Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie setzen viele Politiker zunehmend auf die Einschränkung von Grundrechten und auf Reglementierung. Der Staat mischt sich immer stärker ein, vernachlässigt aber dabei seine originären Aufgaben.
Das IWH-Institut geht wegen der aktuellen Lockdown-Einschränkungen für das erste Quartal 2021 von einem BIP-Rückgang um 0,7 Prozent aus. Ohne die robuste Nachfrage aus dem Ausland würde das Minus noch größer ausfallen. Erst im zweiten Quartal werde die Wirtschaftsleistung mit 1,5 Prozent wieder wachsen. Der Ökonom Lars Feld hält „trotz der aktuellen Impfprobleme“ für das Gesamtjahr immer noch eine Drei vor dem Komma für möglich. Das Vorkrisenniveau werde die Wirtschaft allerdings erst Mitte 2022 erreichen. Und die Rückkehr auf den Wachstumspfad werde noch mindestens bis 2024 dauern.
Erstaunlich optimistisch fällt die Winterprognose der EU-Kommission aus: Danach soll die Wirtschaft im Euroraum 2021 und 2022 um jeweils 3,8 Prozent wachsen und damit ihr Vorkrisenniveau im nächsten Jahr erreichen. Diese Durchschnittsprognosen sind allerdings mit mehreren Fragezeichen zu versehen. Die EU-Kommission geht nämlich davon aus, dass Spanien, Italien und Frankreich, die 2020 BIP-Rückgänge um 11,0 Prozent, 8,8 Prozent und 8,3 Prozent zu verkraften hatten, schon im laufenden Jahr Spitzenwerte bei der konjunkturellen Erholung erzielen werden. Diese Erwartung dürfte nicht ganz frei von Wunschdenken sein. So soll Spanien um 5,6 Prozent zulegen, Frankreich um 5,5 Prozent und Italien um 3,4 Prozent. Für Deutschland rechnen die Brüsseler Experten dagegen nur mit einem unterdurchschnittlichen BIP-Anstieg um 3,2 Prozent.
„Gemeinsamer EU-Haushalt“
Der neue italienische Ministerpräsident Draghi, der als früherer EZB-Chef und Motor einer unzulässigen Staatsverschuldung in die Geschichte eingegangen ist, wünscht sich eine „stärker integrierte EU, die in einen gemeinsamen Haushalt mündet und in der Lage ist, die Mitgliedsstaaten in Zeiten der Rezession zu unterstützen“. In diesem Sinne wolle er die Beziehungen seines Landes zu Deutschland stärken.
Diese Ankündigung muss auf kritische Zeitgenossen, die den Marsch in eine europäische Transfer- und Schuldenunion mit Sorge beobachten, wie eine Drohung wirken. Abzuwarten ist, welche Halbwertzeit die 67. italienische Regierung seit Kriegsende haben wird. Die durchschnittliche Amtszeit belief sich bemerkenswerterweise auf nur 1,1 Jahre.
Es war übrigens Herr Draghi, der mit seiner vorrangig auf die Interessen der EU-Schuldenländer ausgerichteten Zinspolitik vor allem Deutschland ein ebenso schweres wie teures Erbe hinterlassen hat. Einer neuen Untersuchung zufolge hat die „Whatever it takes“-Strategie den deutschen Sparern seit 2009 Verluste in Höhe von über 255 Mrd. Euro beschert. Im Dezember 2020 wurde mit 3,04 Mrd. Euro ein monatlicher Höchstwert verzeichnet. Nachvollziehbar werden diese eher abstrakt wirkenden Zahlen am Rechenbeispiel eines Kleinanlegers, der 2013 10.000 Euro zur (vermeintlichen) Mehrung auf ein normal verzinstes Tagesgeldkonto eingebracht hat. Bis Ende 2020 hat sich diese Summe durch minimale Zinsen auf nominal 10.294 Euro erhöht. Unter Einbeziehung der von der EZB gewollten Inflation sank die reale Kaufkraft jedoch auf 9.49 Euro. Dass diese bewusste Enteignung auch institutionelle Großanleger trifft, zeigt das Beispiel der Deutschen Rentenversicherung, die allein zwischen 2017 und 2022 rund 355 Mio. Euro an Strafzinsen zu zahlen hat, was den monatlichen Beitragszahlungen von über 550.000 Durchschnittsverdienern entspricht.
