Auf der Suche nach neuen Erträgen gewinnen nachhaltige Geschäftsmodelle in der Finanzbranche immer mehr an Bedeutung. Viele Banken und Sparkassen entdecken die Chancen durch Nachhaltigkeit sowohl für die Kunden als auch für das eigene Institut.
Nicht erst seit dem Koalitionswechsel in Deutschland und der Aufnahme der Tätigkeiten der neuen Bundesregierung hat der Nachhaltigkeitsgedanke wieder an Fahrt gewonnen. Auch durch internationale Entwicklungen nach dem Pariser Klimaabkommen und den Verhandlungen um europäische und nationale Klimabeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) ist dem Großteil der Gesellschaft die Bedeutung dieses Veränderungsprozesses bewusst.
Finanzinstitute entdecken Nachhaltigkeit
Infolge dieses gesellschaftlichen Wandels, der von einem Nachfrageanstieg nach nachhaltigen Alltagsprodukten, erneuerbaren Energien oder E-Mobilität geprägt ist, versuchen auch diverse Finanzdienstleistungsunternehmen dies in ihre Geschäftsmodelle aufzunehmen. Hierbei stellen sich nicht nur in der Strukturierung der Produkte, sondern insbesondere auch in der Betrachtung von Risiken und Cashflows neue Herausforderungen dar. Das nachhaltige Produkte mit einem beachtlichen Finanzierungsbedarf in Zukunft eine zunehmend wichtigere Rolle spielen werden, ist dabei nicht erst seit den immer deutlich werdenden regulatorischen Anforderungen in der Finanzbranche angekommen.
Wenn man den jüngsten Worten von Blackrocks CEO Larry Fink aus seinem jährlichen Brief an die CEOs der größten Unternehmen der Welt Glauben schenken möchte, sein die nächsten 1.000 Unicorns diejenigen, „die der Welt bei der Dekarbonisierung helfen und die Energiewende für alle Verbraucher erschwinglich machen“, was die Markteinschätzung auf Anbieter- und Nachfrageseite eindrucksvoll unterstreicht. Auch wenn Kritiker berechtigterweise hierbei einen weitergefassten Ansatz von Nachhaltigkeit potenziell vermissen, untermauert die Einschätzung des größten Vermögensverwalters der Welt das Potential des Sektors.
Kreditinstitute suchen neue Ertragsquellen
Allein im Jahr 2020 sind die Erträge der deutschen Kreditinstitute um 1,9 Milliarden auf 118,6 Milliarden Euro gesunken. 2021 lagen die Erträge im klassischen Privatkundengeschäft lediglich bei 47,1 Milliarden Euro. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Gesamtlage ausgelöst durch die Corona-Pandemie ist mit einem weiteren Rückgang in diesem Jahr zu rechnen. Damit einhergehend ist davon auszugehen, dass Banken in Zukunft mit vermehrten Kreditausfällen konfrontiert sind, da für zahlreichen Privat- und Geschäftskunden ausgelöst durch die Pandemie Ertragsquellen ausbleiben. Ebenfalls ist auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie ein signifikanter, baldiger Zinsanstieg zumindest Bestandteil anhaltender Diskussionen.
Aufgrund des skizzierten Marktumfelds suchen Kreditinstitute einerseits neue Ertragsquellen, andererseits sind die Institute auf eine konsequente Kostenreduzierung bedacht. Um neue Zielkunden zu akquirieren, Erträge auszuweiten und um den allgemeinen Trend der Nachhaltigkeitsdebatte gerecht zu werden, sind zahlreiche Banken an der Etablierung nachhaltiger Finanzprodukte interessiert.
Banken entdecken den Nachhaltigkeitsgedanken für sich
Studien ist zu entnehmen, dass bereits zwei Drittel der deutschen Kreditinstitute ihr Geschäftsmodell in unterschiedlichen Ausprägungen kurz- bis mittelfristig nachhaltig ausrichten wollen. Nicht nur aufgrund der Diskussion zum Klimawandel in den letzten Jahren oder den aktuellen immer populärer werdenden Diskussionen um ESG-Aspekte (Environmental, Social & Governance) ist ein Großteil der zunehmend investitionsbereiten Bevölkerung an nachhaltigen Produkten auch im Finanzverkehr interessiert.
Studien ist noch ein relativ unklares Bild zu entnehmen, ob Kunden für nachhaltige Geschäftsmodelle wirklich mehrheitlich bereit sind einen höheren Preis zu zahlen, obgleich das gesehene Potential von Nachhaltigkeitsinvestitionen durch das Engagement auch von Privatanlegern in u.a. ESG-Fonds beachtliche Evidenz findet.
