Was der Crash einer Kryptobörse für das Krypto-Ökosytem bedeutet

FTX ist nicht Krypto

Abonnieren Sie den kostenlosen Bank Blog Newsletter

Wie konnte es passieren, dass der Crash der Kryptobörse FTX eine ganze, dezentrale Asset Klasse in Misskredit bringt? Was bedeutet er Crash für das Krypto-Ökosytem und was können wir daraus lernen? Ein Plädoyer für mehr echte Dezentralität.

Der Crash der Kryptobörse FTX und das Krypto-Ökosytem

Was der Crash der Kryptobörse FTX für das Krypto-Ökosytem bedeutet.

Partner des Bank Blogs

Berg Lund & Company ist Partner des Bank Blogs

21.000 Kunden sind in Deutschland vermeintlich von der jüngsten Insolvenz der Kryptobörse FTX betroffen. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn 21 ist zugleich eine wichtige Zahl in der Kryptogemeinde, da es die maximal 21 Millionen Bitcoin symbolisiert. Bitcoin ist so konzipiert, dass es nie mehr als 21 Millionen BTC geben wird, dafür verfügt die Währung allerdings über acht Dezimalstellen, um kleine Transaktionen abzubilden.

Der Gründer von FTX

FTX ist beziehungsweise war eine zentrale Kryptobörse, die ein junger Physiker mit Abschluss beim renommierten MIT gründete. Der selbst ernannte Anhänger des Utilitarismus arbeitete nach seinem Studium für etwa zwei Jahre als ETF-Händler bei Jane Street Capital und gründete dann 2017 Alameda Research. Zwei weitere Jahre später gründete dieser dann FTX, behielt jedoch seine Anteile an Alameda und beförderte seine damalige Freundin, die er bei Jane Street kennenlernte, zum CEO.

Während der FTX Gründer offen einen Altruismus zur Schau stellte und vorgab, sein ganzes Vermögen spenden zu wollen, lebte er in großzügigen Penthouse-Suiten auf den Bahamas, wo er auch gleich seinen Eltern Luxuswohnungen schenkte – beide Professoren an der Stanford Law School. Er gründete zudem eine wohltätige Stiftung, gab sich als Philanthrop. Er spendete für die US- Zwischenwahlen 2022 fast 40 Millionen Dollar an die demokratische Partei, das war laut Open Secrets der zweithöchste Betrag aller Spender weltweit, nur übertroffen vom Hedge Fond Manager George Soros. Parallel traf der FTX CEO sich mehrfach mit dem Chef der US-Börsenaufsicht Chairman Gary Gensler.

Der Crash von FTX

Der Crash von FTX wurde ausgelöst, nachdem bekannt wurde, dass der hauseigene Token „FTT“, der einen erheblichen Teil der Bilanz der Schwesterfirma Alameda Research ausmacht, die nicht nur von der Ex-Freundin des FTX Gründers geführt wurde sondern zudem einen Privatkredit an den FTX CEO im Gegenwert von einer Milliarde US-Dollar ausgegeben hatte. Alameda Research hatte auf Basis des in sich ungedeckten „Utility“ Tokens FTT Kredite aufgenommen, die wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrachen, als der Gründer von Binance ankündigte, die eigene FTT-Position liquidieren zu wollen und daraufhin der Wert des Tokens abstürzte.

Da FTX einen signifikanten Teil der Geschäfte in FTT abwickelte, geriet auch die Börse selbst in Schwierigkeiten und binnen weniger Tagen war klar, dass FTX zahlungsunfähig ist und einen Großteil der eigenen Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann.

Zwischenzeitlich ereignete sich noch ein Übernahmedrama durch die Kryptobörse Binance, sie lehnte den Kauf allerdings kurz darauf ab, als klar wurde, dass FTX nicht mehr zu retten ist, weil mit Kundengeldern spekuliert wurde. Inzwischen haben FTX, Alameda Research und über 100 verbundene Unternehmen Insolvenz nach Chapter 11 angemeldet.

Damit ist der Krimi allerdings tatsächlich noch nicht beendet, aus der Insolvenzakte geht hervor, dass FTX auch in zwei deutsche Unternehmen investiert hat und es gibt Hinweise, dass auch deutsche Fonds und Unternehmen signifikante Einlagen bei FTX haben. Die Community spricht in diesem Zusammenhang von einem möglichen Domino-Effekt, den FTX auslösen könnte.

Not your keys, not your coins!

