Welches sind die Mehrwerte etablierter Banken im Vertrieb?

Chancen der Digitalisierung für traditionelle Finanzdienstleister

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Die Digitalisierung sorgt bei Finanzdienstleistungen für höheren Wettbewerb durch FinTechs und große Technologiekonzerne. Mit der richtigen Strategie können traditionelle Banken von der Entwicklung profitieren und ihren Kunden bessere Angebote machen. 

Digitalisierung als Chance

Die Digitalisierung bietet vielfältige Chance für etablierte Finanzinstitute.

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Banken und Sparkassen stehen vor vielen Herausforderungen, die bereits zu großen Veränderungen geführt haben und auch zukünftig weiter führen werden. Dazu zählen der Vertrauensverlust durch die Finanzkrise, die anhaltende Niedrigzinsphase, der hohe Wettbewerbsdruck, die neue Konkurrenz durch FinTech-Unternehmen, eine verschärfte Regulierung und ein verändertes Kundenverhalten.

Mehrheit der Kunden wünschen sich Filialen

Die wesentlichen Reaktionen der Banken auf ihre Ertragsschwäche sind Kostensenkungsbemühungen. Insbesondere das teure Filialnetz wurde in den letzten zehn Jahren von gut 46.000 auf 34.000 Zweigstellen massiv verringert. Das aufgrund der Digitalisierung veränderte Kundenverhalten hat dafür gesorgt, dass ein Aufschrei weitgehend ausblieb. So besucht ein durchschnittlicher Sparkassenkunde sein Institut einmal jährlich, die App oder Internetseite jedoch alle zwei Tage. Internet und insbesondere Mobile Banking sind die präferierten Kanäle zur Kontaktaufnahme durch die Kunden. Dennoch ergeben Umfragen, dass zwei Drittel der Bankkunden neben dem Digitalangebot auch eine Filiale wünschen, also eine Multi-Channel-Strategie nachfragen.

Der Besuch einer Bankfiliale hat im Wesentlichen zwei Gründe: die Nachfrage nach Beratungsleistungen und das Abheben von Bargeld. Aufgrund des massiven Abbaus der Geldautomaten in den letzten Jahren bemängeln viele Bankkunden, dass die Bargeldversorgung übermäßig erschwert wurde. Wie sich die Nachfrage nach Bargeld in Deutschland zukünftig entwickeln wird, bleibt Spekulation. Eine Koalition aus Zentralbank, Politik und Geschäftsbanken plädiert – aus nicht ganz uneigennützigen Gründen – für eine völlige Abschaffung des Bargelds. Vermutlich wird die jüngere Generation allein aus Bequemlichkeitsgründen weitgehend auf Bargeld verzichten. Das typische Vorgehen der Banken, Schließung der Filiale bei gleichzeitiger Bereitstellung von Geldautomat und Kontoauszugsdrucker, scheint also den Interessen der Kunden zu entsprechen. Und auch diese Selbstbedienungsfilialen werden zukünftig obsolet – Bargeld wird bald kaum noch nachgefragt und Auszüge bereits heute elektronisch bereitgestellt und vom Kunden ausgedruckt.

Bankfilialen müssen attraktiv sein

Um dem Filialbesuch den Charme eines Zahnarzttermins zu nehmen, haben sich die Banken einiges einfallen lassen. Neben der dringend notwendigen Modernisierung der Zweigstellen entstanden in Ballungsräumen sogenannte „Flagship-Filialen“, die aussehen wie ein Start-Up-Unternehmen mit Graffiti, iPads und kostenlosem Kaffee. Es bleibt abzuwarten, wie die Kundschaft, insbesondere die ältere, dieses Konzept annimmt.

Die beratungsintensiven Geschäfte, für die Kunden bereit sind, ihre Bank persönlich aufzusuchen, sind auch die provisionsstärksten Geschäfte. Kreditinstitute sollten also alles dafür tun, dass sie die wenigen persönlichen Kontakte für den Kunden möglichst angenehm gestalten, nicht zuletzt um Cross-Selling-Ansätze zu finden. Interessant ist der Ansatz, dass Banken von Apple-Stores lernen sollten. Insbesondere folgende Ideen könnten die Kundenzufriedenheit und –bindung erhöhen: regelmäßige Workshops zu Finanzthemen, transparente Produkte und Preise und kein provisionsbasierter Verkaufsdruck auf Seiten der Bankmitarbeiter.

Innovation und Kundenbedarf müssen übereinstimmen

Einige der neuen Ideen wurden von den Kunden nicht gut angenommen. Dazu gehört der Video-Chat in einer Filiale – warum sollte man dazu in Zeiten von Skype, Facetime etc. noch vom Sofa aufstehen? Aber auch der Video-Chat zuhause wurde nicht angenommen – warum sollte man sich anziehen, wenn man mit dem Berater auch telefonieren, e-mailen oder chatten kann?

Um neue Trends im Bankbereich frühzeitig zu erkennen, haben alle Institutsgruppen sich an Inkubatoren beteiligt oder eigene Digitalfabriken gegründet. Auch hier wird die Zukunft zeigen, ob die fehlende Innovationskraft der Banken durch Innovation Labs kompensiert werden kann.

