Der Wert der Bankfiliale im Zeitalter der Digitalisierung

Zur Zukunft der Bankfilialen

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Zahlreiche Studien belegen, dass Bankkunden nicht auf Bankfilialen verzichten wollen. Doch wie werden Banken darauf reagieren. Vor allem, wenn in Zukunft die in Filialen angebotenen Dienstleistungen auch digitalisiert zur Verfügung gestellt werden können.

Filiale einer Genossenschaftsbank

Kunden im Gespräch mit Beratern in der Filiale einer Genossenschaftsbank.

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Wie groß wird die Nachfrage nach Bankfilialen noch sein, wenn die Digitalisierung weiter voranschreitet. Einerseits bietet sich die Möglichkeit, nahezu alle Prozesse digitalisiert abzubilden, andererseits können sich Banken dadurch unverzichtbare Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Um diese Möglichkeiten zu nutzen werden Banken vermehrt Druck auf ihre Kunden ausüben, digitalisierte Dienstleistungen zu nutzen. Wie wird der Kunde darauf reagieren? Wie wertvoll ist die Filiale?

Kunden wollen Filialen…

Viele aktuelle Artikel zur Bankfiliale der Zukunft zeichnen ein Bild, das den Nerv der Zeit trifft; Digitalisierung ist notwendig und bringt durchaus Vorteile, aber Kunden wollen Filialen. In dieser Zeit des potenziell disruptiven digitalen Damokles-Schwerts dürfen wir also auch gewohnte Prozesse beibehalten. Ein Gedanke, der zugegebenermaßen beruhigt, vielleicht gar gewisse Zukunftsängste mindert. Und die Basis bildet für hybride Ansätze der Digitalisierung.

Konsequenterweise zielen die meisten Digitalisierungsstrategien auf hybride Ansätze ab und erweitern und ergänzen die persönliche Beratung mit digitalen Hilfsmitteln. Leider wird im Anschluss an die hybride Hypothese oft hinlänglich diskutiert, wie die heutige Beratung digitaler werden kann. Ein Vorgehen, das mich unweigerlich an jenes der Hard Disk Drive Industry in den Studien von Clayton M. Christensen erinnert.

Doch alle Umfragen geben dieser Strategie Recht. Die Nachfrage nach persönlichem Kontakt ist ungebrochen und Studien zeigen konstant hohe Umfragewerte. Zumal sich dies in vielen Fällen auch mit den Gefühlen des Lesers deckt, wird diese Annahme nur selten hinterfragt.

…aber zu welchem Preis?

Ich aber frage mich dabei stets: Zu welchem Preis halten Kunden an dieser Nachfrage fest? In meiner Rolle als Kunde schätze ich den persönlichen Beraterkontakt ebenfalls. Vor allem in jenen Fällen, in denen ich erstmalig mit einer neuer Thematik konfrontiert bin, wenn mir etwas zu komplex erscheint, mir unbekannte Methoden eingesetzt werden oder wenn ich noch nicht weiß, was ich eigentlich wollen soll. Kurz – wenn ich mir unsicher bin. Doch frage ich mich: Wieviel ist mir (oder anderen Kunden) die Schaffung der oben erwähnten Sicherheit wert? – Und – Kann diese Sicherheit unmöglich durch digitalisierte Prozesse hergestellt werden?

