Die Kundenloyalität im deutschen Retail-Banking geht zurück. Den Instituten gelingt es häufig nicht, mit ihren Produkten und bei Interaktionen vor allem in digitalen Kanälen zu überzeugen. Ihre Kundenzentrierung können sie mithilfe von drei Hebeln verbessern.
Digital first, einfach handhabbare Apps und ein ausgedünntes Filialnetz: Von außen betrachtet scheint es, als ob sich das Angebot der Retail-Banken in Deutschland zunehmend angleicht. Doch in den Augen der Kundschaft ergibt sich nach wie vor ein differenziertes Bild.
Dies zeigt die jüngste NPS Prism®-Befragung der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company, an der hierzulande mehr als 22.000 Kontoinhaber der relevanten Anbieter aus allen Alters- und Einkommensgruppen teilgenommen haben.
Rückgang der Kundenloyalität
Demnach ging die mit dem Net Promoter Score (NPS®) messbare Kundenloyalität über alle Institute hinweg weiter zurück. Von Bank zu Bank haben sich dabei signifikante Unterschiede bei den NPS-Werten für einzelne Produkte, ganze Episoden – die aus einer Reihe von Kontakten bestehen können – sowie die verschiedenen Kanäle ergeben. Bei Standardprodukten wie etwa dem Girokonto klaffen zum Teil Welten zwischen Loyalitätsführern und Nachzüglern.
Während etwa der NPS bei der besten Bank bei plus 50 Prozent liegt und damit die Zahl der begeisterten Kunden diejenige der Kritiker bei weitem überwiegt, liegt diese Größe beim Schlusslicht bei minus 5 Prozent.
Neobanken überzeugen mit einfachen Produkten
Besonders zufrieden äußerten sich die Befragten oft über die zumeist einfach handhabbaren Produkte der jüngsten Marktteilnehmer, der Neobanken. Diese haben auch im NPS-Gesamtranking die Nase vorn, gefolgt von den Direktbanken. Das Nachsehen haben die Universalbanken.
Es scheint, als ob die inkrementellen Verbesserungen der letzten Jahre nicht ausreichen, um die Kundschaft nachhaltig zu begeistern. Die Neobanken haben hingegen Kundenzentrierung ganzheitlich über alle Episoden hinweg in den Mittelpunkt gerückt und hierbei in den vergangenen Jahren Standards gesetzt. Das gilt gerade für die Eröffnungsstrecken sowie mit Blick auf die Möglichkeiten, selbstständig Bankprodukte an die eigenen Bedürfnisse anzupassen und Informationen zu aktualisieren.
Kunden nehmen Bankkontakte vor allem emotional wahr
Aufschlussreich ist vor diesem Hintergrund die detaillierte Auswertung des Kundenfeedbacks nach einzelnen Episoden. Rund 75 Prozent der Episoden nehmen Kunden emotional wahr, was bedeutet, dass diese Potenzial für Begeisterung oder Veränderung bergen.
Dagegen erachten sie lediglich rund 25 Prozent als Routineinterkationen. Das Spektrum reicht hierbei von der simplen Kontostandabfrage bis hin zu emotionaleren Themen wie unter anderem dem Umgang mit Beschwerden sowie spezifischen Wünschen, beispielsweise nach einem höheren Limit für eine Kreditkarte.
Letztere Episoden zählen zu den sogenannten Momenten der Wahrheit, die die Loyalität entweder nachhaltig stärken oder erschüttern können. Bei vielen dieser Momente haben sich die Neo- und Direktbanken einen Vorsprung erarbeitet und erzielen die höchsten NPS-Werte. Doch vor allem in puncto Baufinanzierung und Konsumentenkredite bieten einzelne Filialbanken Paroli. Sie glänzen beispielsweise beim Umgang mit Kreditanfragen und dem Wunsch nach Sondertilgungen – Episoden mit höherer Beratungsintensivität. Zudem scheint sich der persönliche Kontakt in diesen Momenten auszuzahlen.
Hohe Abbruchquoten bei digitalen Abschlüssen
Aber woran liegt es, dass bislang keine Bank bei allen Episoden durchgängig begeistern kann? Bei den traditionellen Kreditinstituten entzündet sich die Kritik oft an zu komplexen und fehlenden digitalen Abschlusstrecken. Bei Filialbanken eröffnet zum Teil gerade einmal gut 10 Prozent der Kundschaft ihr Konto online, bei den Neobanken hingegen ist dies Standard. Dass auch bei anderen Instituten ein höherer Anteil möglich wäre, zeigen die mancherorts hohen Abbruchquoten bei solchen Episoden.