FinTechs bewirken keine Wunder

Die größte Sorge der Kreditinstitute in den letzten Jahren hat sich nicht bestätigt: FinTechs haben weder das Bankgeschäft völlig verändert, noch die traditionellen Banken aus dem Markt gedrängt. Die neuen Wettbewerber haben zwar für Innovationen gesorgt, konnten jedoch meist nicht genügend Kunden gewinnen, um profitabel zu wirtschaften. Das liegt zum einen daran, dass die Banken schnell auf die neuen Anbieter reagiert haben, zum anderen scheint es – trotz neuer gesetzlicher Regelungen – für viele Kunden zu teuer und aufwendig zu sein, ihre Hauptbankverbindung zu wechseln. Laut einer YouGov-Befragung haben in den letzten 12 Monaten lediglich 9 Prozent ihren Finanzdienstleister gewechselt, Hauptwechselgrund war das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis. Die hohe Kundenanzahl bei geringer Wechselwilligkeit ist offensichtlich ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil der traditionellen Banken gegenüber FinTechs. In letzter Zeit sieht man daher viele Kooperationen zwischen traditionellen Banken und FinTechs. Die einen haben die breite Kundenbasis, die anderen innovative, digitale Angebote.

Customer Experience wird wichtiger

Darauf ausruhen sollten sich die Banken aber nicht. Gerade im Zahlungsverkehr, der zwar defizitär, aber eine für die Kunden wichtige Dienstleistung ist, könnten sie vollständig abgehängt werden. Beispiele wie Paypal, Apple Pay oder WeChat zeigen, dass die Customer Experience wichtiger ist als die Verbundenheit zu einem Finanzdienstleister. Betrachtet man den desaströsen Versuch deutscher Kreditinstitute, mit Paydirekt einen Paypal-Konkurrenten zu schaffen, scheint der Kampf im Payment-Bereich bereits verloren.

Eine bessere Chance haben die Banken im Bereich der automatisierten Anlageberatung. Zahlen amerikanischer FinTechs und Vermögensverwalter zeigen, dass Kunden dem Robo-Advisor eines traditionellen Finanzinstituts mehr vertrauen, als dem Robo-Advisor eines FinTechs.

In nicht allzu ferner Zukunft wird der Bankkunde im Wohnzimmer sitzen und sagen: „Alexa/Siri/Google – überweise 100 Euro an meine Tochter“, sofern das Problem mit der unsäglichen IBAN gelöst wird. Alternativ: „Alexa/Siri/Google – lege 5.000 Euro in einen ETF mit europäischen Aktien an“. Hier muss das Problem der Dokumentationspflichten noch geklärt werden. Und spätestens mit der Vorstellung des iPhones X samt Gesichtserkennung Face ID sollten FinTechs und Banken (und Mobilfunkbetreiber) den Identifikationsvorgang überdenken. Die Banken müssen nur aufpassen, dass Amazon/Apple/Google sie aufgrund ihrer Marktmacht und Datenfülle nicht vollständig aus dem Geschäft drängen. Sie sollten daher die ihnen vorliegenden Kundendaten endlich auswerten und nutzen.

Digitalisierung als Win-Win-Situation für Kunden und Banken

Die Digitalisierung hat das Potenzial, zu einer echten Win-Win-Situation für Kunden und Banken zu werden. Die Bankkunden profitieren von besseren, transparenteren Finanzdienstleistungen zu jeder Zeit und an jedem Ort. Die Kreditinstitute sparen Kosten durch den Abbau von teuren Filialen und Personal. Sie dürfen nur nicht auf halber Strecke, nach den Kostensenkungen, stehenbleiben, sondern müssen massiv in ihre digitale Infrastruktur, in entsprechend ausgebildete neue bzw. in die Aus- und Weiterbildung vorhandener Mitarbeiter und in Kooperationen oder Übernahmen innovativer FinTechs investieren. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Banken und FinTechs nur gemeinsam profitabel wirtschaften können. Und vermutlich müssen Banken akzeptieren, dass sie in Teilbereichen, wie z.B. dem Zahlungsverkehr, nur noch Dienstleister für Paypal, Apple Pay etc. sein werden. Dies müssen sie durch ertragreiche Produkte und Dienstleistungen an anderer Stelle ausgleichen.

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Über den Autor

Prof. Dr. Andreas Buschmeier

Andreas Buschmeier ist promovierter Volkswirt und Professor an der BA Fulda. Neben seiner Tätigkeit als Studienleiter berät er mittelständische Unternehmen in ihrer Kommunikation mit Kapitalgebern. Banken unterstützt er in Fragen zu Geschäftsmodellen und Digitalisierung. In seinem Buch „Ratingagenturen – Wettbewerb und Transparenz auf dem Ratingmarkt“ hat er ein eigenes Ratingmodell entwickelt und dies Politik und Aufsichtsbehörden vorgestellt. Zusätzlich veröffentlichte er diverse Buchbeiträge und Zeitschriftenartikel. Erfahrungen im Bankgeschäft sammelt er seit 1990, als Hochschuldozent ist er seit 2003 tätig.

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