So werden Banken agiler und innovativer

Mit OKR mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen

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Agilität geistert gerade als Buzzword durch die Vorstandsetagen deutscher Banken. Doch erst wenige Institute haben sich nachhaltig in diese Richtung verändert. Die Autoren zeigen, wie sich mit Hilfe des agilen Zielsystems OKR Agilität und Innovation entfachen lassen.

Agilität fördert Innovationen in Banken und Sparkassen

Mithilfe von agilen Werkzeugen und Methoden können Banken und Sparkassen innovativer werden.

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Eine agile Organisation gilt als Voraussetzung dafür, die digitale Transformation zu meistern, Innovationszyklen zu verkürzen und Zusammenarbeit zu stärken. Doch wie kann eine agile Organisation aufgebaut werden? Viele Häuser beschränken sich auf einen Griff in den agilen Werkzeugkoffer und führen einzelne Methoden wie Scrum ein oder bilden abteilungsübergreifende Teams. Dabei wird jedoch häufig verkannt, dass Agilität eine Frage der Einstellung ist, die sich organisationsübergreifend durchsetzen muss.

ING in Vorreiterrolle

Eine Bank, die sich dem agilen Wandel verschrieben hat und ihre gesamte Organisation konsequent auf agiles Arbeiten ausrichtet, ist die ING. Sie setzt dabei auf interdisziplinäre Zusammenarbeit, Eigenverantwortung der Mitarbeiter sowie Einbeziehung der Kunden. Eigens entwickelte sie hierfür den übergeordneten Leitfaden „OAWOW“ (One Agile Way Of Working). Gleichzeitig unterstreicht der Verhaltenskodex „Orange Code“ die Relevanz einer agilen Mentalität mit offener Fehlerkultur und gegenseitiger Unterstützung der Mitarbeiter.

Ein solch umfassendes Programm für die systematische Transformation der Arbeitskultur haben bislang die wenigsten Institute aufgelegt. Zwar finden sich vereinzelte Hinweise auf den zunehmenden Einfluss agiler Prinzipien, wie etwa die Zusammenarbeit mit einem Kundenbeirat, oder die Einführung agiler Methoden. Echten organisatorischen Wandel auf Basis agiler Werte können wir jedoch nicht flächendeckend feststellen: Bereichsübergreifende Interaktion ist eher Ausnahme als Regel, häufig überflüssige Dokumentationen füllen nach wie vor ganze Aktenschränke und eine Planänderung gleicht noch immer einer „Palastrevolution“.

Eine Möglichkeit, die Bestrebung nach mehr Agilität im eigenen Haus auf systematische Beine zu stellen, sind Objectives and Key Results, kurz OKR. Es handelt sich um ein agiles Zielsystem zur Unternehmenssteuerung, mit dem Teams und Mitarbeiter in der gesamten Organisation ihre Arbeit konsequent an den strategischen Zielen des Unternehmens ausrichten können. OKR wurden ursprünglich bei Intel eingeführt und 1999 von Google übernommen und weiterentwickelt. Mittlerweile nutzen zahlreiche Firmen aus unterschiedlichen Industrien weltweit den Ansatz. Auch in der Finanzbranche kommt das Thema langsam an: Neben ING setzt auch N26 auf OKR.

Mit OKR ziehen alle an einem Strang

Im Kern besteht OKR aus den so genannten Objectives, also Zielen, und etwa drei bis fünf Key Results je Ziel. Objectives beschreiben, was in der kommenden Periode erreicht werden soll. Sie sind qualitativ, ambitioniert und inspirierend. Key Results hingegen beschreiben, wie ein Ziel erreicht werden soll. Sie sind quantitativ, eindeutig und messbar. Sind alle Key Results erfüllt, so sollte auch das zugehörige Objective erreicht sein.

Das OKR-Framework für mehr Agilität in Banken und Sparkassen

OKR ist ein aus der Unternehmensstrategie abgeleitetes Steuerungsinstrument auf Basis und zur Entfachung agiler Prinzipien

Solche OKR-Sets werden einmal zu Beginn des OKR-Zyklus, typischerweise ein Quartal, für alle Organisationseinheiten des Instituts entwickelt – angefangen auf Institutsebene über Bereiche, Abteilungen und Teams bis hin zu den OKR-Sets einzelner Mitarbeiter. Die Besonderheit: Ziele werden nicht top down vorgegeben, sondern gemeinsam entwickelt. Eine aktive Beteiligung der Mitarbeiter ist also explizit erwünscht. Dabei sollten die OKR-Sets auf höherer Ebene jeweils als Orientierung für die der darunter liegenden Organisationseinheiten dienen. So ist gewährleistet, dass alle an einem Strang ziehen und der Beitrag eines jeden Mitarbeiters an der Zielsetzung des Instituts klar wird. Am Ende jedes Zyklus wird dann die Zielerreichung durch die gemeinsame Bewertung der Key Results ermittelt.