Diese massive Veruntreuung von Kundengeldern war nur möglich, weil gegen das erste Mantra der Community “Not your keys, not your coins“ verstoßen wurde. Ist man nicht im Besitz der privaten Schlüssel (private Keys), so kann man auch nicht autark über die eigenen Krypto Assets verfügen. Dementsprechend gilt die Regel, dass alle Kryptos von den Börsen abgehoben und auf eigene Wallets transferiert werden. Es gibt heute sichere Verfahren; auch gegen einen Verlust der Schlüssel. Diese sind inzwischen nutzerfreundlich geworden – ganz ohne ein bisschen Eigeninitiative geht es allerdings nicht, wenn man selbst über sein Geld bestimmen möchte, ebenso wie im Leben auch.

Dabei dauert der elektronische Papierkram einer Konto- oder Depoteröffnung mitunter länger, als das erstmalige Aufsetzen eines Nano Ledger oder Trezor Hardware Wallets. Ganz zu schweigen von einer Hot Wallet, wie die App MetaMask, welche in Sekunden auf dem Smartphone installiert und startklar ist.

Die Idee hinter Krypto und Bitcoin

Die Vision hinter Krypto und Bitcoin ist ein offenes Geldsystem, welches ausfallsicher ist und jeder demokratisch – also gleichberechtigt und neutral – nutzen kann, ohne zensiert zu werden. Das dezentrale und gegen Zensur resistente Bitcoin-Netzwerk wurde erstmals im Januar 2008 während der Finanzkrise eingeführt. Es wurde ein Protokoll gebaut, bei dem es möglich ist, Geld frei zu tauschen, so wie im Internet Informationen frei ausgetauscht werden können. Das ist ein Gegenentwurf zum fraktionalen Reserve-System unserer Zentral- und Geschäftsbanken, da es mit Bitcoin nicht möglich ist, die Geldmenge über die tatsächlich hinterlegten Einlagen auszudehnen. Seitdem läuft Bitcoin zuverlässig auf über 15.000 Servern (Nodes) weltweit, verbraucht „viel“ Strom. Konkret handelt es sich dabei um 5 Prozent des Energiebedarfes der heutigen Finanzindustrie. Etwa 60 Prozent davon kommt aus erneuerbaren Energien, weil Wasser- Wind- und Solarkraft deutlich günstiger sind als fossile Rohstoffe. Der simple Grund, weshalb die weltweite Community trotz dieser ineffizienten Energienutzung auf das energieintensive Proof-of-Work (PoW) Verfahren setzt, ist einfach: Zensur Resistenz.

Die zweitgrößte Kryptowährung Ether setzt dagegen für Ethereum Version 2.0 auf das energieeffiziente Proof-of-Stake (PoS) Verfahren, bei dem es um die Höhe des Stakes, der eigenen Einlage geht. Die Stimmrechte sind hier pro rata auf den eigenen Anteil „ETH“ verteilt. Je mehr ein Teilnehmer beim Netzwerk hinterlegt, desto mehr Transaktionen darf dieser validieren. Dafür erhält er Zinsen. Da man allerdings mindestens 32 ETH benötigt, um selbst eine eigene Staking-Node zu betreiben, entschließen sich die meisten Marktteilnehmer, ihre ETH bei großen Staking-Anbietern zu bündeln und einem sog. Staking Pool beizutreten. Das durch den Zinseszins-Effekt des Stakings eine zentralisierende Tendenz ausgelöst wird, war zuvor bereits klar und lange Kritikpunkt der Krypto Community gewesen. Inzwischen liegen 2/3 aller hinterlegten Ether bei nur fünf großen Kryptobörsen und sind damit hochgradig zentralisiert.

Auch die jüngsten Bemühungen der US-Administration mit der sog. „OFAC“-Kennzeichnung von Nodes sorgen dafür, dass Transaktionen ohne entsprechende Freigabe zensiert werden. Das betrifft alle dezentralen Applikationen, die von der US-Regierung, genauer gesagt dem Office of Foreign Assets Control, als Teil des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten als „sanktionswürdig“ eingestuft werden. Wie arbiträr oder opportunistisch diese Klassifizierung erfolgt, konnte der geneigte Beobachter an der vorgestern beschlossenen De-sanktionierung von venezolanischen Öl-Importen beobachten. Man stelle sich nun vor, was das bedeutet, wenn die amtierende Biden-Administration beschließt, dass auch dezentrale Börsen, dezentrale Organisationen, Utility Token oder Stablecoins als „sanktionswürdig“ betrachtet werden.

