schon gesagt – zum einen die Erwartungshaltung der Kunden steigen. Die Online-Shops sind 24/7 offen. Diese digitalen Erlebnisse färben ab, Stichwort „Liquid expectations“. Die Kunden fragen sich, warum kann mein TK-Anbieter das nicht?
Also müssen wir ein Dutzend Kanäle, über die die Kunden mittlerweile mit uns in Kontakt treten, managen und intelligent verknüpfen: Telefon, E-Mail, Website, Messenger, Apps und zig soziale Netze.
Zum anderen sorgen digitale Technologien auch für neue Möglichkeiten, das Serviceerlebnis weiter zu verbessern. Denn die Digitalisierung hört nie auf. Man kann jeden Tag eine noch bessere Lösung finden. Dafür muss man sich ständig fragen, was nützt dem Kunden und zahlt auf unsere Agenda für besten Service ein – heute und in Zukunft.
Und das tun wir: Auf unserer Online-Plattform „Telekom hilft“ etwa unterstützen sich unsere Kunden schnell und unkompliziert gegenseitig. Mehr als 1 Million Kunden sind inzwischen bei Europas größter Hilfe-Community registriert.
Anderes Beispiel: Robotic Process Automation, kurz RPA, entlastet unsere Mitarbeiter bei Routineaufgaben. 1.500 Roboter haben wir bereits in Betrieb. Die erledigen automatisch 2,9 Millionen Routine-Geschäftsvorfälle im Monat. Unsere Mitarbeiter haben so mehr Zeit für Kundenanliegen.
Spezielle Apps im Außendienst sorgen dafür, dass wir Kundenanschlüsse schneller und einfacher bereitstellen können.
Chatbots beantworten ohne Umwege häufige Fragen der Kunden. Künstliche Intelligenz hilft uns, Kundenanliegen schneller zu analysieren und direkter zu lösen. Und wir können uns vorstellen, mittels intelligenter Spracherkennung die Authentifizierung von Hotline-Kunden künftig noch schneller und einfacher zu gestalten.
Und das ist längst nicht alles.
„Wir wollen Kunden ein möglichst nahtloses Serviceerlebnis bieten“
Der Bank Blog: Sie bieten den Kunden – analog zu Banken – mit den Telekom Shops, ihren Call-Centern und dem Online-Angebot unterschiedliche Zugangskanäle an. Welche Bedeutung haben diese jeweils für Vertrieb und Service?
Dr. Ferri Abolhassan: Das Gros der Kontakte haben wir nach wie vor übers Telefon. Hierüber erreichen uns gut 70 Millionen der 100 Millionen Kundenkontakte im Jahr. Darum ist die Hotline nicht nur der wichtigste Service-Kanal für uns, sondern auch der stärkste Vertriebskanal. Das wird auch sicher noch lange Zeit so bleiben.
Aber die Online-Kanäle sind – vor allem bei den jungen Kunden – stark im Kommen: Bald 20 Millionen Anfragen erreichen uns über Mail oder Social Media – Tendenz steigend. Und immer mehr Menschen informieren sich und bestellen auch Kommunikationsleistungen übers Internet. Wie in anderen Branchen ist hier ein deutlicher Wandel vom stationären zum Online-Handel zu beobachten.
Trotzdem ist es uns wichtig, mit den Shops eine Anlaufstelle für unsere Kunden zu haben, wo persönliche Beratung von Mensch zu Mensch stattfinden kann. Darauf wollen viele Kunden – trotz der technischen Möglichkeiten heutzutage – nicht verzichten.
Der Bank Blog: Ebenfalls analog zum Finanzbereich gilt es auch bei Ihnen das Zusammenspiel der Kanäle zu gestalten. Was tun Sie für ein optimales Omni-Channel-Erlebnis Ihrer Kunden?
Dr. Ferri Abolhassan: Dafür arbeiten wir intensiv an unseren Kanälen und Prozessen. Wir stimmen die Angebote eng aufeinander ab und versuchen, dem Kunden ein möglichst nahtloses Erlebnis zu bieten.
Beispiel: unser „Magic Button“. Den Button gibt’s auf unserer Website und in der MeinMagenta-App. Wenn ein Kunde den klickt, wird er direkt mit einem Kundenberater verbunden und kann sein Anliegen mit ihm besprechen.
Mit „MeinTelekom-Techniker“, einem Link, den wir per SMS an die Kunden senden, können sie sich demnächst zuhause über den Bearbeitungsstatus ihres Anliegens informieren. Außerdem erfahren sie, wann unser Techniker bei ihnen eintrifft.
Und dass ich das online bestellte Smartphones oder SIM-Karten auch im Shop abholen kann, versteht sich inzwischen ja von selbst. Wir arbeiten permanent daran, die Offline- und die Online-Welt noch stärker miteinander zu vernetzen.
Idealerweise können unsere Mitarbeiter jede Aktion nachvollziehen, die in einem der Kanäle gemacht wurde. Doch das ist bei so einiger riesigen Organisation und Systemlandschaft wie unserer einfacher gesagt als getan. Hier brauchen wir noch viel Geduld und Spucke, bis jedes Rädchen nahtlos ineinandergreift.
„Der Kundenservice der Zukunft ist proaktiv“
Der Bank Blog: Welches sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Service der Zukunft. Wo sehen Sie die wichtigsten Veränderungen?
Dr. Ferri Abolhassan: Über die Bedeutung einer nahtlosen Vernetzung der Kanäle haben wir gerade gesprochen. Daneben wird auch die Proaktivität immer wichtiger. In Zukunft wollen wir das Problem des Kunden lösen, bevor er überhaupt bemerkt, dass er ein Problem hat. Und idealerweise können wir mit KI dafür sorgen, dass das Problem gar nicht erst entsteht.
Das ist die hohe Kunst. Antizipieren, was als nächstes passiert, dem Kunden bestmöglich helfen und transparent informieren. Proaktiv, das ist für mich der Service der Zukunft.
„Banken sollten noch stärker die Kundenperspektive einnehmen“
Der Bank Blog: Sie sind ja auch Bankkunde. Welche Empfehlungen würden Sie den Banken und Sparkassen in Bezug auf Kundenservice mit auf den Weg geben?
Dr. Ferri Abolhassan: Ich denke, für den Service der Banken gelten ähnliche KPIs und Erfolgsfaktoren wie in der TK-Branche. Auch die Bankkunden erwarten schnelle und unkomplizierte Hilfe. Und wollen am liebsten erst gar kein Problem kriegen.
Was die brancheneigenen Prozesse angeht, hilft vielleicht ein Blick auf die vielen FinTechs, mit ihren disruptiven Ansätzen.
Es ist Bankkunden heute schwer zu vermitteln, warum sie eine 22-stellige IBAN eintippen und dann gegebenenfalls tagelang auf die Überweisung warten müssen. Bei Anbietern wie PayPal genügen die E-Mail-Adresse und wenige Minuten.
Start-ups wie N26 oder Finanzguru zielen darauf ab, das Banking für den Endverbraucher so einfach wie möglich zu gestalten – zeit- und ortsunabhängig. Ein Smartphone genügt. In dieser Weise sollten auch die etablieren Banken noch stärker die Kundenperspektive einnehmen und ihren Service daran ausrichten.
Denn erfolgreich digitalisieren heißt, die Kundenwünsche ständig besser zu erfüllen. Wie mache ich meinem Kunden das Leben leichter? Das ist für mich die entscheidende Frage, die wir uns täglich aufs Neue stellen sollten.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.