„Sex sells“ war mal ein wichtiger Grundsatz für erfolgreiche Werbung. Doch die Zeiten haben sich geändert. Werbung darf zwar immer noch provozieren, soll aber nicht verletzen oder diskriminieren. Für Unternehmen und Werbetreibende keine einfache Aufgabe.
Werbung ist immer auch ein Stück Zeitgeist. Und da dieser sich wandelt, verändert sich auch die Werbung. So pries das Fa Ende der 60er Jahre schwimmend und tauchend die „wilde Frische der Limonen“. Das erste Nackt-Modell in der Werbung war lange Zeit Kult. Zwischenzeitlich war Nacktheit nichts Besonderes mehr und in beinahe jedem Derrick-Krimi zu bewundern. Heute erregt weit weniger Sichtbares bereits Anstoß und gilt als sexistisch.
Ebenfalls Kult war der „7. Sinn“, kurze TV-Spots, die von 1966 bis 2005 als Mittel der Verkehrserziehung für Erwachsene (auch eine Form der Werbung) jede Woche in der ARD ausgestrahlt wurden. Heute gelten viele der Folgen als frauenfeindlich oder Bevormundung mündiger Bürger. Und selbst der ADAC käme im Kampf gegen Tempolimits nicht nochmal auf die Idee, wie in den 70ern, „Freie Fahrt für freie Bürger“ zu fordern. Inzwischen sind 45 Prozent der ADAC-Mitglieder für ein solches.
Finanzwerbung weitgehend unauffällig
Im November 1972 wurde der Deutsche Werberat gegründet, um auf Basis freiwilliger Selbstkontrolle und jenseits gesetzlicher Rahmenbedingungen „das Vertrauen der Verbraucher in kommerzielle Kommunikation zu stärken“.
Der Anspruch: Kommerzielle Kommunikation soll die allgemein anerkannten Grundwerte der Gesellschaft und die dort vorherrschenden Vorstellungen von Anstand und Moral beachten und sollte stets von Fairness im Wettbewerb und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft getragen sein.
Die deutliche Mehrheit der beim Werberat eingehenden Beschwerden betrifft diskriminierende Werbung gegenüber Geschlechtern oder Personengruppen, gefolgt von ethisch-moralischen Beschwerdegründen. Immer häufiger kommen Beschwerden nicht von Einzelpersonen sondern von Kampagnenorganisationen oder zivilgesellschaftlichen Gruppierungen.
Finanzdienstleister liegen im Mittelfeld der Beschwerdefälle nach Branchen. Im Jahr 2020 betrafen 14 der insgesamt 660 Beschwerdefälle die Finanzbranche, im Jahr 2019 waren es 21 von 793. Bei den die Finanzbranche betreffenden Beschwerden ging es vor allem um Diskriminierung sowie um Ethik und Moral. In 2020 wurden eine Maßnahme gestoppt und eine geändert, in 2020 wurden 2 Maßnahmen gestoppt und eine geändert. Ansonsten gab es bei den Beschwerdefällen keine Beanstandungen.
Konsensorientierung statt Provokation
Seit Werbung per Social Media bewertet werden kann, ist das Risiko, Kritik loszutreten noch gestiegen. Ein prominentes Beispiel war der Shitstorm um ein Stück Fleischwurst, das Dirk Nowitzki in einer DiBa-Werbung verspeiste. Gleichzeitig zeigt gerade dieses Beispiel, welche Wirkung bewusste Provokation haben kann, auch wenn die Werbung damals nicht so gemeint war. Durch den professionellen Umgang mit dem Shitstorm konnte am Ende sogar ein echter Markengewinn erzielt werden.
Dennoch, in Zeiten, in denen sich Politiker für ihren Kindertraum, Indianerhäuptling zu werden, rechtfertigen müssen, gewinnt Risikominimierung auch im Marketing mehr und mehr an Bedeutung. Viele Vermarkter gewichten die Vorteile, etwas auszusagen geringer als das Risiko, Anstoß zu erregen. Das führt unweigerlich dazu, dass Werbung immer langweiliger und nicht mehr effektiv wird. Banken und Sparkassen bilden da keine Ausnahme.
Besser keine Werbung als schlechte?
Anstatt nur auf Risiken zu achten, erscheint es einigen Unternehmen sogar sinnvoller, überhaupt nichts zu sagen. Besser keine Werbung als schlechte, so die Devise. Auf Nummer sicher zu gehen, kann aber auch riskant sein. Man versinkt als Marke zunehmend in der Bedeutungslosigkeit. Gerade neue Unternehmen können sich dies nicht leisten.
Die beste Werbung ist pfiffig und anders
Werbung muss intelligent sein, um zu wirken. Insbesondere dann, wenn sie der anderer Marken zu ähnlich ist, besteht die Gefahr, dass die Verbraucher gelangweilt sind und abschalten. Die beste Werbung muss ausbalancieren, kreativ anders und strategisch klug sein. „Pfiffig“ bedeutet, dass eine gute Strategie dahinterstehen muss, mit klaren Zielgruppen und Botschaften. „Anders“ bedeutet, sie muss kreativ sein, um aus der Masse hervorzustechen und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Wenn Werbung pfiffig, aber austauschbar ist, geht sie in der Masse unter. Wenn Werbung anders, aber planlos ist, wird sie den Verbraucher zwar unterhalten, aber keinen Mehrwert für die Marke leisten.