Aktuell scheint die allgemeine Krisenlage auch auf FinTechs überzugreifen. Erste Pleiten sind bereits zu beobachten. Viele potenzielle Kunden und Investoren fragen sich daher, woran man die Solvenz und die Vertrauenswürdigkeit eines FinTech-Startups erkennen kann.
B2B-Startups in Europa florieren und ziehen viele Investitionen an. Da traditionelle Banken nicht genügend Flexibilität und Agilität bieten, wenden sich viele Selbstständige und Unternehmer an Neobanken und andere B2B-FinTech-Dienstleister, um ihren Cashflow zu managen und aufgrund nützlicher Tools wie automatische Rechnungsstellung, Spesenmanagement und integrierte Schnittstellen zu Steuersoftware.
Dennoch haben einige der jüngsten Ereignisse, darunter der Absturz der Tech-Börsenwerte im November letzten Jahres und die Insolvenz des FinTech-Unternehmens Swoon, dazu geführt, dass Private Equity- und Risikokapitalgeber ihre Investitionen genauer überprüfen. Im gleichen Zuge machen sich Kunden mehr Gedanken über die von ihnen gewählten Zahlungsdienstleister. In diesem Zusammenhang müssen FinTechs ihre Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen. Das fängt bei der Einhaltung von Vorschriften an.
Regulierung ist eine Frage des Überlebens
Für FinTechs ist die Einhaltung von Vorschriften eine Frage des Überlebens. Denn in der Vergangenheit warnten bereits Aufsichtsbehörden vor der mangelnden Rentabilität des Geschäftsmodells einiger FinTechs und vor dem Fehlen einer Lizenz für Zahlungsverkehr, für elektronisches Geld oder der Tätigkeit als Kreditinstitut.
Seit dem Einbruch vieler Tech-Aktien im November 2021 beginnen Risikokapitalfonds, ihre Finanzierungskriterien strenger zu handhaben. Zu Recht: Beispielsweise musste der Vision-Fonds des Giganten Softbank einen Verlust von 27 Milliarden Dollar hinnehmen.
So wird es immer schwieriger für viele FinTech-Start-ups, Investoren zu finden. Unter anderem Insolvenzen von FinTechs wie Swoon, das keinerlei Lizenz im Finanzbereich hatte, der Wirecard-Skandal, der zum Scheitern des FinTechs Boon führte, und der misslungene US-Start von N26 führten zu einer Verschlechterung des Investitionsklimas.
FinTechs und ihre Kunden
Doch damit nicht genug: Einige FinTechs und Banken, sogar im B2B-Bereich, haben ihr Kundenvolumen künstlich um fast das Fünffache erhöht, indem sie Dienstleister erwarben, die hauptsächlich kostenlose Versionen ihres Produktes zur Verfügung stellen. Deren Kundenbasis ist jedoch von vornherein nicht daran interessiert, für FinTech-Dienstleistungen zu bezahlen.
Aus allem lässt sich schließen, dass Investoren und Kunden sich an diejenigen B2B-FinTechs wenden sollten, die einige wichtige Garantien geben. In diesem Zusammenhang besteht kein Zweifel daran, dass FinTechs einen echten Wettbewerbs- und Reputationsvorteil genießen, wenn sie über eine Lizenz verfügen. Die Lizenz deckt manchmal Kredite ab, in vielen Fällen jedoch hauptsächlich den Zahlungsverkehr. Lizenzen können in einem bestimmten EU-Land erworben werden und dann EU-weit für die Geschäftsaktivitäten in den einzelnen Ländern verwendet werden.
„Banking ist notwendig, Banken sind es nicht.“
Regulierungsbehörden wiesen in der Vergangenheit bereits auf fehlende Lizenzen von FinTechs hin, egal ob es sich um Kredite (Neobanken), elektronisches Geld oder den Zahlungsverkehr handelt. Und tatsächlich haben FinTechs ohne Lizenz keine Möglichkeit, diese regulierten Aktivitäten auszuüben.
Nicht alle FinTechs werden eine Lizenz für Kreditinstitute erhalten können, da die zu haltenden Einlagen beträchtlich sind und das entsprechende Verfahren lang und komplex ist. Eine spezielle Lizenz für Kreditinstitute zu erwerben, ist jedoch nicht unbedingt für alle Anwendungsfälle notwendig. Oft ist es zu aufwendig oder nicht sinnvoll, eine Lizenz für Kreditinstitute zu erhalten.