Im besten Fall wechseln Kunden danach von digitalen zu analogen Kanälen – und erleben nicht selten direkt die nächste Enttäuschung. Denn bei vielen Banken ist der Wechsel des Kanals mit einem Informationsverlust verbunden. Das trübt nicht nur die Kundenbeziehung vom ersten Tag an, sondern erhöht auch den Serviceaufwand in Filialen und Kontaktcentern.
Umso entscheidender ist für traditionelle Banken die Beratung als Differenzierungsfaktor. Am Beispiel der Kapitalanlage lassen sich klare Erfolgsfaktoren für ein gutes Kundenfeedback ableiten. Wichtigste Treiber sind dem NPS-Prism zufolge eine kurze Reaktionszeit der Beratenden sowie eine spürbare Personalisierung der Angebote. Schon eine als „mittelmäßig“ empfundene Personalisierung lässt selbst beim führenden Institut in dieser Episode die Kunden zu Kritikern werden. Interessanterweise spielt demgegenüber die Qualität der Beratung eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.
Kundenzentrierung anhand von drei Hebeln
Solche Kritik zeigt, dass die Banken die Kundenzentrierung weitertreiben müssen. Je einfacher, transparenter und schneller Prozesse funktionieren, desto größer sind die Chancen, die Loyalität der Kundschaft zu vertiefen. Dem dienen vorrangig drei Hebel:
- Einfachheit und Nutzbarkeit digitaler Kanäle ausbauen
- Kundenzufriedenheit in der Beratung verbessern
- Systematischen Ansatz zur Steigerung der Kundenzufriedenheit etablieren
1. Einfachheit und Nutzbarkeit digitaler Kanäle ausbauen
Reibungslose digitale Episoden senken die Abbruchquoten, erhöhen damit das Ertragspotenzial und erleichtern die digitale Mobilisierung bislang zögerlicher Kundengruppen. Die Möglichkeit, zwischen digitalen und analogen Kanälen reibungslos wechseln zu können, erhöht die Akzeptanz.
2. Kundenzufriedenheit in der Beratung verbessern
Der Differenzierung dienen vorrangig schnelle Reaktionszeiten, reibungslose Prozesse zumindest bei den wichtigsten Interaktionen sowie eine höhere, für die Kundschaft spürbare Personalisierung der Produktangebote.
3. Systematischen Ansatz zur Steigerung der Kundenzufriedenheit etablieren
Wer die Kundenloyalität auf den verschiedenen Ebenen regelmäßig misst, kann Optimierungspotenziale frühzeitig erkennen und Investitionen in die Kundenzentrierung entsprechend lenken. Entscheidend ist es, aus dem Kundenfeedback wirklich Konsequenzen zu ziehen und zu handeln.
Mehr Erfolg mit einer kundenzentrierten Strategie
Welche Erfolge eine Bank mit einer kundenzentrierten Strategie erzielen kann, zeigt der Markteintritt eines US-Instituts in Großbritannien Anfang der 2020er Jahre. Das Institut startete mit einem schlanken Produktportfolio und gewann binnen eines Jahres mehr als eine Million Kunden. Viele davon sehen sie schon als Hausbank. Die Loyalitätswerte dieses Instituts liegen mittlerweile konstant über denen anderer britischer Neobanken – eine Folge der konsequenten Ausrichtung an Kundenbedürfnissen.
Solche Erfolge sind auch hierzulande möglich. Mit einer höheren Kundenzufriedenheit können Banken zudem zusätzliches Ertragspotenzial erschließen und ihre Kosten senken. Denn je loyaler ihre Kunden sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mehr Produkte bei einer Bank erwerben, ihr länger treu bleiben und sie häufiger weiterempfehlen. Einsparmöglichkeiten eröffnen sich unter anderem, wenn digitale Interaktionen ohne menschliche Eingriffe funktionieren. Die Banken haben es also nach wie vor selbst in der Hand, ob und wie schnell die Loyalität ihrer Kundschaft steigt – indem sie konsequent handeln und sich auf die Kundenzentrierung fokussieren.
Daniel Möllerhenn ist Koautor des Beitrags. Der MBA ist Expert Partner bei Bain mit Projektfokus auf kundenzentrierte Transformationen, Customer-Experience-Programme und Net-Promoter-System-Implementierungen in der gesamten EMEA-Region und berät Kunden aus dem Bankensektor und anderen Industrien.
Janosch Contag Koautor des Beitrags. Der MBA ist Senior Manager bei Bain & Company und Teil der Praxisgruppe Banken in der DACH-Region und unterstützt Banken bei der Digitalisierung und der Neuaufstellung ihrer Vertriebskanäle.