Marktwirtschaft & Mittelstand
Trotz der vielfältigen Versuche in Politik und Medien, das System der sozialen Marktwirtschaft mit schnödem Manchester-Kapitalismus gleichzusetzen und für alle Fehlentwicklungen dieser Welt verantwortlich zu machen, scheinen die Deutschen gut zu wissen, was sie dem Erbe von Ludwig Erhard zu verdanken haben. So haben bei einer neuen Studie 78 Prozent der Befragten erklärt, dass sich unsere Wirtschaftsordnung bewährt habe. 56 Prozent halten die staatliche Regulierung in der Wirtschaft für „gerade richtig“. Im Vergleich zu früheren Befragungen hat die Anerkennung gerade in der Corona-Krise zugenommen.
Die hohe Akzeptanz ist vorrangig auf das positive Bild der mittelständischen Unternehmen in der Öffentlichkeit zurückzuführen, die mit 3,5 Mio. Betrieben 99,5 Prozent aller Firmen ausmachen. Wie viele Familienunternehmen ihren in Existenznot befindlichen Inhabern derzeit schlaflose Nächte verursachen, kann nur erahnt werden. Und wie viele Firmen noch der Pandemie bzw. deren Bekämpfung zum Opfer fallen werden, ist aktuell nicht absehbar.
Mehr Reglementierung – weniger Eigenverantwortung
Die Pandemie wird von vielen Akteuren genutzt, um möglichst „unauffällig“ ihre politischen Intentionen zu verfolgen und durchzusetzen. Das gilt im Inland bei immer neuen Sozial- und Klima-Projekten ebenso wie auf europäischer Ebene bei Bestrebungen zur Erreichung und Festschreibung der Transfer- und Schuldenunion. Außerdem wächst im Wahljahr bekanntlich die parteipolitische Neigung, Wähler mit unterschiedlichsten Wohltaten und Gefälligkeiten zu beglücken. Dieses merkwürdige Mixtum compositum bestimmt das politische Geschehen und beschleunigt den ohnehin starken Trend, der auf mehr Staat und weniger Marktwirtschaft, mehr Reglementierung und weniger Freiheit sowie mehr Umverteilung und weniger Eigenverantwortung setzt.
Planwirtschaftliches Denken, das unter dem Deckmantel der Solidarität daherkommt, ist dabei, sich auf leisen Pfoten zusätzliche Aktionsfelder und Spielräume zu erobern. So hat die „Energiewende“ durch planwirtschaftliche Eingriffe die Preise erheblich erhöht und die Versorgungssicherheit gefährdet. So hat die Automobilindustrie nicht nur mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen, sondern auch mit den politisch gewollten Verboten von Verbrennungsmotoren.
Mehr als paradox ist: Der deutsche Staat, der sich immer stärker einmischt in private Freiräume seiner Bürger und in die unternehmerische Zukunftsgestaltung, versagt bei der Wahrnehmung seiner originären Aufgaben wie der inneren und äußeren Sicherheit, dem Rechtswesen, der Bildung, der Infrastruktur und den digitalen Rahmenbedingungen. Dieser Wirtschaftsstandort segelt derzeit ohne nachvollziehbare Kursbestimmung schlingernd in zunehmend schwerer See.
Lebensnotwendig wäre gerade im Wahljahr 2021 zumindest eine Partei, die programmatisch und personell glaubwürdig steht für die pragmatische Rückbesinnung auf die einzigartigen Systemvorteile der Marktwirtschaft und dafür antritt, sie von unnötigen Fesseln und bürokratischen Hemmnissen zu befreien. Aber dieses Partei-Angebot scheint nicht mehr verfügbar zu sein. Ein von Politikern und Medien seit Jahrzehnten vorgeführter Taschenspielertrick kann jedenfalls nicht mehr überzeugen. Oft sind es dieselben Akteure, die einerseits die Belastbarkeit der Wirtschaft – frei von ökonomischem Sachverstand – bis ans Limit testen wollen und andererseits die dadurch eingeschränkte Beweglichkeit und Effizienz der Unternehmen im Deckmantel der „Systemkritik“ an den Pranger stellen.