Mark Twain hat einmal gesagt: „Wer eine neue Idee hat, gilt als Spinner, bis die Idee Erfolg hat.“ Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, wie zehn aktuelle Ideen für die digitale Zukunft zeigen.
Wenn es darum geht, die Dinge anders zu denken oder zu machen, sind die Möglichkeiten eigentlich grenzenlos. Eigentlich. Denn wirklich neue Ideen haben es oft schwer, sich durchzusetzen. Sie irritieren, werden belächelt oder eben als Spinnerei abgetan. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Und natürlich ist nicht jede Idee von Erfolg gekrönt. Man sagt, dass ca. 90 Prozent aller Start-ups scheitern. Das heißt aber im Umkehrschluss, das 10 Prozent funktionieren.
Wenn also jemand seine Idee – aller Skeptiker zum Trotz – konsequent verfolgt, kann er damit was Großes schaffen. Vieles was gestern noch undenkbar erschien, ist heute fest etabliert: Das Internet nutzen inzwischen 3,7 Milliarden Menschen, die Hälfte der Weltbevölkerung. Moderne Smartphones haben mehr Rechenleistung als der NASA-Computer während der Mondlandung. Cloud-Technologie erlaubt uns den Zugriff auf Millionen von Songs.
10 spannende Ideen für die digitale Zukunft
Hier 10 zum Teil ausgefallene Ideen aus der digitalen Welt, sicher auch polarisierend, aber auf jeden Fall mit Disruptionspotenzial.
1. Jacke mit Touchscreen
Seit Ende September können Technik- und Modeliebhaber in den USA ihre Leidenschaften für beides elegant kombinieren. Möglich macht es eine smarte Jeansjacke, die Levis gemeinsam mit Google auf den Markt gebracht hat. Der linke Ärmel des „Jacquard Jackets“ besteht aus einem leitfähigen Material und funktioniert wie ein Touchscreen. Über einen Bluetooth-Knopf werden die Daten ans eigene Smartphone übertragen. So können Apps benutzt oder Anrufe getätigt werden, ohne das Handy aus der Jackentasche zu holen. Besonders interessant zum Beispiel für Radfahrer. Für 350 US-Dollar ist die waschbare Hightech-Jacke zu haben. Kein Pappenstiel. Wann sie in Europa verkauft wird, ist aktuell noch offen. Hängt wahrscheinlich auch vom Erfolg im Heimatmarkt ab. Solche smarte Mode entwickelt übrigens auch meine Kollegin Claudia Nemat im Rahmen von Telekom Fashion Fusion.
2. Roboter als Pizzaboten
Radfahrer mit pinken Transportboxen auf dem Rücken gehören hierzulande mittlerweile zum Stadtbild. Seit Frühjahr 2015 gibt es den Lieferservice Foodora, der inzwischen mit mehr als 2.200 Restaurants bundesweit kooperiert. Künftig müssen sich die Hungrigen vielleicht an einen neuen Anblick gewöhnen. In Hamburg und anderen europäischen Städten hat Foodora bereits die Auslieferung von Pizza, Sushi, Burger & Co. durch Roboter getestet. Eine spezielle Isolierung sorgt dafür, dass die Speisen im Inneren des Roboters warm bleiben. Hergestellt wird der 6 km/h schnelle autonome Helfer „6D88“ vom estnisch-britischen Unternehmen Starship Technologies. Während der Testphase mussten die Roboter noch von einem Menschen begleitet werden. In Zukunft sollen sie alleine losziehen – alternativ zu den Fahrradkurieren. Etwa dann, wenn es um große Bestellmengen geht oder schlechtes Wetter herrscht.
3. Künstliche Intelligenz als Therapieansatz
„Woebot“ ist ein Chatbot, der bei Ängsten oder leichten Depressionen helfen soll. Er kombiniert natürliche Sprachverarbeitung, therapeutisches Fachwissen und eine Prise Humor. Entwickelt hat ihn ein Start-up aus dem Umfeld der Stanford-Uni. Der Sprachroboter ist über Facebook rund um die Uhr erreichbar. Er fragt die Nutzer, wie sie sich fühlen und was in ihrem Leben vor sich geht. Außerdem regt er sie zum positiven Denken und zur Reflexion übers eigene Leben an – u. a. per YouTube-Videos. Dabei nutzt Woebot Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie und erkennt angeblich Muster, die selbst Menschen nur schwer erfassen können. Dank künstlicher Intelligenz lernt er ständig dazu. Wie sich der Gemütszustand des Nutzers entwickelt, zeigt er grafisch an. Eine professionelle Hilfe kann der Chatbot natürlich nicht ersetzen, das sagt er selbst. In solchen Fällen postet Woebot Adressen oder Hotlines von Beratungsstellen. Nach einer ersten Studie der Stanford-Uni mit 70 Teilnehmern führte der Chat mit Woebot jedoch zu einer signifikanten Stimmungsverbesserung bei jungen Leuten mit Angstzuständen und leichten Depressionen.
