Die Sparkassen-Finanzgruppe will die Digitalisierung auch im Bereich Firmen- und Geschäftskunden vorantreiben. Darüber, wie dies gelingen soll, habe ich mich mit Markus Schulz (DSGV) und Wolfgang Thomaßen (Finanz Informatik) unterhalten.
Die Ausgangslage ist klar: Unternehmerinnen und Unternehmer erwarten von ihren Sparkassen zunehmend digitale Services, die ihren Betrieben das Geschäft erleichtern. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und die Finanz Informatik (FI) als zentraler IT-Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe haben sich deshalb vorgenommen, die Implementierung des digitalen Beratungs- und Produktangebots in den Sparkassen zu forcieren. Dabei haben sie schon viel erreicht, die Institute müssen die Chancen, die sich für sie aus dem digitalen Angebot ergeben, jetzt konsequent nutzen.
Markus Schulz (DSGV) und Wolfgang Thomaßen (Finanz Informatik) im Interview
Über die digitalen Herausforderungen der Sparkassen im Geschäft mit Firmenkunden habe ich mich mit Markus Schulz und Wolfgang Thomaßen unterhalten.
Markus Schulz ist Leiter der Gruppe Firmenkunden in der Abteilung Vertrieb des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). In seiner Position ist er verantwortlich für den Rollout des Firmenkundenportals und die Weiterentwicklung der „Vertriebsstrategie der Zukunft – Firmenkunden“. Diese beinhaltet die komplette strategische Neuausrichtung der Sparkassen im gewerblichen Bereich, von der Marktaufstellung über das Produkt- und Leistungsspektrum bis zur Vertriebssteuerung. Vor seiner Zeit beim DSGV arbeitete der Diplom-Kaufmann als Prokurist der S-Chancen-Kapitalfonds NRW GmbH (Beteiligungsgesellschaft der Sparkassenverbände in NRW und der WestLB) sowie als Analyst im Spezialkreditmanagement der Sparkasse KölnBonn.
Wolfgang Thomaßen ist Geschäftsbereichsleiter in der Finanz Informatik. Während dieser Zeit hat er bereits unterschiedlichste Themengebiete wie Darlehen, Meldewesen oder auch Landesbausparkassen verantwortet. Zusätzlich sind in seinem Geschäftsbereich einige Grundfunktionen des OSPlus wie der Produktbaukasten oder das Kompetenz- und Rechtesystem angesiedelt. Seit Juli dieses Jahres ist er außerdem Geschäftsführer in der FINMAS GmbH. Vor seiner Zeit bei der Finanz Informatik hat er bei einer rheinischen Sparkasse gearbeitet. Zunächst viele Jahre im privaten und im Firmenkundenkreditgeschäft, später dann in der Organisation.
Die Digitalisierungserwartungen von Firmenkunden sind gestiegen
Der Bank Blog: Herr Schulz, Herr Thomaßen, lassen Sie uns bei den Kunden beginnen. Wie haben sich die Digitalisierungserwartungen der Unternehmen in den letzten Jahren verändert?
Markus Schulz: Die Digitalisierungserwartungen der gewerblichen Kunden sind branchen- und segmentübergreifend gestiegen. Bei kleineren gewerblichen Kunden sind die Erwartungen deutlich höher, weil die Unternehmer digitale Angebote, die sie privat kennen und nutzen, auch auf den geschäftlichen Bereich übertragen wollen. Sie erwarten von ihren Bank- und Finanzierungspartnern zunehmend auch die entsprechenden Angebote. Auch digitale Beratungskanäle werden für sie immer wichtiger, die Filiale ist oft nicht mehr die erste Anlaufstelle. Die Corona-Krise hat diese Entwicklungen nochmal beschleunigt.
Der Bank Blog: Was bedeutet das für die Sparkassen?
Wolfgang Thomaßen: Die Sparkassen sind im persönlichen Beziehungsmanagement mit den Firmenkunden immer noch führend, das ist ihre große Stärke und ein Mehrwert, der unbedingt weiter gepflegt werden muss. Dennoch sollten auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gewerbliche Kunden an die Nutzung des digitalen Angebotes herangeführt werden.
Die Sparkassen sollten ihre digitalen Chancen nutzen
Der Bank Blog: Vor welchen Herausforderungen stehen Sie bei der Implementierung dieses digitalen Angebots?
Wolfgang Thomaßen: Die Herausforderung, vor der wir jetzt stehen, ist der Rollout der Maßnahmen in den Sparkassen. Einige Institute tun sich noch schwer, die Digitalisierung im Firmenkundenbereich nach vorne zu treiben, sowohl in ihrer Gesamtstrategie als auch bei den digitalen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter.
Die Sparkassen sollten die Chancen, die sich für sie aus dem digitalen Angebot ergeben, jetzt konsequent nutzen und Ihre eigenen Projekte stärker danach ausrichten.