Das Potenzial der Digitalisierung für Banken

Meiner Überzeugung nach ist letztere Frage schnell beantwortet. Die Zukunft wird es Banken wohl vermehrt ermöglichen, sowohl komplexe Beratungsprozesse wie auch die zugehörigen vielschichtigen Entscheidungen vollständig zu digitalisieren. Tendenzen dazu zeigen sich vielerorts. Durch Process-, Case- und Decision-Management sind automatisierte Kundenkontakte schon lange über die umständliche „drücken Sie die 1 für Fragen zu Ihrer Rechnung“-Menüführung hinausgewachsen und zeigen Tendenzen zur oft versprochenen Erlebniswelt. Big-Data-Analytics macht einen bisher ungenutzten Fundus an Know-how (und KYC) urbar und stellt immer aktuellere, breiter verknüpfte und personalisiertere Daten zur Verfügung. Inskünftig werden wohl Beratungs-Bots durch Fortschritte in der künstlichen Intelligenz selbstlernend die Kommunikation mit dem Kunden optimieren. Offene Fragen und Unsicherheiten der Kunden können mit diesen Mitteln umfassend und effizient sowie personalisiert und einheitlich automatisiert beantwortet werden.

Eingebettet in eine stringente Digitalisierungsstrategie birgt dies in sich nicht nur Potenzial für Kosteneinsparungen sondern auch für schneller anpassbare Prozesse, die Minderung regulatorischer Risiken, die Erhöhung der Datenkonsistenz, zusätzliche Datenquellen für die Banksteuerung, eine agilere Anbindung von innovativen FinTech-Lösungen, ja sogar das Potenzial für komplett neue Geschäftsmodelle. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, soll aber aufzeigen, dass für Banken nicht unerhebliche Wettbewerbsvorteile geschaffen werden können.

Wie reagieren Banken auf dieses Potenzial?

Diesem Bestreben folgend würden Banken folgerichterweise Incentives schaffen, um die Befriedigung von Beratungsbedürfnissen ihrer Kunden in digitalere Bahnen zu lenken. Die Einschätzung des Potenzials des Wettbewerbsvorteils durch die Banken bestimmt dabei zugleich das Budget, welches für Incentives zur Verfügung steht. Dies schließt den Kreis und bringt mich zurück zur einleitenden Frage: Zu welchem Preis wollen Kunden Filialen? Oder eben: Wie reagieren Kunden auf diametral entgegengesetzten Incentives?

Wie reagieren die Bankkunden?

Wären Sie bereit für eine persönliche Eigenheimberatung 300 Euro zu bezahlen? Oder würden Sie auf flexiblere Amortisationsmodelle verzichten, wenn diese nur in der digitalen Beratung erhältlich sind? Oder könnten Sie andere Incentives dazu bewegen, zugunsten von Robo-Advisory auf eine persönliche Beratung zu verzichten?

Es gibt zwar schon heute Studien, die die Nachfrage nach Filialen mit dem Satz ergänzen „(…) solange sie nicht teurer ist als Online-Alternativen“. Doch allzu oft bleibt es bei diesem Nebensatz. Weiter vertieft wird dieser Gedanke selten.

Tatsächlich zeigen die Banken aber schon heute Tendenzen zu den genannten Incentives. So sind zum Beispiel vielerorts digitale Kundenbelege mit weniger Gebühren belastet, als ihre physischen Vorgänger. Und dies zeigt auch Wirkung. Ich erinnere mich lebhaft an Kundenreaktionen in einem ebensolchen Projekt, die anfänglich kritisch bis hochgradig emotional ausfielen. Die Anpassung des Gebühren-Modells veranlasste jedoch überraschend viele Kunden dazu überraschend kommentarlos auf digitale Belege umzusteigen.

Die Zukunft: Hybride oder digitale Modelle?

Kurzfristig werden wohl mehrheitlich hybride Modelle umgesetzt werden. Dies macht große Teile der oben beschriebenen Potenziale für die Banken nutzbar, widerspricht aber nicht der Nachfrage der Kunden. Dies wird auch eher konservativen Banken die Möglichkeit bieten, Vertrauen in digitalisierte Prozesse zu gewinnen. Die Kundenberater, deren Kompetenz die Banken vertrauen, werden die Richtigkeit der digitalisierten Prozesse überwachen und gegebenenfalls intervenieren können.

