Kaum ein Thema wird angesichts der zunehmenden Digitalisierung so heftig diskutiert, wie die Zukunft der Bankfiliale. Anhand aktueller Daten habe ich untersucht, wie sich die Filiallandschaft in den letzten Jahren entwickelt hat und wohin sie sich wahrscheinlich entwickeln wird.
Stehen Bankfilialen vor dem Aus? Zahlreiche Studien und Meinungen scheinen darauf hinzudeuten, doch Totgesagte leben oft länger als man glaubt. Fest steht, es gibt höchst unterschiedliche Meinungen über die Zukunft der Bankfilialen, sowohl im Hinblick auf deren Qualität als auch auf deren Quantität, was zuletzt durch die Statements von zwölf Experten zur Bankfiliale 2020 hier im Bank Blog eindrücklich bestätigt wurde.
Im Folgenden soll vor allem der quantitative Aspekt vertieft werden. Dazu habe ich verschiedene Studien herangezogen und eine Vielzahl von Daten analysiert die mir von der Bundesbank zur Verfügung gestellt wurden (an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die stets freundliche und geduldige Unterstützung, die ich dort erfahren habe).
Deutlicher Rückgang der Bankfilialen seit 2004
Es ist ja nicht immer einfach, den Anfangszeitraum einer statistischen Reihe sauber zu definieren, aber egal, wie man es beim vorliegenden Thema auch dreht und wendet: Die Anzahl der Bankstellen in Deutschland ist rückläufig: In den letzten zehn Jahren um 20%. Nimmt man 1995 als Ausganspunkt hat ein Rückgang um 47% stattgefunden, betrachtet man nur die letzten fünf Jahre, beläuft er sich auf knapp 7%.
Und auch, wenn der sich der Trend zuletzt etwas abgeflacht hat, kann davon ausgegangen werden, dass die Entwicklung noch kein Ende gefunden hat.
Großbanken haben mehr Filialen abgebaut
Schlüsselt man die beschriebene Entwicklung nach Bankgruppen auf, dann wird deutlich, dass der Abbau vor allem bei den Großbanken stattgefunden hat. Während sie ihr Zweigstellennetz um mehr als ein Drittel bereinigt haben, scheinen die regionalen Kreditinstitute nur sehr verhalten und in Einzelfällen Schließungen und Zusammenlegungen vorgenommen zu haben.
Ein Blick auf das relevante Filialnetz (also das der flächendeckenden Retailbanken) zeigt zudem, dass der Anteil der Großbanken von 27% auf 21% zurückgegangen ist. Die regionalen Kreditinstitute vereinigen demnach rund 80% des Geschäftsstellennetzes auf sich.
Rückgang der Bankfilialen vor allem auf dem Land
Interessant ist ein Blick auf die regionale Entwicklung. Demnach fand der Rückgang vor allem in ländlichen Gebieten statt. Dies erstaunt zunächst, zieht doch dort ein Rückzug im Zeitverlauf einen deutlich höheren Kundenverlust nach sich als in einer Stadt, wo der Weg zur nächsten Filiale i.d.R. meist erheblich kürzer ist.
Allerdings entspricht diese Entwicklung dem allgemeinen Trend zur Urbanisierung, mit dem sich überregionale Finanzinstitute natürlich grundsätzlich leichter tun als die regionalen Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken. Auch ist deren Marktdurchdringung in ländlichen Gebieten traditionell höher als bei den Großbanken, so dass Filialen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken i.d.R. eher eine kritische Mindestanzahl von Kunden aufweisen.
Wie viele Bankfilialen wird es in Zukunft geben?
Winston Churchill bemerkte einst „Prognosen sind immer schwierig zu erstellen, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen“. Also greife ich hier gerne auf die fundierten Meinungen verschiedener Experten zurück:
Dr. Herbert Walter, der ehemalige Chef der Dresdner Bank, hat in der Talkrunde bei Günther Jauch am 6. April 2014 einen dramatischen Rückgang von bis zu zwei Dritteln vorhergesagt: „In den nächsten 10-15 Jahren findet die Transformation des Geschäftes auf den Online Kanal statt. Von rund 36.000 Filialen, die es heute gibt, bleiben bis 2030 vermutlich 12-15.000 übrig. Die Filialen werden zusammengelegt, es kommt ein neuer Effizienzschub. Wie die Banken dies bewerkstelligen, erscheint heute noch völlig unklar.“
Auch das renommierte ibi Research an der Universität Regensburg sieht eine deutliche Schrumpfung des Filialnetzes in den kommenden fünf bis zehn Jahren um 30-40% und das KfW Economic Research (gemeinsam mit der Universität Siegen) schätzt in einer interessanten Untersuchung den Rückgang der Filialen bis 2020 je nach Szenario zwischen 16 und 29 Prozent.
Fasst man diese Aussagen zusammen, so wird es je nach Szenario im Jahr 2020 noch rund 25.000 (-30%) und 2025 rund 22.000 (-40%) Filialen geben.
Aus heutiger Sicht scheint dieser Rückgang nur schwer vorstellbar, zumal sich die Zahl der Filialschließungen und Zusammenlegungen in den letzten Jahren verringert hat. Diese Verlangsamung fortzuschreiben wäre jedoch extrem leichtsinnig, da die Trends zum digitalen und mobilen Banking gerade begonnen haben und in den kommenden Jahren erst richtig zum Tragen kommen werden.
Regionalbanken mit Nachholbedarf bei der Bereinigung des Filialnetzes
Treffen wird es vor allem die Kunden von regionalen Kreditinstituten, auch wenn die öffentlich verkündete Strategie noch eine andere ist. Die regionalen Institute vereinen derzeit rund – wie erwähnt – 80% des relevanten Filialnetzes auf sich.
In der Vergangenheit, als die Ertragslage noch gut war, sind sie nur vereinzelt und zögerlich an das Thema Filialschließung herangegangen. Das rächt sich jetzt.
Denn auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken können sich auf Dauer nicht dem betriebswirtschaftlichen Druck durch rückläufige Erträge (hier trifft vor allem die anhaltende Niedrigzinsphase) und steigenden Kosten entziehen.
Das veränderte Kundenverhalten wird sein Übriges dazu beitragen, dass vermeintliche Tabus neu definiert werden müssen. Auch die Kunden von Sparkassen und Genossenschaftsbanken erwarten digitale Angebote, was entsprechende Investitionen verursachen wird.
Und alles zusammen: Präsenz in der Fläche, kostenlose Basisangebote plus digitale Innovationen wird auf Dauer nicht (mehr) bezahlbar sein. Weder für die Großbanken noch für die Regionalinstitute.
Bank Blog Premium Leser können Sie die Präsentation direkt hier herunterladen.