4. Fliegende Taxis
Abgehoben – im wahrsten Sinne des Wortes – ist das Ende September erstmals in Dubai gestartete Drohnen-Taxi. Ein Mini-Hubschrauber mit 18 Rotoren. Acht Minuten war der autonom fliegende Prototyp in der Luft –allerdings noch ohne Passagiere. Erdacht und gebaut hat ihn das deutsche Start-up Volocopter aus Bruchsal, an dem auch Daimler beteiligt ist. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sollen die Drohnen-Taxis in Zukunft als öffentliches Verkehrsmittel eingesetzt werden. Sie befördern dann maximal zwei Passagiere in einem Umkreis von 50 Kilometern ans Ziel. Gebucht wird per App. Nur das Kontrollzentrum am Boden kann während des Fluges den Kurs ändern oder eine vorzeitige Landung erzwingen. Die Testphase ist auf fünf Jahre angelegt. Bis 2030 wollen die VAE dann ein Viertel ihres Verkehrs auf autonomen Transport umgestellt haben.
Das folgende Video zeigt den ersten Flug in Dubai:
5. Stadt ohne Autos und Supermärkte
Nicht nur den Verkehr, sondern gleich die Stadt der Zukunft plant das Königreich Saudi-Arabien. „Neom“ soll so groß werden wie Mecklenburg-Vorpommern und alles einen Bezug haben zu künstlicher Intelligenz. Repetitive und mühsame Aufgaben will man automatisieren und von Robotern ausführen lassen. Klassische Supermärkte gibt es hier nicht mehr. Bestellt wird übers Internet, ausgeliefert über Drohnen. Auch eigene Autos sind in „Neom“ überflüssig. Man setzt ganz auf autonome Verkehrsmittel. Zudem erhält jeder Bewohner kostenfreies, drahtloses Internet sowie Online-Schulungen und andere Bildungsangebote. Obst und Gemüse wächst in vertikalen Farmen und Gewächshäusern. Und ein Teil der Stadt ist als Technologiepark geplant – als Anziehungspunkt für etablierte Großunternehmen und aufstrebende Start-ups. 500 Milliarden US-Dollar will Saudi-Arabien in dieses Megaprojekt investieren. Bis 2025 soll die erste Bauphase abgeschlossen sein, unter Aufsicht von Klaus Kleinfeld, dem Ex-Siemens-CEO. Eine Nummer kleiner, aber dafür viel konkreter ist unser Projekt der „Smart City Bonn“. Hier machen wir bereits seit wenigen Tagen Straßenlaternen und Abfallcontainer intelligent und messen die Luftqualität digital. Und das ist nur eins von achtzehn „Smart City“-Projekten europaweit.
6. Tastatur aus Einsen und Nullen
VR-Headsets boomen. Immer mehr Menschen tauchen in eine virtuelle Realität ab. Jetzt will die Firma Logitech auch Tastaturen in die künstliche Welt holen. Derzeit erhalten ausgewählte Entwickler ein entsprechendes Development Kit. Damit können sie die Darstellung der Tastatur an ihre eigenen VR-Anwendungen anpassen. Für ein einheitliches Look-and-feel. Drückt der Nutzer eine „Taste“, wird eine kleine Animation als visuelles Feedback abgespielt. Die virtuelle Tastatur soll mehr Orientierung in der VR-Welt bieten und die Abläufe beschleunigen. Mögliches Anwendungsszenario: Der VR-Nutzer erhält eine persönliche Nachricht auf sein Headset. Sofort erscheint die virtuelle Tastatur, um die Nachricht zu beantworten, ohne die künstliche Welt verlassen zu müssen.
