Aktuell wird viel über Sprachkosmetik diskutiert. Sprache soll das wiedergeben, was gesellschaftlich erwünscht sei. Darf Sprache dem Zeitgeist untergeordnet werden? Für Marketing und Werbung wird es damit nicht einfacher.
Sprechen Sie in Ihrem Unternehmen mit „Mitarbeitern“ oder „Mitarbeitenden“? Fühlen Sie sich von „Terroristen“ oder von „Terrorist*Innen“ bedroht? Nehmen Sie an Volksläufen als „Läufer“ oder „Laufender“ teil? Waren Sie noch „Student“ oder gehörten Sie bereits zu den „Studierenden“? Macht das eine oder das andere einen besseren oder schlechteren Menschen aus Ihnen? Lässt sich daran Ihre Einstellung zu unterschiedlichen Geschlechtsorientierungen (es gibt mehr als zwei!) ablesen?
Fragen über Fragen. Und es gibt noch mehr:
- Haben Sie Astrid Lindgrens Pipi Langstrumpf vor 2010 gelesen?
- Haben Sie in Ihrer Schulzeit beim Bäcker ein „Mohrenkopf-Brötchen“ gekauft oder ein „Schaumkuss-Brötchen“?
- Haben Sie schon mal am Bodensee im Hotel „Mohren“ übernachtet oder im Restaurant „Mohrenplatz“ in Garmisch-Partenkirchen oder im Kieler Restaurant „Zum Mohrenkopf“ gegessen?
Sind Sie ein Rassist wenn Sie mindestens eine Frage mit „Ja“ beantwortet haben?
Zur Erläuterung und zum Nachdenken:
- Vor 2010 war Pipis Vater „Negerkönig in Taka-Tuka-Land“. Seit 2010 ist er „Südseekönig“.
- Das Restaurant „Zum Mohrenkopf“ in Kiel wird von Andrew Onuegbu aus Biafra geleitet. Auf seiner Webseite ist nachzulesen, dass der Mohrenkopf im Mittelalter diejenigen Häuser auswies, die als Fürstenherberge dienten. Außerdem galt er als besonderes Zeichen für eine hervorragende Küche und eine zuvorkommende Bewirtung.
Sprache kann eine Waffe sein
Um nicht missverstanden zu werden: Sprache kann als Waffe eingesetzt werden und wird es auch. Von allen Seiten den gesellschaftlichen und politischen Spektrums! Ob man dies als gut oder schlecht, als richtig oder falsch ansieht, hängt vor allem vom eigenen Standpunkt ab. In einer Demokratie ist zum Glück alles erlaubt, was nicht gegen Gesetze verstößt.
Kann Sprache Problem lösen?
Wir leben in einer Zeit, in der sprachlich vieles glattgeschliffen wird. Einige glauben, damit gesellschaftliche oder politische Probleme lösen zu können. Anderen geht dies zu weit. Vor über einem Jahr hat der Verein Deutsche Sprache unter der Überschrift „Schluss mit Gender-Unfug!“ mit einer Online-Petition zum Widerstand gegen Sprachverzerrungen aufgerufen.
Richtig ist: Sprache unterliegt bekanntlich einem Wandel (wie vieles andere auch). Martin Luther King würde den Begriff „Neger“ heute vermutlich nicht mehr in den Mund nehmen.
Auf der Hut sein
Es gilt allerdings auch in einer freiheitlichen Demokratie, stets auf der Hut zu sein, nicht von Partikularinteressen gesteuert zu werden oder noch schlimmer, zu einer Minderheitendemokratie zu werden, in der einige Wenige der großen Mehrheit vorschreiben, was richtig und was falsch ist.
Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: 90 Prozent der Bundesbürger sind von der Richtigkeit der Maßnahmen zum Schutz vor Corona überzeugt, doch in vielen Medien nimmt die Berichterstattung über Demonstrationen von Gegnern erheblich mehr Raum ein.
Marketing und klare Sprache gehören zusammen
Auch Unternehmen achten bei Marketing und Werbung immer genauer auf die Wortwahl und schließen sich vermeintlichen Trends an. In der Folge werden Aussagen häufig austauschbar und beliebig.
Dabei sollte Werbung klar, einfach und prägnant sein. Und am besten auch Gefühle ansprechen, um zu überzeugen. Eingängig und einprägsam wäre auch nicht schlecht. Und Witz und Provokation können meist ebenfalls einen wirksamen Beitrag zur Steigerung der Markenerinnerung leisten.
Gar nicht so einfach, daraus eine Botschaft zu erstellen, die ankommt und Wirkung zeigt. Um wieviel schwieriger wird dies erst, wenn man es jedem recht machen will (und am Ende doch nicht kann)…