„Vertrauen und Nähe kann man nicht digitalisieren“

Interview mit Norbert Porazik, geschäftsführender Gesellschafter Fonds Finanz

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Immer mehr Kunden nutzen Vergleichsplattformen. In der Folge steigt der Druck auf die Provisionserträge der Banken. Über mögliche Strategien für Regionalinstitute habe ich mich mit Norbert Porazik, geschäftsführender Gesellschafter der Fonds Finanz unterhalten.

In Zeiten der Digitalisierung steigt die Bedeutung von Vertrauen

Vertrauen ist wichtig in Zeiten der Digitalisierung.

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Die Corona-Pandemie hat ihre Auswirkungen auch im Finanzsektor hinterlassen. Die Kundenbesuche in den Filialen der Banken sind in den letzten Monaten des Lockdowns deutlich zurückgegangen. Die digitalen Kanäle haben im Gegenzug eine deutliche Steigerung erfahren.

Dennoch ist der Beratungsbedarf bei Privat- und Firmenkunden nicht geringer geworden. Zusätzlich drängen Vergleichsportale und Anbieter von Ökosystemen sogenannten Neo-Banken auf den Markt. Das hat Auswirkungen auf die Vertriebsstrategie und die Filialen der Regionalbanken. Sie müssen nach Möglichkeiten suchen, bisherige Ertragspotentiale – insbesondere bei den Provisionen – zu sichern. In diesem Kontext gewinnt das Konzept der Allfinanz unter dem neuen Begriff Bancassurance wieder an Bedeutung.

Interview mit Norbert Porazik, Fonds Finanz

Über die Ertragspotentiale des Bancassurance und die konkrete Anwendungsfälle für Ökosysteme von Regional-Banken und Sparkassen habe ich mich mit Norbert Porazik unterhalten. Er ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortet den Bereich Marketing & Sales. Parallel zur Ausbildung als Industriekaufmann begann er mit dem Aufbau des größten deutschen Maklerpools.

Norbert Porazik - geschäftsführender Gesellschafter, Fonds Finanz

Norbert Porazik ist geschäftsführender Gesellschafter der Fonds Finanz Maklerservice GmbH.

Corona hat das Kundenverhalten verändert

Der Bank Blog: Was bedeutet die Corona-Pandemie für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen?

Norbert Porazik: Die seit Frühjahr diesen Jahres geltenden Kontaktbeschränkungen haben in kurzer Zeit ein grundlegend verändertes Kundenverhalten beschleunigt. Der Bedarf nach Bank- und Versicherungsleistungen bleibt; es gibt jedoch nur noch wenige Gründe, persönlich eine Bankfiliale und einen Bankberater besuchen zu müssen. Zudem vergrößern mangelnde Anlagealternativen und der Trend zur Nutzung der Online-Vergleichsportale die Herausforderungen der Bankberater, ihre Kunden mit konkurrenzfähigen Angeboten in allen Bereichen der Versicherungs- und Finanzdienstleistungen marktgerecht zu beraten.

Und darauf zu warten, dass die Zinsen irgendwann wieder steigen, ist eine Illusion. Jedem Marktteilnehmer muss klar sein, dass steigende Zinsen massive Verwerfungen an den Immobilienmärkten auslösen würden. Die Politik wird flankierend alles dafür tun, dass dieses nicht passiert.

Der Bank Blog: Diese veränderten Rahmenbedingungen sind doch für alle Marktteilnehmer identisch!

Norbert Porazik: Ja und erschwerend kommt hinzu, dass die Niedrigzinsen die Banken zusätzlich herausfordern, bestehende Provisionszuflüsse zu verteidigen und neue Ertragsmöglichkeiten für die eigenen Häuser zu erschließen. Hindernis ist dabei oftmals u.a. das Ein-Partner-Kooperations-Modell bei Versicherungen, Fonds etc., dem viele Banken unterliegen. Das führt teilweise zum Glaubwürdigkeitsverlust in der qualitativen Beratung in der Bank und damit auch zur Abwanderung einiger Kundensegmente an Online-Vergleichsportale.

Banken verlieren die Hauptbeziehung zu ihren Kunden

Der Bank Blog: Was bedeutet dies für Banken und Sparkassen?

Norbert Porazik: Schaut man einmal genau hin, so ist erkennbar, dass das Niveau der Provisionserträge der Regionalbanken in den letzten Jahren nicht wesentlich gestiegen ist. Der Druck auf die wirtschaftliche Existenzberechtigung der Filialen nimmt stetig zu. FinTech-, InsurTech-Wettbewerber und Vergleichsportale erreichen wechselwillige und immer besser informierte Kunden.

Das alles lässt die bisherigen Beratungsansätze eines „Ein-Partner-Kooperationsmodells“ unglaubwürdig wirken und den regionalen Universalansatz immer unprofitabler erscheinen. Die Zeiten, in denen Banken mit dem Girokonto die finanzielle Hauptbeziehung zu ihren Kunden hatten, sind Geschichte. Zudem lässt sich „dauerhaft mit Geld kein Geld mehr verdienen“, wie jüngst ein Vorstand einer Regionalbank öffentlich zitiert wurde.

Längst sind die attraktiven und jüngeren Kundengruppen auf dem Absprung zu digitalen Ökosystemen mit einem möglichst vielfältigen Produktangebot.

Und mit dem Verlust ihrer Kundenschnittstelle verringern regionale Universalbanken und Sparkassen die Chancen auf die Generierung von Cross-Selling-Erträgen und damit ihre Alltagsrelevanz. Die Parallelen zur Geschichte der Katalog-Versandhäuser und Universalkaufhäuser in Innenstädten sind unübersehbar.

