Die EU-Taxonomie ist hochkomplex, ihre Umsetzung innerhalb der Betriebe eine große Aufgabe. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass viele Unternehmen den Aufwand zur Implementierung unterschätzen. Zumindest das Bewusstsein für notwendige Schritte sei jedoch vorhanden.
Im vergangenen Jahr stellte die Europäische Union ihre Taxonomie-Verordnung vor. Die EU-Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, mit dem Brüssel definiert, welche Wirtschaftstätigkeiten in Europa als nachhaltig gelten. Um an die wichtigen Kennzahlen über die Tätigkeiten der Unternehmen zu gelangen, ist die Europäische Union auf die betroffenen Betriebe selbst angewiesen: Ab dem Geschäftsjahr 2021 müssen sie Brüssel einen Nachhaltigkeitsbericht liefern. Ab 2023 wird dieser dann prüfungspflichtig.
Die neue Verordnung ist hochkomplex, und die Unternehmen müssen sie rasch umsetzen. Die Unternehmensberatung PwC hat deshalb untersucht, ob die betroffen Firmen überhaupt wissen, ob sie unter die Berichtspflicht der EU-Taxonomie fallen – und inwiefern sie bereit sind für deren Umsetzung.
Dabei kam heraus, dass vier von zehn Unternehmen sich noch nicht näher mit dem Thema auseinandergesetzt hatten. Und dass, obwohl zehn Prozent von ihnen aussagten, dass sie die Bestimmungen der EU-Taxonomie umsetzen müssten. Für die Studie befragte PwC 170 Unternehmen aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz.
Unternehmen unterschätzen den Aufwand
Hinzu kommt, dass von den 89 jener befragten Unternehmen, die sich bereits mit der EU-Taxonomie befasst haben, erst 44 Prozent ermittelt haben, welche Wirtschaftstätigkeiten im sogenannten Delegierten Rechtsakt der EU-Taxonomie definiert sind. Dies ist laut Studienautoren ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur Umsetzung. Davor, den Aufwand zur Implementierung zu unterschätzen, warnen sie.
Verschlafen die Unternehmen die EU-Taxonomie? Ein Teil wohl schon. Erst 28 Prozent der Befragten hatten zum Zeitpunkt der Umfrage bereits Projekte zur EU-Taxonomie gestartet. 19 Prozent hatten dies bereits für die kommenden 12 Monate geplant. 12 Prozent gaben an, erst in den kommenden zwei bis drei Jahren mit der Implementierung starten zu wollen. Dies sei, schreiben die Studienautoren, angesichts des hohen Zeitdrucks und der Verpflichtung bestimmter Betriebe zur Berichterstattung riskant.
Wie stehen die Firmen zum Thema Nachhaltigkeit?
Liegt die Zögerlichkeit der Betriebe vielleicht daran, dass sie von Nachhaltigkeit im Geschäft grundsätzlich wenig halten? Nach Erkenntnissen der Untersuchung: nein. Drei von vier Befragten gaben an, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu haben. Neun von zehn Geschäftsleitungen der befragten Unternehmen werden zudem nichtfinanzielle Daten vorgelegt. In etwa einem Viertel der Betriebe wirken sich diese Kennzahlen auf die Vergütung der Geschäftsleitung aus. Acht Prozent der Betriebe planen dies jedoch. Die Studienautoren meinen: Veränderte Vergütungsmodelle könnten einen Anreiz schaffen, um Nachhaltigkeit ökonomisch stärker voranzutreiben.
Für was nutzen Unternehmen nichtfinanzielle Kennzahlen?
Nichtfinanzielle Daten nutzen die befragten Unternehmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (78 Prozent) und die Strategieentwicklung (76 Prozent). 69 Prozent gaben an, nichtfinanzielle Ziele für die Unternehmenssteuerung zu nutzen.
Kaum Automatisierung bei Erhebung der Daten
36 Prozent der Betriebe gaben in der Umfrage an, für alle Tochtergesellschaften einen gut funktionierenden Prozess etabliert zu haben, um nichtfinanzielle Kennzahlen zu erfassen. 31 Prozent haben dafür einen nichtstandardisierten Prozess definiert.
Für die Berichterstattung nutzen 64 Prozent der Befragten überwiegend Excel-Tabellen. 34 Prozent setzen andere Tools ein – davon 16 Prozent Business-Intelligence-Lösungen und neun Prozent selbstentwickelte Software. Vier Prozent setzen auf eine ESG-Software.
Notwendige IT- und Prozessanpassungen
Dass die Unternehmen mehrheitlich auf Excel setzen, verweise auf einen geringen Automatisierungsgrad, wie die Autoren der Studie kommentieren. Das möge im ersten Jahr der EU-Taxonomie noch funktionieren, zumal dedizierte Software-Lösungen auch erst entstünden. Eine Dauerlösung sei dies aber keineswegs.
52 Prozent der Unternehmen sei der Studie zufolge bewusst, dass sie zur Umsetzung ihre IT- und Prozesslandschaft verändern müssten. 21 Prozent haben dies bereits geplant. Für 60 Prozent der Betriebe war diese Frage zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht geklärt.
Besser keine Vermischung von Taxonomie- und Nachhaltigkeitsprojekten
Fast jedes zweite befragte Unternehmen habe ein Budget für Implementierungsprojekte zu Nachhaltigkeit oder zur EU-Taxonomie eingeplant, wie es in der Studie heißt. 33 Prozent wollen allgemein in Nachhaltigkeit investieren. Vier Prozent wollen investieren, um die notwendigen Daten für die EU-Taxonomie zu erheben. 12 Prozent der Befragten gaben an, das Budget für Nachhaltigkeit allgemein und die Umsetzung der EU-Taxonomie einsetzen zu wollen.
Der Kommentar der Autoren: Taxonomie-Projekte mit anderen Nachhaltigkeitsprojekten zu vermischen sei nicht ratsam – weil sich die in der Berichterstattung erforderlichen Angaben zum Teil deutlich unterscheiden.
Die Studie „EU-Taxonomie – Nichtfinanzielle Berichterstattung im Wandel“ können Sie hier beziehen.
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