Echte Dezentralität

Der Grundgedanke von Krypto ist dagegen, dass Neutralität herrscht – keine zentrale Instanz soll oder darf in der Lage sein, den Informations- und Wertaustausch zu unterdrücken. Das gilt für jegliche zentrale Instanzen, Krypto-Börsen genauso wie für Regierungen oder NGOs.

Dieser Impetus von Krypto, allerdings auch in den Anfängen von der Ethereum Community zu beobachtende Gründungsethos, ist bei der Bitcoin Community am Stärksten ausgeprägt. Jeder Teilnehmer ist inzwischen in der Lage, mit dem auf Bitcoin aufbauendem Lightning Netzwerk weltweite Zahlungen für einen Bruchteil eines Cents an Transaktionskosten durchzuführen. Dies ist nicht nur viel günstiger, sondern auch schneller als eine SEPA- oder SWIFT-Überweisung und selbst als eine Bezahlung mit Visa oder Mastercard.

Die Entwicklung ist hier nicht stehen geblieben, es hat sich einiges getan: mit dem jüngsten „Taro“-Update von Bitcoin lassen sich jegliche Assets abbilden und ebenfalls in Sekunden übertragen. Die „User Experience“ ist dabei genauso wie bei Lightning einfach gekapselt in non-Custodial Wallets (wie beispielsweise der App „muun“), bei denen man stets die Kontrolle über die eigenen, privaten Schlüssel und die sog. Seed Phrase zum Wiederherstellen aller privaten Schlüssel behält. Klingt zunächst kompliziert, funktioniert jedoch genau so einfach wie z.B. PayPal, nur das man ein Konto in Sekunden eröffnen und jeder weltweit und ohne Zensur teilnehmen kann.

Quintessenz: FTX ist nicht Krypto

Wichtig zu verstehen ist, dass weder FTX noch Binance, Coinbase, Bitstamp, OKX, Bitpanda oder Bison „Krypto“ sind. Diese handeln zwar mit Kryptos, sind aber anders als Kryptowerte wie Bitcoin nicht dezentral, sondern zentrale Unternehmen. Diese Börsen sind lediglich Türöffner für reguliertes Geld – sog. „Fiat On-Ramp“ für Euro oder US-Dollar. Das ist auch richtig, zentrale Instanzen müssen reguliert werden, da hier Missbrauch und Versagen möglich ist, wie wir an Mt. Gox und FTX gesehen haben. Das eigentliche Krypto-Ökosystem mit den dezentralen Finanzapplikationen (DeFi) liegt darüber und ist unabhängig vom Vertrauen einzelner, zentraler Teilnehmer. Der republikanische Repräsentant Thomas Emmer fasst es perfekt zusammen: “FTX’s collapse is not a Krypto failure. It’s a failure with CeFi, @GaryGensler, and Sam Bankman-Fried. Decentralization is the point.“

https://twitter.com/RepTomEmmer/status/1595148698170032128?ref_src=twsrc%5Etfw

Daher lautet das wesentliche Mantra in der Gemeinde: „Do not trust, verify.“ – Vertraue nicht blind, sondern prüfe selbst. Gemeint ist damit, eine Transaktion oder eine Vermögensposition auch tatsächlich auf der zugrunde liegenden Blockchain nachzuvollziehen. Das ist eine Denkweise, die sicherlich dem einen oder anderen Wirtschaftsprüfer bei Enron, Wirecard und FTX auch gut getan hätte.

Über den Autor

Christoph Impekoven

Christoph Impekoven ist Gründer mehrerer Startups im Software Bereich und beschäftigt sich u.a. mit verteilten Systemen und dem Schwerpunkt Blockchain sowie Krypto Assets. Der studierte Informatiker und Finanzwissenschaftler hat mit seinem Team zahlreiche DLT und Krypto Assets Projekte umgesetzt. Er ist zudem Gastdozent und Autor zu den Themen Innovation, Softwareentwicklung, DLT und Blockchain.

Vielen Dank fürs Teilen und Weiterempfehlen


Mit dem kostenlosen Bank Blog Newsletter immer informiert bleiben:

Anzeige

Get Abstract: Zusammenfassungen interessanter Businessbücher

Kommentare sind geschlossen

Bank Blog Newsletter abonnieren

Bank Blog Newsletter abonnieren