Technik wird niemals individuelle, vertrauensvolle Beratung ersetzen

Der Bank Blog: Was machen Maklervertriebe anders?

Viele Interessenten lassen sich in digitalen Vergleichsportalen häufig vom ersten Angebotspreis blenden, ohne einen Leistungsvergleich beurteilen zu können. Das machen erfolgreiche Maklervertriebe anders.

Technik wird niemals individuelle, vertrauensvolle Beratung ersetzen. Technik kann aber vertrauensvolle Beratung verbessern und die Kundenbindung stärken. Dabei dienen die Daten aus den Kontobewegungen als Quelle, um Verträge zu erkennen und Optimierungsvorschläge zu liefern. Zusätzlich kann der Kunde seine bisherigen Verträge in Papierform mit seinem Smartphone fotografieren oder scannen und in dem digitalen Vertragsordner verwalten, mit Familienangehörigen und Freunden teilen und laufend optimieren.

Vertrauen und gefühlte Nähe kann man nicht digitalisieren

Der Bank Blog: Sie streben eine vermehrte Zusammenarbeit vor allem mit regionalen Finanzinstituten an. Worum geht es dabei?

Norbert Porazik: Wir unterstützen regionale Banken und Sparkassen bei der profitablen Digitalisierung ihrer Vertriebswege und der Erweiterung ihres wettbewerbsfähigen Dienstleistungsportfolios. Offline in ihren Filialen vor Ort und online auf mobilen Endgeräten der Kunden. Einige sprechen vom Aufbau oder der Erweiterung eines Bank-Ökosystems; wir nennen es Bancassurance

Im Detail bedeutet dies drei Dinge:

  1. Mit uns und unserem Technologiepartner 4yourFinance erhalten unsere B2B-Kunden ein individuell labelbares Ökosystem, also eine Erweiterung ihres bisherigen App-Universums. Machen wir uns nichts vor, die meist besuchte Filiale wird die Banking-App bleiben. Wir versetzen unsere B2B-Kunden kurzfristig in die Lage, die sognannte hybride Beratung, also die Nutzung auch der digitalen Kontaktwege, sofort für ihren B2C-Vertrieb einzusetzen. Das beherrschen wir in Maklervertrieben schon lange und bringen jetzt unsere Erfahrung in den Vertrieb der Banken ein.
  2. Mittels „Plug and Play für mehr Provisionen“ über Standardschnittstellen und den Einsatz von Vergleichsrechnern, digitalen Ordnern etc. und den Abschluss eines Maklervertrages für über 500 Versicherungen und 100.000 Tarifoptionen mit Best-Provisionen bieten wir Banken Möglichkeiten einer deutlichen Ertragssteigerung. Damit leisten wir einen nachhaltigen Beitrag für die Ertragssicherung der Regionalbanken.
  3. Wir sind eigentümerfinanziert, haben kein Venture-Capital an Bord und garantieren mittels eines Notars zu 100 Prozent den Bestandsschutz. Zudem haben wir auch in stürmischen Zeiten bewiesen, dass wir mit unserer Strategie kein Zick-Zack fahren, uns aufs B2B, also den Großhandel konzentrieren, die Mitarbeiter der Vertriebspartner fortlaufend DIN-zertifiziert schulen und unsere Versprechen und Zusagen gegenüber unseren Vertragspartnern halten.

Wir glauben an das Prinzip der Regionalität und Nachhaltigkeit. Vertrauen und gefühlte Nähe kann man nicht digitalisieren, das spiegeln uns auch immer wieder unsere sehr erfolgreichen Versicherungsmakler zurück. Die Welt ist im Wandel und Regionalität, belegbare Fairness und Nachhaltigkeit sind die Zukunftstrends. In der Vergangenheit stand häufig schon zu Beginn eines jeden Kundengespräches in der Bank fest, dass der Kunden nur ein Produkt aus dem Universum des einzigen Versicherungspartners angeboten bekommt. Das wird gegenüber den zunehmend aufgeklärten Kunden nicht mehr haltbar sein.

Mehr Ertrag „wollen” reicht nicht

Der Bank Blog: Was sollten Banken ihrer Meinung nach tun?

Norbert Porazik: Mehr Ertrag „wollen” schafft noch keine Ergebnisse, es bedarf vieler konsequenter kleiner Umsetzungsschritte ohne das große Zielbild aus den Augen zu verlieren. Den vorhandenen Berater muss ein zeitgemäßes Werkzeug an die Hand gegeben werden. Zudem müssen qualifizierte Schulungen im Umgang mit digitalen Medien im Beratungsprozess schnellstens erfolgen.

Regionalbanken und Sparkassen sollten nicht jedem neuen Beratungstrend hinterherlaufen, sondern sich stattdessen auf ihren bestehenden USP fokussieren. Vorhandenes Vertrauen und regionale Kompetenz müssen in den „digitalen Raum“ erweitert werden. Zudem müssen Kunden in der digitalen Welt z.B. bei Google u.a. abgeholt werden und nicht im Vorraum der Filiale am GAA!

Und nicht zu vergessen, die Fokussierung auf zentrale Erfolgstreiber: Die Werkzeuge für die Kunden-Nahtstelle, also Vergleichsrechner, regionale Beratungskompetenz, Plattformen und regionale Ökosysteme usw. müssen in den Vordergrund gestellt werden. Eine Regionalbank muss mit ihren Kontaktkanälen und ihrem Leistungsangebot alltagsrelevant bleiben.

Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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