Weltweite Durststrecke bei Börsengängen

Unternehmer und Investoren meiden den IPO-Markt

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Ukraine-Krieg, Zinswende, Inflation und hohe Volatilität halten Unternehmer derzeit davon ab, an die Börse zu gehen – und Investoren, in großem Stil zu investieren. Das zeigt eine aktuelle Studie. Demnach schrumpft der IPO-Markt 2022 deutlich.

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Wegen des Krieges in der Ukraine, steigenden Zinsen und hoher Volatilität sehen viele Unternehmer derzeit von einem Gang an die Börse ab: Im zweiten Quartal 2022 wagten sich weltweit 305 Unternehmen auf den Aktienmarkt. Das sind 54 Prozent weniger als im zweiten Quartal des Vorjahres. Das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young. Das Emissionsvolumen ist demnach sogar um 65 Prozent (40,6 Milliarden US-Dollar) gesunken.

In Europa waren es 43 Börsengänge (2021: 166). Das Emissionsvolumen schrumpfte von 23 auf 1,5 Milliarden US-Dollar. In den USA trauten sich 30 Unternehmen an die Börse (2021: 119) – das dortige Emissionsvolumen ist um 95 Prozent auf gut zwei Milliarden US-Dollar gesunken.

Die Chinesen waren mutiger: 93 chinesische Firmen gingen an den Aktienmarkt. 43 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Das Emissionsvolumen sank um ein Drittel von 31 auf 21 Milliarden US-Dollar.

Deutschland mit einem Börsengang und zwei SPAC-Emissionen

Auch in Deutschland sei der IPO-Markt im zweiten Quartal klein ausgefallen: Mit dem Börsengang der Online-Immobilieninvestmentplattform EV Digital Invest AG wurde ein IPO an einer deutschen Börse verzeichnet. Das Emissionsvolumen lag laut Studie bei rund sechs Millionen Euro.

Zudem gab es Börsengänge von zwei SPACs: Die SMG European Recovery SPAC SE (Frankfurter Wertpapierbörse) und die Fonterelli SPAC 2 AG (allgemeiner Freiverkehr Düsseldorf).

Warten die Unternehmer auf das richtige Zeitfenster?

Nach Meinung der Autoren der Studie erkläre sich die Zurückhaltung an der Börse unter anderem daraus, dass viele Betriebe offenbar auf einen passenderen Zeitpunkt warteten, möglicherweise in der zweiten Jahreshälfte. Ursache dafür – neben dem Ukraine-Krieg, den Lockdowns in China, der Inflation und der Zinswende sei das hohe Volatilitätsniveau bei enger Marktliquidität: Investoren verhielten sich zurückhaltender oder investierten selektiver.

Wie dem auch sei: Die Pipeline an Börsenkandidaten sei nach wie vor gut gefüllt, das Interesse am Börsengang hoch. Eventuell könne ein „Eisbrecher-Börsengang“ im Lauf des zweiten Halbjahres den Markt wieder für weitere Börsengänge öffnen, wie die Autoren der Studie kommentieren. Voraussetzung sei, dass die Investoren wieder Sicherheit fassen und der Indexlevel der Volatilität auf idealerweise auf 20 sinke (VDAX).

Das waren die größten IPOs

Der weltweit größte Börsengang im zweiten Quartal sei die Erstnotiz des Versorgers Dubai Electricity & Water Authority gewesen, die 6,1 Milliarden US-Dollar erlöste. Der chinesische Ölkonzern China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) ging in Schanghai an die Börse und habe ein Emissionsvolumen von 5,1 Milliarden US-Dollar erzielt. Auf dem dritten Platz habe die Life Insurance Corporation of India gelegen, deren Emissionsvolumen an der National Stock Exchange of India 2,7 Milliarden US-Dollar erreicht habe.

Von den größten zehn Börsengängen im zweiten Quartal fand kein einziger in Europa oder den USA statt: Vier entfielen auf China, jeweils zwei auf Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate, jeweils einer auf Indonesien und Kanada.

Energie-IPOs erlösen die höchsten Summen

Die meisten IPOs seien in den Sektoren Technologie (61) und Rohstoffe (60) durchgeführt worden, wie es heißt. Aktien im Bereich der Technologie hätten zwar in den vergangenen Monaten teils erhebliche Kursverluste hinnehmen müssen – dennoch gebe es zahlreiche vielversprechende, junge Tech-Unternehmen. Von den 61 Technologie-IPOs im zweiten Quartal entfielen 42 auf Asien, 13 auf Europa und nur zwei auf Nordamerika.

Bedeutende Gänge an die Börse im Technologie-Sektor erwarte man, sobald sich die Rahmenbedingungen für IPOs wieder verbessern. Investoren erwarteten jedoch einen Fokus auf Nachhaltigkeit und Profitabilität.

Das höchste Emissionsvolumen verzeichnete allerdings der Energiesektor, in dem 25 Börsengänge 15,6 Milliarden US-Dollar erzielten. Besonders sogenannte „Equity Storys“ mit Bezug zu Energiewende und ESG genössen die Aufmerksamkeit der Investoren.

SPAC-Emissionen sinken, indirekte Börsengänge möglich

Nachdem im ersten Quartal 2022 weltweit 72 SPAC-Transaktionen gezählt worden waren, lag die Zahl im zweiten Quartal bei 26. Das Emissionsvolumen sei von 11,4 Milliarden US-Dollar im ersten Quartal auf 3,1 Milliarden US-Dollar im zweiten Quartal geschrumpft, wie es in der Untersuchung heißt. Derzeit gebe es damit rund 660 aktive SPACs, deren Kassen mit 160 Milliarden US-Dollar gefüllt seien.

Für diese SPACS ticke jedoch die Uhr, wie die Autoren der Studie meinen – die Mehrheit von ihnen stünde unter Zeitdruck: Sie müssten das eingesammelte Geld innerhalb von zwei Jahren investieren. Für Unternehmen, die den Weg an die Börse suchen, könne deshalb ein Zusammenschluss mit einer Mantelgesellschaft ein vielversprechender Weg sein.

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Über den Autor

Jannik Wilk

Jannik Wilk ist als freiberuflicher Redakteur für Der Bank Blog tätig. Er ist freier Journalist und Student in Heidelberg.

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