Leitplanken für nachhaltige Finanzprodukte
Damit ein Kreditinstitut seine Finanzprodukte als nachhaltig klassifizieren darf, müssen zentrale EU-Richtlinien erfüllt werden. Mit Hilfe dieser regulatorischen Leitplanken kann eine hohe Transparenz aus Verbrauchersicht sichergestellt werden. Zunehmende Unterstützung bei der Eingrenzung und Ableitung nachhaltiger Anlagestrategien bzw. Finanzprodukte erfährt die europäische Branche dabei durch die EU-Taxonomie.
Das Potential des Nachhaltigkeitsgedanken erstreckt sich nicht nur auf viel diskutierte grüne Anleihen oder allgemeine nachhaltige Anlagestrategien, sondern insbesondere auch auf die Projektfinanzierung und Kreditvergabe, u.a. an die bereits von Larry Fink hervorgehobenen Unternehmen.
So werden im Zuge dieser Strategien u.a. in Projekte investiert, die sich klassisch der Mitigation und Adaption zuordnen lassen. Dass es sich hierbei um einen starken Wachstumsmarkt handelt, untermauern neben privatwirtschaftlichen Positionierungen auch die staatlichen erheblichen Selbstverpflichtungen zu Investitionen in beiden Bereichen. So referenzieren u.a. die OECD sowie die Weltbank einen jährlichen Investitionsbedarf von Infrastrukturprojekten in Höhe von mittleren bis hohen Billionenbeträgen. Auswirkungen der Corona-Krise haben die Wichtigkeit und Notwendigkeit dabei nochmal untermauert und in Teilen verschärft. Aufgrund dessen gehört die Nachhaltigkeit zwangsläufig zu einem Megatrend der letzten Jahre sowie der nächsten Dekaden.
Nachhaltige Anlagestrategien gewinnen an Bedeutung
Im Anleihemarkt werden in den letzten Jahren immer mehr sogenannte Green Bonds emittiert. Hierbei handelt es sich um Anleihen, die dem Umwelt- und oder Klimaschutz dienen. Diesen festverzinslichen Wertpapieren liegen entsprechende Rahmenwerke zugrunde, die sich unter anderem an nachhaltiger Regulatorik anlehnen. Hinzu kommen regelmäßig auch selbstaufgelegte, investitionsspezifische Elemente. Verallgemeinernd verpflichtet sich der Emittent dazu, die bei der Emission von Green Bonds erhaltenen liquiden Mittel für Maßnahmen des Klima- und oder Umweltschutzes einzusetzen. Hierbei überwiegt auf privatwirtschaftlicher Ebene das Engagement bei der Mitigation dem der Adaption. Allein in den vergangenen Jahren wurden mitunter Spitzen des Volumens von Green Bonds von mehr als 250 Milliarden US-Dollar erreicht. Dies entspricht im Verhältnis einer Verdreifachung des Niveaus gegenüber 2016.
Neben der Option in festverzinsliche grüne Anleihen zu investieren, existieren auch diverse ethisch-ökologische Investmentfonds. Diese Fonds agieren angelehnt an herkömmliche aktiv gemanagte Fondprodukte mit dem Unterschied, dass zusätzliche Anlagekriterien definiert werden. So werden beispielsweise Unternehmen, welche u.a. in der Waffen- oder Rüstungsindustrie angesiedelt sind, vermieden. Ferner werden keine Investitionen in Einzelwerte getätigt, welche gegen Arbeits- oder sogar gegen Menschenrechte verstoßen bzw. ein Verdacht besteht. Im Jahre 2020 nehmen nachhaltige Fonds bereits 5,4 Prozent des gesamten deutschen Fondmarktes ein.
Abgeleitet aus der steigenden Planung von Mitigations- und Adaptionsprojekten, ergibt sich für den Kreditmarkt ein wichtiges Geschäftsfeld. Insbesondere im Bereich erneuerbarer Energien mit einem hohem Investitionsbedarf verstärkt eine hohe Nachfrage das Projektaufkommen. Die Investierbarkeit für Anleger möglich zu machen, ist dabei eine Chance des Finanzsektors, Risiken zu verteilen und neue Ertragsquellen zu erschließen. Letztlich wird eine steigende Transparenz und Anforderungen an das Berichtswesen von Unternehmen helfen, qualitative Aspekte im Bereich nachhaltiger Investitionen immer besser zu verstehen und zu nutzen.
