In Zeiten von Corona und Home Office ist die Zahl der Videokonferenzen explosionsartig gestiegen. Doch die Qualität von Meetings und Sitzungen ist damit nicht gestiegen. Mitunter ist sie sogar gesunken.
Schon immer hatte ich den Eindruck, dass viel zu viele Mitarbeiter und Führungskräfte in Banken und Sparkassen viel zu viel Zeit in Meetings, Konferenzen und Sitzungen verbringen. In Zeiten der Corona-Pandemie ist die Zahl nicht gesunken, manche meinen, sie sei sogar noch angestiegen. In Zeiten von Home Office sitzen jetzt täglich viele Menschen statt im Konferenzraum vor einem Computer, Tablet oder Smartphone, um mit anderen in Kontakt zu treten. Persönliche Begegnungen werden zu Pixeln auf einem Bildschirm.
Anfangs toll, wird es langsam zu viel
Was am Anfang für die meisten spannend war, beginnt nun – nach mehreren Monaten streng gelebten Social Distancings – viele allmählich zu nerven. Gesprächspartner berichten mir von fünf bis acht Video-Meetings am Tag, mache sogar von mehr. Und das an fünf Tagen die Woche.
Abgesehen von der bloßen Anzahl von Besprechungen ändern Videokonferenzen die Art und Weise, wie wir Informationen verarbeiten. Es erhöht die kognitive Belastung, da wir uns verstärkt bemühen, nonverbale Hinweise zu erkennen und zu verarbeiten.
Persönliche Kontakte haben einen Mehrwert
Menschen haben im Verlauf der Evolution gelernt, nicht nur verbale sondern auch nonverbale Kommunikation im Handumdrehen zu verstehen. Wir sind in der Lage unterschiedlichste Signale parallel auf verschiedenen Ebenen auszusenden und zu empfangen und sie sinnvoll zu interpretieren. Bei Videokonferenzen ist dies nicht im gleichen Umfang möglich, wie von Angesicht zu Angesicht.
War es am Anfang des Lockdowns noch schön, sich nicht am Morgen auf den Weg ins Büro, zum Flughafen oder Bahnhof machen zu müssen, so sehnen sich viele Menschen wieder nach persönlichen Kontakten zu Kollegen und Geschäftspartnern.
Ablenkung vom Wesentlichen
Zudem werden wir abgelenkt durch technische Unzulänglichkeiten und deren Behebung. Eingefrorene Bildschirme, abgehackte Sätze, Internetaussetzer – die Liste ließe sich durchaus noch verlängern.
Wer hat nicht schon Videokonferenzen erlebt, bei denen Mikrofone nicht ausgeschaltet (auf mute) waren und deswegen eine ständige Geräuschkulisse alle anderen Teilnehmer gestört und genervt hat. Kürzlich wurde mir von einem solchen Meeting mit 70 Teilnehmern berichtet. Der „Störenfried“ war nicht auszumachen. Alle mussten sich ab- und neu anmelden, um das Meeting erträglich durchführen zu können.
Gute und schlechte Meetings
Meetings, Besprechungen oder Sitzungen werden nicht automatisch dadurch besser, dass sie digital stattfinden. Im Gegenteil. Um echten Nutzen zu stiften, bedürfen digitale Meetings einer noch besseren Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung, als konventionelle Treffen. Und dass es daran vielerorts hapert, ist keine neue Erkenntnis.
Insofern gilt, Corona hin oder her: Weniger ist auch hier oft mehr!