OKR entfacht Agilität und Innovation

Entscheidendes Merkmal von OKR ist Transparenz. Alle OKR-Sets werden im gesamten Institut jeweils inklusive ihrer Zielerreichung geteilt. Allein hierdurch lassen sich erfahrungsgemäß erstaunliche Effekte realisieren, etwa die Zunahme der Interaktion: Abhängigkeiten und Zielkonflikte können durch die gegenseitige Offenlegung der Ziele frühzeitig erkannt und ausgeräumt werden, noch bevor sie auftreten. Außerdem wirkt OKR gerade in agilen Organisationen positiv auf die Motivation: die Veröffentlichung der Zielerreichung kann mitarbeiterindividuelle Wertschätzung zum Ausdruck bringen, die sonst aufgrund des Fokus auf Teamarbeit möglicherweise verloren gegangen wäre. Die Einführung von OKR ermöglicht daher die konsequente Unternehmenssteuerung mit selbstorganisierten Teams und ist in der Lage, Agilität von innen heraus zu entfachen und für alle Mitarbeiter greifbar zu machen. Gerade der Finanzbranche, in der die Verkörperung agiler Werte und Prinzipien noch in den Kinderschuhen steckt, bieten sich hierdurch erhebliche Chancen.

Nachdem Fintechs der Bankenbranche mit ihrem mutigen und vor allem innovativen Ansatz zunehmend gefährlich werden, wird Innovationsbereitschaft und -geschwindigkeit für Banken zu einem immer bedeutenderen Wettbewerbsfaktor. Die meist vertrieblich dominierten Zielsysteme der Banken greifen hier jedoch häufig zu kurz, weil nur die Vertriebseinheiten einen direkten Beitrag zur Zielerreichung liefern können. Im Gegensatz dazu sind bei OKR alle Organisationseinheiten beteiligt, an die Stelle von Finanzkennzahlen treten die Beiträge der einzelnen Einheiten zur Erreichung der Unternehmensziele. Typische Inhalte von OKR-Sets sind zum Beispiel die Verbesserung der Ablauforganisation, die weitere Digitalisierung von Geschäftsprozessen oder die Intensivierung der internen Zusammenarbeit. Somit fordert OKR in jedem Zyklus, Bestehendes nicht nur zu hinterfragen, sondern auch aktiv an der Weiterentwicklung der Organisation zu arbeiten. Ein „Weiter wie bisher“ gibt es mit OKR nicht, in den Fokus rücken Verbesserungsinitiativen und Innovation.

Ein Schritt nach dem anderen

Dennoch darf die Einführung von OKR nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ein einfaches Überstülpen des OKR-Zielsystems nach Lehrbuch wäre zum Scheitern verurteilt. Eine behutsame, reflektierte und vor allem schrittweise Einführung ist hingegen empfehlenswert. Glücklicherweise bietet OKR zahlreiche Stellschrauben zur Anpassung auf die individuellen Bedürfnisse und Gepflogenheiten eines Instituts, zum Beispiel die Festlegung des OKR-Zyklus, das Transparenzlevel der Zielerreichung von Mitarbeiter-OKRs oder die technische Umsetzung.

Aufsatzpunkt sind dabei die bestehenden Prozesse im Institut. Läuft die Unternehmenskommunikation typischerweise via E-Mail, würden definierte OKR-Sets zunächst auch über diesen Kanal veröffentlicht. Alternativ sind aber auch das Intranet, ein Ticker in der Kaffeeküche oder große Tafeln in den Fluren mögliche Instrumente. Auch der OKR-Zyklus ist eine typische Stellschraube: Um dem agilen Mindset Rechnung zu tragen, sollte er nicht zu lang sein, aber zwischen zwei Wochen und vier Monaten ist alles erlaubt – Hauptsache der Zyklus verträgt sich mit dem bestehenden Geschäftsmodell.

Diese und weitere Stellschrauben werden bei einer agilen Einführung im Rahmen des Feedbackprozesses beleuchtet und bei Bedarf angepasst und erweitert. So trägt dann selbst die Einführung von OKR einen Teil zur Verinnerlichung der agilen Prinzipien bei.


Anna-Lena Kuhlmann - Manager bei Berg Lund & Company (BLC)

Anna-Lena Kuhlmann

Anna-Lena Kuhlmann ist Koautorin des Beitrags. Sie ist Manager bei Berg Lund & Company (BLC) und berät Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche. Thematisch beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit agiler Organisationsentwicklung, der Umsetzung von Digitalisierungsinitiativen und vertriebsstrategischen Fragestellungen.

Über den Autor

Dr. Martin Bernhardt

Dr. Martin Bernhardt ist Partner bei Berg Lund & Company (BLC) und berät Unternehmen aus der Finanzdienstleistungsbranche, der Transportlogistik und der Energiewirtschaft. Thematisch beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit der agilen Transformation, der Etablierung kennzahlenbasierter Steuerungssysteme und dem Aufbau von Programmen zur Steigerung der Energieeffizienz.

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