Im Dauerkrisenmodus zwischen Pandemie und Ukraine-Krieg. Welche Folgen hat das für Kleinunternehmen? Eine aktuelle Studie von VR Smart Finanz und der Steinbeis-Hochschule liefert neue Erkenntnisse – auch für Banken.
Kleinunternehmen waren besonders stark von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen. Zwar nehmen inzwischen die pandemiebedingten Einschränkungen immer mehr ab, aber der Ukraine-Krieg bringt neue Belastungen mit sich. Kommen kleine Betriebe aus dem Krisenmodus nicht mehr heraus?
Tatsächlich erweisen sie sich im Umfeld der aktuellen Krise als relativ robust, das zeigt die gemeinsame Studie „Kleinunternehmen im Fokus“ von VR Smart Finanz und der Steinbeis-Hochschule aus dem Frühjahr/Sommer 2022. So halten die meisten Befragten trotz der aktuellen Herausforderungen wie Rohstoffmangel, Energiekostenanstieg oder Lieferkettenprobleme an ihrer Investitionsplanung fest: Mehr als zwei Drittel wollen trotzdem wie geplant oder sogar verstärkt investieren.
Kleinunternehmen haben hohen Liquiditätsbedarf
Dennoch bleibt der Krieg nicht folgenlos. Die befragten Unternehmen erleben insbesondere die hohen Energiepreise und die Inflation als Belastung und haben darauf bereits mit Preisanpassungen reagiert. Auf der anderen Seite gehen die negativen Auswirkungen der Pandemie allmählich zurück, auch wenn Liquiditätsengpässe im Vergleich zu 2019 zugenommen haben. So ist der Anteil der Kleinunternehmen, die 2022 über Existenzängste klagen, im Vergleich zum Beginn der Pandemie gesunken. Die Auftragslage hat sich bei mehr als zwei Dritteln durch die Lockerungen der Corona-Maßnahmen stabilisiert oder im Vergleich zum Vorkrisenniveau sogar verbessert.
Aus der Analyse wird deutlich, dass bei Kleinunternehmen trotz oder gerade aufgrund der aktuellen Herausforderungen ein hoher Liquiditätsbedarf besteht, zum Beispiel für Investitionen oder zur Wachstumsfinanzierung. Diese Erkenntnis stützen auch gesamtwirtschaftliche Auswertungen, die ungeachtet der eingetrübten Geschäftserwartungen einen kontinuierlichen Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen und des Kreditneugeschäfts aufzeigen. Eine ähnliche Entwicklung beobachtet auch die VR Smart Finanz, die sich als digitaler Gewerbekundenfinanzierer auf einfache, schnelle Lösungen für Kleinunternehmen spezialisiert hat. So verzeichnete sie in den letzten Monaten einen deutlichen Anstieg der Anfragen nach ihrem flexiblen Unternehmerkredit und nach Objektfinanzierungen wie Mietkauf oder Leasing.
Investitionen in nachhaltige Technologien werden wichtiger
Dabei kommen Nachholinvestitionen zum Tragen, die pandemiebedingt aufgeschoben wurden. Aber auch Zukunftsinvestitionen, etwa in energieeffiziente und nachhaltige Technologien, rücken zunehmend in den Vordergrund. Rund die Hälfte der befragten Kleinunternehmen gab an, Investitionen in Energiekonzepte zu planen. Dies ist nicht allein der aktuellen Energiekrise geschuldet, sondern auch Ausdruck eines grundsätzlich hohen Interesses von Kleinunternehmen an einer nachhaltigen Transformation.
So gab im Rahmen der Befragung eine deutliche Mehrheit der Unternehmen an, Vorteile in einer nachhaltigen Ausrichtung des Geschäftsmodells zu sehen, etwa hinsichtlich der Firmenausstattung oder auch der Prozesse. Knapp die Hälfte der Kleinunternehmen benötigt bei der Umsetzung finanzielle und/oder fachliche Unterstützung. Es ist aber auch die Bereitschaft da, Geld dafür in die Hand zu nehmen.
Digitale Vertriebskanäle gewinnen an Relevanz
Ein wachsender Anteil der Kleinunternehmen sieht dabei Fremdkapital als Faktor für Wachstum an, auch wenn gerade in diesem Kundensegment noch Vorbehalte gegen Fremdfinanzierungen bestehen. Wenn sich die Befragten für eine Finanzierung entscheiden, ist eine hohe Flexibilität neben attraktiven Konditionen der wesentliche Erfolgsfaktor. Aber auch die Möglichkeit des Onlineabschlusses ist für viele Kleinunternehmen eine wichtige Option. Alternative Vertriebskanäle wie Vergleichsportale gewinnen in diesem Zusammenhang an Relevanz. Die Affinität zu Digitalisierung ist – wenig erstaunlich – gerade bei der jüngeren Unternehmergeneration hoch. So plant die Mehrheit der jüngeren Befragten, künftig digitale Tools im Firmenalltag einzusetzen und nutzt vor allem Social Media für die betriebliche Informationsbeschaffung.
Der durch die Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub im Banking und Finanzalltag von Kleinunternehmen hält also nach wie vor an und gewinnt insbesondere in der Bankenansprache jüngerer Firmenkunden an Bedeutung. Das betrifft sowohl die Kommunikationskanäle als auch die Vertriebswege. Digitale Vertriebskanäle werden immer wichtiger, um die Kunden zu erreichen, etwa über eine Onlineabschlussstrecke auf der Bankenwebsite oder über Finanzierungsplattformen, die zunehmend an Relevanz auch im gewerblichen Bereich gewinnen.
Kleinunternehmen als relevante Kundenzielgruppe für Banken
Rund 97 Prozent aller Betriebe in Deutschland gehören zu Kleinunternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 6 Millionen Euro. Hierzu zählen etwa kleine Handwerksbetriebe, Einzelhändler oder Dienstleister, die oftmals familiengeführt sind und meist nur einen kleinen Mitarbeiterstamm haben oder sogar als Ein-Personen-Betrieb geführt werden. Sie tragen nicht nur erheblich zur Wertschöpfung in Deutschland bei, sondern sind auch eine hoch relevante Kundenzielgruppe für Banken.
Um zu verstehen, welche Anforderungen und Bedürfnisse dieses wichtige Kundensegment hat, führt die VR Smart Finanz gemeinsam mit dem CFin – Research Center For Financial Services der Steinbeis-Hochschule seit dem Jahr 2019 regelmäßig Zielgruppenstudien durch. Betrachtet werden dabei die Cluster Geschäfts- und Gewerbekunden sowie der kleinere Mittelstand bis etwa sechs Millionen Euro Jahresumsatz. Für die Studie 2022 wurden zu zwei Erhebungszeitpunkten (März/Juli 2022) insgesamt 450 Unternehmen online befragt, bei der Befragung im Juli standen die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs im Fokus.
Professor Dr. Jens Kleine ist Koautor des Beitrags. Er ist Studienleiter sowie Professor für Bank Management und Finanzwirtschaft am CFin – Research Center for Financial Services. Davor war er Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung und Finanzdienstleistungen an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Vor seiner Hochschultätigkeit war er u.a. bei Mercer Oliver Wyman und Kienbaum Management Consultants in der Beratung von Finanzunternehmen tätig.