Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016 gekürt. Dessen Relevanz gilt nicht nur in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen sondern lässt sich auch für den Bereich Finanzdienstleistung feststellen.
Seit 1977, verleiht eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache jedes Jahr einem bestimmten Wort oder Ausdruck den Titel des „Wort des Jahres“. Nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern seine Signifikanz bzw. Popularität stehen dabei im Vordergrund. Die ausgesuchten Worte sollen das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben. Sie sollen so eine sprachliche Jahreschronik darstellen, sind jedoch mit keinerlei Wertung oder Empfehlung verbunden.
„Postfaktisch“ ist Wort des Jahres 2016
Letztes Jahr kam das Wort „Flüchtlinge“ auf Platz 1, 2014 war es „Lichtgrenze“. In diesem Jahr hat sich die Jury für „postfaktisch“ entschieden.
Das Kunstwort postfaktisch, eine Lehnübertragung des amerikanisch-englischen „post truth“, verweist darauf, dass es in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen heute zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten geht. Immer mehr Menschen scheinen bereit, Tatsachen zugunsten von „Darstellungen und Inszenierungen“ zu ignorieren. Es gilt mehr und mehr eine „gefühlte“ Wahrheit, statt eine „echte“ (sofern es diese denn gibt).
Der postfaktische Markt für Finanzdienstleistungen
Die Jury hat sich bei ihrer Wahl vor allem auf politische Strömungen des ablaufenden Jahres bezogen, sei es die Diskussionen im Vorfeld des Brexit oder im US-Präsidentschaftswahlkampf.
Doch auch im Bereich Finanzdienstleistung kann man bei genauem Hinschauen derartige Tendenzen erkennen, auch wenn ich niemandem ein bewusstes Ignorieren von Tatsachen und die Akzeptanz offensichtlicher Lügen unterstelle. Hier unterscheiden sich Wirtschaft und Politik hoffentlich noch.
Aber in manchen Diskussionen über FinTechs und vor allem in manchen Selbstinszenierungen kann man durchaus den Eindruck gewinnen, die etablierten Banken und Sparkassen hätten den Kampf um den Kunden schon verloren. Gut, wenn dann manche den Blick wieder auf die Realität zurück lenken.
Aber auch das Wehklagen über die Auswirkungen regulatorischen Drucks und niedriger Zinsen dient manchem mehr der Stimmungsmache und der Vertuschung eigener geschäftspolitischer Fehler als dem Beschreiben einer Realität.
Einhalten und Nachdenken ist gefordert
In diesem Sinne sollten wir vielleicht alle öfter mal innehalten und über vermeintliche „Tatsachen“ kritisch reflektieren, um die richtigen Schlüsse zu ziehen…
Was meinen Sie?
Auf Platz 2 der Wahl zum Wort des Jahres landete übrigens „Brexit“, zweifellos ebenfalls mit Relevanz für Finanzinstitute. Und auch Platz 6 „Social Bots“ hat für Banken und Sparkassen Bedeutung, wie vor kurzem hier beschrieben. Und leider auch Platz 10 „Oh, wie schön ist Panama“…