Die Zukunft der Immobilienbewertung ist da: AVMs haben im Rahmen aktueller Regulatorik für Banken zuletzt enorm an Bedeutung gewonnen. Sie revolutionieren das Kreditgeschäft und bieten erhebliche Vorteile bei der Integration von ESG in den Risikoprozess.
Bisher erfolgte die Kreditvergabe und -überwachung bei Banken und Kreditinstituten hauptsächlich durch traditionelle Bewertungsmethoden wie das Sachwertverfahren, ausgeführt von einem Gutachter oder Sachverständigen. Diese Vorgehensweise ist unerlässlich bei komplexen Immobilien oder Objekten, die nicht wohnwirtschaftlich genutzt werden. Für standardisierbare Wohnimmobilien ist dieser aufwändige Prozess jedoch nicht notwendig.
In ihren Richtlinien vom 30. Juni 2024 schlägt die European Banking Authority (EBA) europäischen Banken daher vor, fortgeschrittene statistische Modelle (Advanced Statistical Models, ASMs) einzusetzen, um die Bewertung von Immobilien für Kreditzwecke zu erleichtern. Dies umfasst auch die Verwendung sogenannter Automated Valuation Models (AVMs). Doch warum sollten Finanzinstitute AVMs einsetzen und wie können sie davon profitieren?
Warum Finanzinstitute AVMs nicht ignorieren sollten
AVMs ermöglichen es Banken, für jede Wohnimmobilie an jedem Standort in Echtzeit den wahrscheinlichsten Markt- und Mietpreis auf Grundlage tausender Datenpunkte zu berechnen. Neben traditionellen Merkmalen werden nachweislich preissensitivere, nicht-traditionelle Faktoren wie Lärmbelastung, Soziodemografie, Erreichbarkeit, geplante Bauvorhaben in der Umgebung und Infrastruktur berücksichtigt.
So fließen auch wirtschaftliche Veränderungen, die beispielsweise durch Abwanderung oder steigende Baukosten entstehen, in die Bewertung ein. Wenn solche Marktentwicklungen bei der Kreditvergabe oder der laufenden Überwachung von Bestandskrediten nicht berücksichtigt werden, besteht für Banken das Risiko, vermeidbare Kreditausfälle in ihre Bilanz aufzunehmen. Andererseits können zu konservative Bewertungen, die stark unter dem tatsächlichen Marktpreis liegen, dazu führen, dass Banken potenziell profitable Kreditgeschäfte verpassen, weil sie den tatsächlichen Marktwert der Objekte nicht erkennen und daher möglicherweise lukrative Kreditanträge ablehnen.
Dieses potenzielle Risiko lässt sich durch die Verwendung von AVMs erheblich reduzieren, da diese Modelle auf umfangreichen Datenanalysen und Algorithmen basieren, die eine präzise und marktnahe Bewertung ermöglichen.
ESG-Integration als Herausforderung für Finanzinstitute
Die Notwendigkeit für Banken zur Nutzung von AVMs ergibt sich insbesondere durch das Thema ESG. Die Anpassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) im Juni 2023 und die EBA-Richtlinien zur Kreditvergabe und -überwachung vom Juni 2024 fordern von Finanzinstituten die verstärkte Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (ESG). Die Integration von ESG-Kriterien in den Risikomanagementprozess erfordert dabei eine sorgfältige Planung und Umsetzung, von der Datenerfassung über die Einhaltung regulatorischer Vorgaben bis hin zur langfristigen Risikobewertung.
Finanzinstitute müssen dabei eine Vielzahl von Datenquellen nutzen, um Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren zu sammeln. Die Qualität dieser Daten muss gewährleistet sein, da sie die Grundlage für fundierte Entscheidungen bilden. Eine gründliche Analyse und Validierung der Daten ist darüber hinaus notwendig, um ihre Genauigkeit und Zuverlässigkeit sicherzustellen.
Die Integration von ESG-Risiken erfordert außerdem möglicherweise eine umfassende Überarbeitung interner Prozesse und Systeme. Dies kann die Implementierung neuer Datenanalysetools, die Anpassung von Risikomanagementprozessen und die Verbesserung der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit umfassen. Die spezifischen Anforderungen des deutschen Finanzsektors müssen berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die ESG-Risikobewertung effektiv durchgeführt wird und den regulatorischen Anforderungen entspricht.
Es gilt zudem, ESG-Risiken langfristig zu betrachten. Finanzinstitute sind häufig mit neuen und sich entwickelnden ESG-Risiken konfrontiert, für die es keine historischen Vergleichswerte gibt. Es sind innovative Ansätze und die Nutzung alternativer Datenquellen notwendig, um potenzielle Risiken angemessen zu bewerten. Finanzinstitute müssen sicherstellen, dass ihre Risikomanagementansätze langfristige Trends und Entwicklungen integrieren, um die Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells zu gewährleisten. Dies erfordert eine kontinuierliche Überwachung der ESG-Risiken und eine Anpassung der Risikobewertungsmethoden.
Abhilfe durch den Einsatz von AVMs
Der Einsatz von AVMs kann Banken dabei unterstützen, ESG-Daten in ihre Unternehmensstrategie zu integrieren. Dabei sollten sie allerdings sicherstellen, dass die verwendeten Bewertungsmodelle weltweit anerkannte Standards erfüllen. Als der wohl wichtigste Standard gilt dabei der International Standard on Assurance Engagements 3000, ISAE 3000, eine weltweit anerkannte Richtlinie für die Prüfung nicht-finanzieller Angaben. Darüber hinaus sollten neben den EBA-Richtlinien und MaRisk außerdem die Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) erfüllt werden. Nur so stellen Banken und Finanzinstitute sicher, dass ihre Lösungen eine verlässliche Grundlage für die Bewertung von Immobilien bieten. Sie ermöglichen es ihnen mitunter auch, ihre internen Prozesse für weitere Effizienzgewinne zu optimieren.
Nach gewisser Sondierung finden sich auf dem Markt Bewertungstools, die diese Grundvoraussetzungen erfüllen und mit denen sich beispielsweise die Auswirkungen energetischer Sanierungen auf die Wertentwicklung einer Immobilie analysieren lassen. Institutionelle Akteure wie Banken können auf diese Lösungen zugreifen, um ihre Kenntnisse über Immobilienbestände zu erweitern, Risikoexpositionen zu bewerten sowie die Energieeffizienz und die Kosten für energetische Modernisierungen einzuschätzen.
Banken zwischen regulatorischem Druck und Wettbewerbsvorteil
Durch die Einbindung automatisierter Bewertungsmodelle erfüllen Banken nicht nur regulatorische Anforderungen, sondern können auch präzisere Bewertungen vornehmen. Dies ermöglicht die Erschließung neuer Geschäftsmöglichkeiten in den Bereichen Private Banking, Portfoliomanagement, Immobilienvermittlung sowie Immobilienfinanzierung.
Als Erfolgsbeispiel ist hier die All-in-One-Wohnplattform „Leben am Bodensee“ der Sparkasse Bodensee zu nennen. Durch die Einbindung modernster Bewertungstechnologien konnte die Bank über 1.000.000 € Ertrag durch Immobilienprovisionen und Baufinanzierungen erzielen.
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