Nicht immer muss es eine Vollbanklizenz sein
Die gute Nachricht ist: Es gibt Lizenzen, die flexibler und einfacher zu erhalten sind. Das sind zum Beispiel die Lizenzen für Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute. Sie stellen sicher, dass die FinTechs die Regeln für alltägliche Transaktionsvorgänge wie die Abwicklung digitaler Zahlungen, die Erstellung von IBANs, Kartenabhebungen, mobile Zahlungen usw. einhalten. Sie erlauben es dem Kunden, Einlagen auf einem solchen Konto zu halten, und verpflichten das FinTech, die für die Rückverfolgbarkeit des Geldes erforderlichen Know-Your-Customer-Verfahren durchzuführen.
BaFin Online-Register gibt Auskunft
Auch für die Kunden ist es beruhigend zu wissen, dass ihr Kapital von einer externen Bank gehalten wird, mit der das FinTech ein Abkommen geschlossen haben muss. Das ist keineswegs nur ein Detail. Im Fall von Swoon verloren einige Kunden ihr Geld, das missbräuchlich auf einer obskuren Kreditplattform für KMU angelegt worden war. Da es sich bei Swoon um einen einfachen Softwarehersteller handelt, ohne jegliche Lizenz im Finanzbereich, ist es unwahrscheinlich, dass die Kunden ihr Geld wiedersehen.
Aus diesem Grund sollten die Kunden auch stets das Betreiberstatut eines FinTechs im Online-Register der nationalen Aufsichtsbehörde (BAFIN für Deutschland) überprüfen. Swoon besaß keine Lizenz und agierte in den Augen der Behörden als „Agent eines Instituts, das Zahlungsdienste anbietet“.
In diesem Zusammenhang ist wichtig: Allein schon die Erlangung einer Lizenz an sich ist ein Zeichen für die Zuverlässigkeit eines FinTechs und die Stärke seines Geschäftsmodells, da die erforderlichen Mittel und die zu erfüllenden Bedingungen bereits eine Hürde darstellen. Die für beispielsweise die Beantragung einer Lizenz für Zahlungsinstitute erforderlichen Prozesse können bis zu einem Jahr dauern und zwischen 1 und 2 Millionen Euro kosten. Die Erlangung einer Lizenz ist daher bereits per se ein sichtbarer Beweis für ein solides Geschäftsmodell, das Investoren beruhigen kann.
Play by the rules
Oft haben Aufsichtsbehörden vor Compliance-Fehlern von FinTechs gewarnt. Mit einer Lizenz haben FinTechs sicherlich mehr Rechte, aber auch eine größere Verpflichtung, ihre Kunden und die Mittelherkunft zu überprüfen. Die Lizenz ist die Garantie der Zuverlässigkeit eines FinTechs für Investoren und Kunden gleichermaßen. Für Investoren ist die Lizenz eine Garantie, dass das FinTech, in das sie eine beträchtliche Summe investiert haben, auf einer Vielzahl von Märkten in der EU rechtmäßig aktiv werden kann und alle Vorschriften einhält. Aus Kundenperspektive werden Einlagen getrennt von den Mitteln des FinTechs bei „echten“ Banken aufbewahrt, die ihnen ihr Geld zurückgeben können, mindestens bis zur Höhe der staatlich garantierten Einlagensicherung. Außerdem unterliegen Banken Regeln, die ihnen die Verwendung von Einlagen für risikoreiche Geschäfte untersagen.
Die Investoren waren seit der Pandemie bei der Finanzierung von B2B-FinTechs optimistisch und großzügig, verhielten sich aber in jüngster Vergangenheit bei der Auswahl ihrer Investitionen zurückhaltender. Diese Entwicklung ist vernünftig. Und auch Kunden werden sich der Risiken bewusst, die mit Plattformen verbunden sind, die keine Garantien bieten können.
Lizenzen erlauben es FinTechs, ihre Aktivitäten innerhalb der EU auszuweiten und so ihre Angebote in mehrere Dutzend Länder zu exportieren. Außerdem müssen sie mit Lizenzen eine Sorgfaltspflicht gegenüber ihren Kunden übernehmen. Das ist für alle vorteilhaft: Für Kunden, Investoren, Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt die FinTechs selbst, die sich so einen guten Ruf verdienen können.