Viele Wissenschaftler und Manager liegen regelmäßig daneben mit ihren Vorhersagen der Zukunft und den Auswirkungen technologischer Veränderungen. Die Gründe hierfür lassen sich ebenso benennen wie die Bedeutung von Prognosen für den Unternehmenserfolg.
Im Bank Blog finden Sie regelmäßig Prognosen für die mittlere und fernere Zukunft. Und zwar nicht nur explizit für den Finanzdienstleistungsbereich, sondern auch für die Bereiche Technologie, Wissenschaft und Gesellschaft. Warum? Weil es wichtig ist, sich über die Zukunft Gedanken zu machen, wenn man Erfolg über die Gegenwart hinaus haben will.
Prognosen sind schwierig
An der Uni haben wir mal den schönen Satz gelernt „Prognosen sind vor allem dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen“. Ein weiterer dieser „Klassiker“ lautet, „Wenn Du schon etwas prognostizierst, sei vorsichtig. Nenne entweder das was eintreffen soll oder den Zeitpunkt, wann es eintrifft, aber niemals beides“.
Soweit die humorvolle Seite von Prognosen.
Doch warum ist es eigentlich so schwer, Entwicklungen richtig vorauszusagen? Vor kurzem bin ich auf einen interessanten Beitrag gestoßen, der dazu einige interessante Anmerkungen enthielt.
Wie sehen wir unsere persönliche Zukunft?
Wir alle tun uns nicht einfach mit Fragen wie: Stell Dir mal Dich selbst in 25 Jahren vor: Wo wirst Du leben? Welche Musik wirst Du hören? Was wirst Du anziehen? Antworten auf solche Fragen können wir nur aus Gegenwart und Vergangenheit ableiten, d.h. wir schreiben mehr oder weniger Erlebtes fort.
Und dies, obwohl viele Menschen, zu denen ich auch gehöre, in ihrem Leben einige echte Trendbrüche erlebt haben (z.B. den PC, das Internet, das Handy oder das Smartphone).
Die Psychologie hat dafür die Bezeichnung „End-of-history illusion“. In einer Studie mit rund 19.000 Teilnehmern im Alter von 18 bis 68 wurden dazu verschiedene Experimente durchgeführt. Im Ergebnis war die überwiegende Mehrheit der Probanden unabhängig vom Alter der Überzeugung, sich in der Vergangenheit stark verändert zu haben, jedoch in Zukunft nicht mehr wesentlich ändern zu werden.
Dabei wissen wir alle, rational zurückblickend, wie sehr sich unsere Vorlieben, Werte und Persönlichkeit ändern können. Warum also sollte das bezogen auf die Zukunft anders sein?
Bezogen auf Unternehmen und ihre Kunden, hat die genannte Studie übrigens ganz praktische Konsequenzen: Konsumenten neigen dazu, bei gegenwärtigen Angeboten, die in Zukunft wirksam werden, höhere Preise zu akzeptieren. Kein Wunder, dass Weltraumflüge für 200.000 Euro aufwärts gehandelt werden.
Fehleinschätzung von Innovationen
Und wenn sich vermeintlich innovative Neuerungen abzeichnen, dann neigen wir dazu, diese zu über- oder zu unterschätzen. Hier ein paar Beispiele:
- Obwohl schon 1900 Zeppeline über New York hinweg flogen und nur ein Jahr später das erste tödliche Opfer eines Autounfalls zu beklagen war, haben wir bis heute keine wirklichen Antworten auf unsere Verkehrsprobleme.
- Wir diskutieren über die Pläne von Amazon, Waren per Drohnenflug auszuliefern und am selben Tag werden in New York zahlreiche Produkte mit der Killer-App des 19. Jahrhunderts, dem Fahrrad, zugestellt.
- Wir sehen einen Wandel der Mobilität durch autonome Fahrzeuge, dabei gab es das Konzept schon in Filmen aus den 50ern.
- Investoren liefen in den Zeiten der Dotcom-Blase Unternehmen hinterher, nur weil diese Bestellungen übers Internet annahmen. Eine individuell belegte Pizza (neudeutsch: customized) konnte man schon im Amerika der 60er Jahre per Telefon in Real-time bestellen und ausliefern lassen.
Viele interessante Beispiele für Fehlprognosen finden Sie übrigens im E-Book „33 historische Fehleinschätzungen und Fehlprognosen“.
Auf Kultur und Verhalten kommt es an
Vor allem, wenn es um Technologie-Prognosen geht, werden Veränderungen im Verhalten und Kulturfragen vielfach außer Acht gelassen oder falsch bewertet. Man denke nur an die ersten (Fehl)Einschätzungen des Marktpotentials für das iPhone. Gerade Steve Jobs als Person bzw. Apple als Unternehmen hat mit seinen Innovationen (von denen viele ja sagen, dass es gar keine seien) deutlich gemacht, dass es darauf ankommt, die Änderungen im Verhalten der Menschen richtig einzuschätzen. Egal ob beim Mac, beim iPod oder beim iPhone.
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen der First-Mover. Und gerade damit tun sich die reinen „Technologen“ so schwer. Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, dass wir Deutschen zwar tolle Erfinder, jedoch schlechte Vermarkter sind. Wir „schaffen Zukunft“, wissen jedoch nichts Alltägliches mit ihr anzufangen.
Richtige Weichenstellung für die Zukunft
Für Unternehmen im Allgemeinen und für Dienstleistungsunternehmen im Besonderen sollte es ausgesprochen wichtig sein, sich Gedanken nicht nur über den Erfolg des laufenden Jahres und ein zwei Jahre danach zu machen, sondern auch Strategien für eine Zukunft zu entwickeln, die wir heute noch gar nicht kennen. Letztlich soll es das Unternehmen ja auch noch geben, wenn die aktuell Verantwortlichen im wohlverdienten Ruhestand sind.
Gerade Finanzdienstleister leben von der direkten Interaktion mit ihren Kunden, mithin also vom Kundenverhalten. Das mag sich bezogen auf Finanzdienstleistungen langsamer verändern als in Bezug auf andere Dinge des täglichen Lebens; aber es verändert sich. Jetzt gerade und in Zukunft. Die Digitalisierung ist dafür ein anschauliches Beispiel.
Der regelmäßige Blick über den Horizont der aktuellen GuV hinaus sollte daher für jede Führungskraft einer Bank oder Sparkasse zur Pflichtübung gehören.