7. Sensoren aus Mais und Magnesium
Bei dieser Innovation fragt vielleicht später mal jemand: Wer hat’s erfunden? Und auch in diesem Fall lautet die Antwort: die Schweizer. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETH) haben Forscher einen Temperatursensor entwickelt, der biologisch abbaubar und gesundheitlich unbedenklich sein soll. Angeblich kann man ihn sogar essen. Dafür haben die Forscher einen Elektrodraht aus Magnesium, Siliziumdioxid und Siliziumnitrid in eine kompostierbare Trägerstruktur aus Mais- und Kartoffelstärke gepackt. Der nur 16 Mikrometer dünne Sensor (ein Haar ist 100 Mikrometer dick) lässt sich zum Beispiel direkt auf frischem Fisch platzieren und misst dann kontinuierlich die Temperatur. Per Bluetooth-Sender werden die Daten des Chips an einen externen Rechner übertagen. Dieser Sender ist zwar noch nicht biologisch abbaubar, aber daran arbeiten die Forscher sicher schon. Künftig könnten so selbst Lebensmittel Teil des Internets der Dinge (Internet of Things, IoT) werden. Auch Druck, Gase und UV-Strahlung ließen sich mit ähnlichen Sensoren messen.
8. Das Auto wird zum Kino
Mehr als 1,2 Milliarden Menschen verbringen laut McKinsey jeden Tag durchschnittlich etwa 50 Minuten im Auto. Die meisten davon sind mit Lenken, Bremsen und Gas geben beschäftigt. Doch wer künftig vielleicht in einem autonomen Fahrzeug sitzt, hat viel Zeit. Was also tun? Lesen, essen, telefonieren, Musik hören? Ford hat dazu seine eigene Idee: Der US-Autobauer hat sich eine Windschutzscheibe patentieren lassen, die sich in eine Kinoleinwand verwandelt. Ins Dach integriert, fährt die Projektionsfläche bei Bedarf einfach runter. Licht aus, Film ab! Das ist In-Car-Entertainment vom Feinsten. Zusätzlich hat Ford Sitze konstruiert, die sich um 145 Grad drehen lassen. Damit kommen auch die Passagiere auf der Rückbank in den Filmgenuss.
9. Stromversorgung aus der Luft
Ein interessantes Patent hat sich kürzlich auch Amazon schützen lassen: Dabei handelt es sich um nicht weniger als eine fliegende Batterie. Wer in Zukunft mit seinem Elektrofahrzeug unterwegs ist, aber mit der vorhandenen Akkuladung weder sein Ziel, noch die nächste Ladestation erreichen kann, fordert einfach eine Lade-Drohne an. Diese startet vollautomatisch, ortet das fahrende E-Auto und dockt auf dessen Dach an. Schon kann der Ladevorgang starten. Kennt man so bislang bestenfalls von Militärflugzeugen. Sind die Akkus genug aufgeladen, fliegt die Drohne automatisch zurück zu ihrer Ladestation und wartet auf den nächsten Einsatz. Das E-Auto kommt währenddessen ohne Fahrtunterbrechung ans Ziel oder zumindest bis zum nächsten Ladepunkt.
10. Falscher Hase aus dem 3D-Drucker
Bei meinem letzten Beispiel geht es um die Frage: Wie ernähren wir uns in Zukunft? Diese Frage hat sich auch die Leipziger Künstlerin Carolin Schulze gestellt. Denn die herkömmliche Viehwirtschaft belastet unsere Umwelt: Für ein Kilo Rindfleisch braucht man zehn Kilo Futtermittel. Aus der gleichen Menge Futter kann man allerdings neun Kilo Insektenfleisch gewinnen. Darum propagiert die WHO auch Mehlwürmer und Grillen als Lebensmittel der Zukunft. Schulze kam auf die Idee, das unappetitlich aussehende Insektenfleisch neu zu formen, um es unter die Leute zu bringen. Vermengt mit Kartoffeln und Gewürzen jagte sie es durch einen 3D-Drucker. Herauskommt – Schicht für Schicht – ein „falscher Hase“ aus Mehlwurmpaste. Vor dem Verzehr muss man ihn allerdings zunächst noch frittieren oder braten. Wohl bekomms!
Chancen der Digitalisierung und gestalten
Das sind zum Teil recht spezielle Ideen für unsere digitale Zukunft. Und sicher werden sich nicht alle davon durchsetzen. Aber ich finde es wichtig, bei solchen Themen am Ball zu bleiben. Zu beobachten, worüber gerade nachgedacht und diskutiert wird. Denn nur so kann man die Chancen der Digitalisierung für sich nutzen und am Ende des Tages auch aktiv mitgestalten.