Längerfristig wird es aber im Interesse der Banken sein, jegliche Kundenkontakte vollständig zu digitalisieren. Die potenziellen Wettbewerbsvorteile sind einfach zu verlockend, als dass Banken darauf verzichten können. Die persönlichen Beratungen werden in diesem Umfeld wohl nur noch ein Nischenprodukt darstellen, das die Banken entsprechend bepreisen werden. Demzufolge wird es auch der Kunde nur dann in Anspruch nehmen, wenn sich daraus ein für ihn erheblicher Mehrwert gegenüber der digitalisierten Beratung ergibt. Dieser wird aber mit der stetigen Weiterentwicklung von Technologien zusehends schwinden.

Über den Autor

Philipp Buck

Philipp Buck ist Senior Consultant bei der Soranus AG in Zürich. Der eidg. dipl. ICT-Manager verfügt über mehr als 15 Jahre Berufserfahrung im Banken- und Beratungsumfeld. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in den Disziplinen Agilität, Digitalisierung und Kundenberatung mit den bankfachlichen Stärken Finanzierung, Banksteuerung, Pricing und Zahlungsverkehr. Er moderiert die XING-Gruppe „Banken und FinTechs“, die als Plattform für den Austausch zwischen Banken und FinTechs, die Erweiterung von Value Chain Networks und als ThinkTank zur Digitalisierung der Finanzbranche dient.

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2 Kommentare

  1. Avatar

    Ein sehr guter Artikel der viele der aktuelle Trends beschreibt. Allerdings teile ich nicht die Meinung das eine vollständige Digitalisierung langfristig der richtige oder der von Kunden präferierte weg sein wird. Zum einen glaube ich das Chat Bots oder andere von KI gesteuerte Beratungssysteme in Ihrer Akzeptanz beim Kunden überschätzt werden . Zumindest wird dies die nächsten Jahre noch so sein. Komplexe oder individuelle Beratungssituationen können effektiver und vor allem emotional nachhaltiger durch Menschen erledigt werden. Im standardisierten Mengengeschäft wird die Digitalisierung weiter voranschreiten im qualitativen Individuellen Beratungsbereich sehe ich dies derzeit auch langfristig noch nicht kommen.

    Aber es bleibt spannend wie der Markt sich entwickelt.

  2. Avatar

    Hallo Hybridbanker

    Danke für Ihr spannendes Feedback. Ich sehe Ihre Bedenken bezüglich der Akzeptanz. Ich sehe dabei eine Korrelation zum Alter, Auslastungsgrad und zur digitalen Aufgeschlossenheit der Kunden. Und, wie im Artikel erwähnt, zur Preis-Sensitivität. Die „vollständige“ Digitalisierung wird also nicht der von allen Kunden präferierte Weg sein. Ich bin aber überzeugt, dass ein möglichst hoher Grad an Digitalisierung der von den Banken bevorzugte Weg sein wird. Dabei ist nicht nur die auf den Prozess beschränkte Effizienz und Effektivität relevant, sondern auch die sich durch die Digitalisierung erschnliessenden Möglichkeit. Dies geht von Analyse des Kundenverhaltens als Basis für Marketing-Strategien, bis hin zu komplett neuen Geschäftsmodellen.

    Ich gehe mit Ihnen einig, dass digitalisierte Lösungen kurz- und mittelfristig vor Allem im Mengengeschäft umgesetzt werden. Für High-Value(-Vulnerables) wird die Digitalisierung vorerst noch Prozesse und Entscheidungen unterstützen und führen, aber nicht das Gespräch ersetzen. Viele Privatbanken sind sich vermehrt bewusst, dass ihre nachfolgende Kundschaft zunehmend aus digital natives bestehen wird. Diese (und auch ein nicht zu vernachlässigender Teil erfolgreicher digital immigrants) sind nicht nur per se aufgeschlossener für innovative Technologien und Geschäftsmodelle, sondern schätzen durch Ihren Lebenswandel hohe geographische und zeitliche Unabhängigkeit.

    Und wieder gehe ich mich Ihnen einig: Es bleibt spannend!

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