Markus Schulz: Mit der Vertriebsstrategie der Zukunft Firmenkunden (VdZ FK) haben wir einen kompletten Neuansatz für den gewerblichen Bereich gemacht, vom Produktspektrum bis hin zur Frage, wie Sparkassen mit den Kunden interagieren.
Fakt ist, dass wir im Vergleich zum Privatkundengeschäft deutlich zurückliegen, was die Multikanal-Interaktionsmöglichkeiten betrifft. Entsprechend ist es ein Ziel innerhalb der Strategie, dass die Kunden im Mengengeschäft in den Mittelpunkt der Interaktion gerückt werden. Das heißt, dass die Kunden bestimmen, über welchen Kanal sie den Kontakt zur Sparkasse aufnehmen wollen. Und hier beobachten wir, dass immer weniger Kunden in die Filialen kommen – auch im gewerblichen Bereich.
Beziehungs-Banking verändert sich gerade
Der Bank Blog: Warum ist das so?
Markus Schulz: Nehmen wir einen Handwerker. Dieser ist den ganzen Tag damit beschäftigt, Umsätze zu erzielen. Das Bankgeschäft liegt nicht in seinem unternehmerischen Fokus. Wenn er sich also damit beschäftigen muss, will er es schnell und einfach erledigen. Deswegen forcieren wir einerseits den Kanal Telefon über die neu geschaffenen „Business Center“ der Sparkassen. Andererseits forcieren wir den Kanal Online, damit der Handwerker sein Anliegen auch abends anbringen kann, wenn er telefonisch niemanden mehr erreicht.
Der Bank Blog: Wird die Beratung in der Filiale in Zukunft überhaupt noch eine Rolle spielen?
Markus Schulz: Wir glauben, dass sich das Beziehungs-Banking gerade verändert. Klar möchte der besagte Handwerker auch noch seine Ansprechpartner bei der Sparkasse haben, gerade in Krisensituationen. Das sieht die Gesamtstrategie grundsätzlich auch vor. Ebenso die Taxifahrerin, sie braucht alle vier bis fünf Jahre ein neues Taxi. Das ist ein kostenintensives, außergewöhnliches Geschäft; und dafür möchte sie auch noch Berater in der Filiale treffen, um die Finanzierung zu besprechen. Bei alltäglichen Geschäften wird die Taxifahrerin jedoch kaum noch in die Filiale kommen.
Der Bank Blog: Welchen Einfluss hat hier das Alter der Unternehmenskunden, wollen die Jungen alles nur noch digital?
Markus Schulz: Das Alter ist ein wesentlicher Punkt. Wenn beispielsweise in Familienbetrieben der Nachwuchs die Führung übernimmt. Wir sehen, dass insbesondere die jüngeren Unternehmerinnen und Unternehmer sagen, dass die Sparkassen digitaler werden müssen. Sie erwarten, dass die Sparkassen ihnen die digitalen Tools anbieten, die ihre Bedürfnisse abbilden – und nicht die Bedürfnisse ihrer Vorgänger.
Das Firmenkundengeschäft kann nicht im Vorbeigehen transformiert werden
Der Bank Blog: Wo gibt es hier die größten Widerstände seitens der Sparkassen?
Markus Schulz: Es ist wie überall auf der Welt, jede Veränderung führt dazu, dass ich mich bewegen muss. Zudem ist es eine Kapazitätsfrage. Keine Sparkasse transformiert ihr Firmenkundengeschäft im Vorbeigehen. Im Gegenteil, dieser Prozess ist immer mit einem Investment in die Zukunft verbunden und da zeigen sich einige Institute noch zurückhaltend.
Dabei geht es gar nicht unbedingt darum, komplett neue Mitarbeiterkapazitäten zu schaffen. Die Sparkassen kommen jedoch nicht umhin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Kapazitäten fachlich anders zu steuern und dementsprechend auch weiterzubilden.
Wolfgang Thomaßen: Kapazitätsprobleme spielen eine wichtige Rolle. Der digitale Nachholbedarf ist im Firmenkundengeschäft deutlich höher als im Privatkundengeschäft. Entsprechend sind die Projekte, welche die Sparkassen jetzt durchführen müssen, mit hohem Personalaufwand verbunden. Deswegen ist es so wichtig, gemeinsam mit den Regionalverbänden an Lösungen zu arbeiten, die die Institute bei der Implementierung unterstützen und die Leistungen in die Häuser hineintragen.
Markus Schulz: Hinzu kommt, die Anforderungen an die Sparkassen beziehen sich automatisch auch auf die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den jeweiligen Instituten. Diese sind gerade im gewerblichen Bereich deutlich höher als im Privatkundengeschäft.
Wenn wir über Digitalisierung im Firmenkundengeschäft sprechen hat das zwei Dimensionen. Zum einen müssen die Beraterinnen und Berater gut mit den digitalen Medien umgehen können. Sie müssen, Stichwort Videokonferenzen, auf digitaler Ebene mit den Kunden interagieren. Zum anderen kommt bei den Firmenkundenberatern noch hinzu, dass sie auch verstehen müssen, wie die Digitalisierung die Wertschöpfungskette ihrer Kunden verändert. Das hat teilweise weitreichende Konsequenzen, insbesondere für Finanzierungsdienstleistungen.