Beispiele nachhaltiger Banken
Einige Banken verfolgen den Nachhaltigkeitsgedanken intensiver, so dass diese ihr gesamtes Geschäftsmodell nachhaltig ausrichten. So selektieren diese Kreditinstitute nicht nur Anleihen und Fondprodukte unter nachhaltigen Gesichtspunkten, sondern geben ebenfalls Spezialkredite heraus oder finanzieren ausschließlich nachhaltige, soziale Projekte bzw. erneuerbare Energien.
Zu den prominenten deutschen „nachhaltigen“ Banken gehören die GLS Bank, KD-Bank Bank für Kirche und Diakonie, Triodos Bank, UmweltBank und die EthikBank. Insbesondere nach der Finanzmarktkrise, beginnend ab dem Jahre 2007, konnten Banken mit alternativen und nachhaltigen Geschäftsmodellen ihre Kundenanzahlen steigern. Großer Vorteil dieser Banken ist, dass sie ihr Handeln möglichst transparent gestalten. So agiert die GLS Bank bei der Kreditvergabe durchaus offener als im Vergleich zu traditionellen Kreditinstituten. Durch diese Methodik kann diese Geschäftsstrategie unter anderem dazu beitragen, die Attraktivität für Kunden in den kommenden Jahren zu verbessern.
Nachhaltige Geschäftsmodelle werden zur Pflicht
Die obigen Schilderungen unterstreichen, dass sich das Bankgeschäft in den kommenden Jahren weiter verändern muss. Neben der notwendigen digitalen Transformation werden sich weitere nachhaltige Geschäftsmodelle in der Bankenbranche etablieren. Das eine hohe Nachfrage nach nachhaltigen Produkten in sämtlichen Bereichen besteht, ist zahlreichen öffentlichen Medien zu entnehmen. Es ist zu erwarten, dass das Thema, ähnlich wie die Digitalisierung, einen bedeutenden Platz einnehmen wird. Im betriebswirtschaftlichen Kontext wird jedenfalls bereits seit einiger Zeit diskutiert, ob die traditionellen Anlageziele Liquidität, Rendite und Sicherheit durch die Nachhaltigkeit ergänzt werden sollte.
In Zukunft bleibt spannend zu verfolgen, welchen Marktanteil nachhaltige Geschäftsmodelle einnehmen werden. Das Wachstum ist mitunter von zwei zentralen Aspekten tangiert. Einerseits bedarf es einer weiterhin attraktiven Rendite im Vergleich zu anderen Anlagestrategien. Andererseits sind negativen Schlagzeilen beispielsweise im Kontext von Greenwashing vorzugreifen und zu entgegnen. Nur hierdurch kann sichergestellt werden, dass Verbraucher auch zukünftig nachhaltige Finanzprodukte alternativen Investmentmöglichkeiten vorziehen.
Zweifelsohne kann mit Blick auf die aktuelle Marktentwicklung der Apell ausgesprochen werden, dass sich Kreditinstitute stärker um nachhaltige Anlagestrategien oder Geschäftsmodelle bemühen sollten. Unter anderem kann diese Strategiediversifikation ein Teil des zukünftigen Bankgeschäftes ausmachen.
Lars Klingenberger, M. Sc., ist Koautor des Beitrags. Der zertifizierte Experte für Sustainable Finance hauptberuflich im Bereich Planning & Performance Management in einem Energieunternehmen tätig und freiberuflicher Dozent an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management. Er promoviert aktuell am Department Finance an der Masaryk Universität an der Fakultät für Economics und Administration in Brünn.
Ein Kommentar
Spannender und gelungener Beitrag! Spannend. Wichtig zu erwähnen wäre noch: viele Sparkassen und Banken aus dem VR-Sektor verschenken beim Nachhaltigkeitsthema ihren Vorsprung. Denn sie sind per definitionem (Genossenschaftssektor) oder durch ihr Geschäftsmodell dem Gemeinwohl und dem sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit verpflichtet. Und setzen dies ja auch seit Jahrzehnten um.
Nachhaltigkeit ist mehr als nur Klima und Ökologie, sie hat auch die Dimensionen soziale und ökonomische Nachhaltigkeit. Das vergessen leider viele Kreditinstitute und Finanzdienstleister, und setzen ausschließlich auf das CO2-Reduktion / Klimaneutralität. Das merken wir bei unseren Nachhaltigkeitsberatungen leider auch immer wieder. VR-Banken und Sparkassen sollten viel stärker dieses „Nachhaltigkeits-As“, das sie im Ärmel haben, spielen!
Viele Grüße aus Nürnberg
Anette Rehm