Eine wissenschaftliche Studie hat einen möglichen Grund für die vielen Skandale in der Finanzbranche ermittelt. Sie beschäftige häufig Menschen, die weniger vertrauenswürdig und weniger sozial eingestellt seien.
Vertrauen hat in der Finanzwelt einen besonders hohen Stellenwert. Sie ist die wichtigste Grundlage für die Geschäftsbeziehung zwischen Kunden und Finanzinstituten. Nutzen Banker das ihnen entgegengebrachte Vertrauen aus, indem sie die komplexen Informationen der Finanzwelt besser einschätzen können als ihre Kunden, kann es zu einem Fehlverhalten der Mitarbeiter im Finanzwesen kommen. Das wiederum kann zur Quelle für Skandale und Betrug werden.
Beispiele wie Panama-Papers, LIBOR-Tricksereien, Cum-Ex-Geschäfte oder der Betrug bei Wirecard zeigen dies deutlich. Immer wieder erschüttern derartige Skandale die Finanzindustrie. Das seit der Finanzkrise ohnehin schlechte Image sinkt in der Folge immer tiefer und Kunden, Politik und Gesellschaft verlieren zunehmend das Vertrauen.
Laborexperiment zur Messung der Vertrauenswürdigkeit
In einer gemeinsamen Studie haben nun Professoren der Universitäten Köln, Bonn und Leuven versucht, den Gründen für Finanzskandale auf den Grund zu gehen. In einer experimentellen Langzeitstudie haben sie die Vertrauenswürdigkeit von Studenten der Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt gemessen und festgestellt, dass die am wenigsten vertrauenswürdigen später verstärkt in der Finanzindustrie arbeiten.
Zunächst wurden 265 Studentinnen und Studenten im Jahr 2013 zu ihren Berufswünschen, sozialen Präferenzen und Persönlichkeitsmerkmalen befragt. Zusätzlichen testeten sie in einem computergestützten Laborexperiment, einem sogenannten Trust Game, wie vertrauenswürdig die Studenten sind. Dazu erhielten die Studenten acht Euro und konnten einer zweiten Person einen Betrag zwischen null und acht Euro geben. Der Betrag wurde von den Forschern anschließend verdreifacht und die zweite Person konnte dann entscheiden, wieviel sie hiervon der ersten Person zurückgeben wollte.
Personen, die einen höheren Betrag zurückgaben, galten als vertrauenswürdiger als andere. Das Ergebnis: Studenten, die ihre Karriere in der Finanzwelt planten, waren um 30 Prozent weniger vertrauenswürdig, als solche, die nach ihrem Studium ihren Berufseinstieg in einer anderen Branche sahen. 2019 und 2020 wiederholte das Forschungsteam die Befragung und stellte fest, dass die weniger vertrauenswürdigen Personen auch tatsächlich in der Finanzwelt einen Job angenommen hatten.
Die Studie erinnert an die „Münzwurf-Studie“ der Universität Zürich aus dem Jahr 2015, die Bankern „Unehrlichkeit“ als systematisches Branchenproblem attestierte.
Personalauswahl und Anreize sollten überdacht werden
Banken und andere Finanzinstitute sollten bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter besonderen Wert auf Vertrauenswürdigkeit legen. Die Forscher sehen in ihren Ergebnissen jedoch eine andere Realität. Die Finanzwelt scheint demzufolge weniger vertrauenswürdige Personen im Laufe eines Einstellungsprozesses nicht auszusortieren, sondern tatsächlich einzustellen. Zudem wechseln nur vier Prozent der Arbeitnehmer aus der Finanzbranche in eine andere Branche, was die Auswahl der Mitarbeiter auch auf lange Sicht besonders wichtig mache.
Die Wissenschaftler kommen aber auch zu dem Schluss, dass es gerade das hohe Einkommen sei, das für Berufseinsteiger in der Finanzindustrie ausschlaggebend sei. Ein wichtiger Schritt, um in Zukunft mehr vertrauenswürdige Mitarbeiter anzuziehen, könnte es deshalb sein, in der Branche über eine andere Bezahlung nachzudenken. Allerdings sei weitere Forschung notwendig, um Einstellungsprozesse in der Finanzwelt zu verstehen und Implikationen daraus abzuleiten.
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