Corona beschleunigt die Digitalisierung im Firmenkundengeschäft
Der Bank Blog: Ganz allgemein, welche digitalen Lösungen und Dienstleistungen wünschen sich die Unternehmen?
Wolfgang Thomaßen: Bei den Zahlungsthemen dreht sich die Nachfrage insbesondere um Girokonten und damit verbunden den Zahlungsverkehr. Dieses Thema steht unangefochten an erster Stelle. Auch Liquiditätsthemen beschäftigen die Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie stellen sich zum Beispiel die Frage, wie sie Liquiditätsengpässe im Betrieb erkennen und beseitigen können. Hier wünschen sie sich entsprechende Produkte, um Finanzierungen abzuwickeln. Wichtig ist bei allem, dass das Lösungsangebot den Unternehmer in seinem Alltag abholt und nicht nur auf das reine Bankgeschäft fokussiert.
Der Bank Blog: Beschleunigt Corona diese Entwicklung?
Wolfgang Thomaßen: Durch Corona hat die Digitalisierung im Firmenkundengeschäft einen Schub erlebt. Die Sparkassen mussten sich in diesem Jahr intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Viele Corona-bedingte Maßnahmen, wie die KfW-Kredite, laufen mindestens im Zuführungsgeschäft überwiegend digital, da führt also kein Weg daran vorbei. Hierdurch stellen sowohl Endkunden als auch Sparkassen und deren Mitarbeiter im Firmenkundengeschäft fest: Auch Firmenkundengeschäft funktioniert digital!
Apps sind wichtiger Teil der Multikanal-Interaktion
Der Bank Blog: Welche Rolle spielen Smartphone-Apps für Firmenkunden?
Markus Schulz: Apps sind, aus der strategischen Perspektive, ein Teil dieser Multikanal-Interaktion. In unserer Vertriebsstrategie haben wir identifiziert, dass wir einen Bedarf an App-Lösungen für den gewerblichen Bereich haben. Für die Segmente der Unternehmens- und Firmenkunden, die zum Beispiel Zahlungen freigeben oder einen direkten Kanal zu ihrem Sparkassen-Berater haben wollen, hat die Star Finanz das Finanzcockpit entwickelt.
Im Mengengeschäft mit den Geschäfts- und Gewerbekunden sowie Freischaffenden ist es wiederum wichtig, für die Betriebe Mehrwerte zu schaffen. Das können beispielsweise Buchhaltungslösungen sein, die den Anwendern ermöglichen, ihren Zahlungsverkehr mit ihrer Buchhaltung zu verbinden.
Wolfgang Thomaßen: Bei den Apps hat die Star Finanz, gerade für spezialisierte Themen, schon ein gutes, ergänzendes Angebot. Dazu gehört zum Beispiel auch die App Unterschriftenmappe, um Zahlungsverkehrsvorgänge freizugeben. Es müssen aber auch Themen wie die Informationsaufnahme Serviceprozesse oder das Liquiditätsmanagement am Ende des Tages auf Apps funktionieren.
Das App-Angebot wird daher aktuell um eine weitere App unter dem Arbeitstitel Small Business Solution ausgebaut. In dieser App wird dann auch eine Verbindung zu einer Buchhaltungsanwendung zur Verfügung stehen. Parallel wird diese Buchhaltungsanwendung dann auch im Firmenkundenportal der Sparkassen bereitstehen und dem Endkunden in seinem unternehmerischen Alltag Mehrwerte bieten.
Sparkassen müssen die das vorhandene Angebot nutzen
Der Bank Blog: Was müssen die Sparkassen noch tun, um die Digitalanforderungen ihrer Kunden abzubilden?
Wolfgang Thomaßen: Der DSGV und die FI haben – mit Unterstützung des DSV und der Regionalverbände – konsequent an der strategischen Ausrichtung gearbeitet und die entsprechenden technischen Lösungen stehen zur Verfügung. Wir sind gut aufgestellt. Jetzt kommt es darauf an, dass die Sparkassen dieses Angebot auch konsequent nutzen.
Markus Schulz: Der entscheidende Punkt ist, dass wir uns auf den Weg gemacht haben und schon viele Funktionalitäten zur Verfügung stehen. Wir sind aber noch lange nicht fertig. Die Sparkassen können sich darauf verlassen, dass wir diesen Weg, den wir jetzt eingeschlagen haben, auch konsequent zu Ende gehen werden. Wir werden das Firmenkundengeschäft strukturiert weiterentwickeln und dabei alle Vertriebskanäle intensiv mitbearbeiten.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.
In einem neuen Whitepaper zur Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts beleuchtet die Star Finanz Innovations-, Produkt- und Lösungsstrategien ausgewählter Unternehmen. Das Whitepaper gibt Einblicke in die vielschichtige Praxis der Digitalisierung deutscher Finanzdienstleister.