Wie sagt der Volksmund doch so schön? „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“ Doch kleine Geschenke können auch eine Freundschaft zerstören, nämlich dann, wenn sie vorenthalten werden, wie das heutige Beispiel zeigt.
Hintergrund
Ich habe ja neulich schon einmal in einem Beitrag über Zugaben in der Kundenakquisition von Banken berichtet. Auch wenn ich immer wieder von Banken höre, dass dies bei der Neukundenakquisition gut funktionieren würde, bin ich doch skeptisch, was die Nachhaltigkeit einer auf diese Art und Weise akquirierten Kundenverbindung betrifft.
In unserer Umgebung gibt es ein kleines Schuhgeschäft das seit 60 Jahren von der Familie, nun in der dritten Generation, geführt wird. Auch wir kaufen dort hin und wieder ein und freuen uns über freundlichen und guten Service. Service wird insbesondere deswegen groß geschrieben, weil der Inhaber nicht nur Schuhverkäufer sondern auch Schuhmachermeister ist und eine eigene Werkstatt hat.
Alles schien für eine gute Zukunft gerüstet, als der „Junior“ vom „Senior“ übernommen hat.
Kleine Geschenke
Insbesondere für Kinderschuhe hat das Geschäft einen guten Ruf. Zum einen dank einer guten Auswahl preiswerter (aber nicht billiger) Schuhe, zum anderen aufgrund der geduldigen Freundlichkeit mit dieser beim Schuhkauf nicht immer einfachen Kundengruppe. Außerdem erhalten die Kinder immer ein kleines Dankeschön Geschenk beim Einkauf: Einen Luftballon oder auch mal einen Leuchtflummi oder ähnliches.
Der Wert einer Kundenbeziehung
Erfahrene Eltern werden mir zustimmen, dass das Problem mit Kinderschuhen vor allem darin besteht, dass in dem Moment, wo die gekauften Schuhe zu passen scheinen, die Füße der Kinder schon wieder gewachsen sind und man schon wieder neue kaufen muss.
Mit anderen Worten, habe ich einmal einen zufriedenen Kunden für Kinderschuhe gewonnen, ist mir bei jeweils zwei Paar Schuhen für Sommer und Winter ein jährlicher Umsatz von 200 bis 300 Euro mit diesem Kunden über mindestens 10-12 Jahre sicher. Und insgesamt vier Paar Kinderschuhe im Jahr ist eher die untere Grenze.
Genug der Vorreden
Bevor Sie sich fragen was das alles soll, hier die Geschichte einer Bekannten von mir, die für ihre zwei kleinen Kinder bislang regelmäßig und ausschließlich die Schuhe in dem besagten Geschäft gekauft hat.
Neulich war sie wieder dort, nur diesmal wurde sie leider nicht fündig. Das Kind fragte den neuen Chef zum Schluss, ob es denn nun wieder einen Luftballon wie beim letzten Mal bekäme. Und die Antwort? „Nein, diesmal nicht, Du hast ja auch keine Schuhe gekauft.“
Können Sie sich vorstellen, wie Mutter und Kind in diesem Moment „aus der Wäsche geschaut“ haben?
Dies war das letzte Mal, dass sie den Laden betreten haben, so sehr haben sie sich über das Verhalten geärgert.
Der Wert eines Luftballons
Bei zwei Kindern und zwei Erwachsenen (letzte haben auch ab und zu dort eingekauft) ist das ein jährlicher Umsatzverlust von rd. 700 Euro. Und ohne jetzt einen exakten Barwert errechnen zu wollen und unterstellt, dass dieser Umsatz nur für die nächsten fünf Jahre regelmäßig erzielt worden wäre, entspricht dies einem Kundenwert von mindestens 3.500 Euro (vor Kosten).
Unterstellen wir eine Handelsspanne von 50 Prozent, dann errechnet sich daraus ein Wert für den Luftballon von 1.749,95 Euro (dabei sind 5 Cent für den Luftballon berücksichtigt).
Fazit
Ein einziger vermeintlich billiger Luftballon kann im Kundenservice einen Wert von über tausend Euro haben.
Denken Sie beim nächsten Mal daran, dass es oft ganz kleine Dinge sind, die darüber entscheiden, ob ein Kunde wieder kommt oder nicht.
6 Kommentare
Hallo Herr Leichsenring,
danke für Ihren Beitrag.
Eine Ergänzung hätte ich zum Kundenwert. Leider fällt nicht nur der Umsatz dieser Familie weg. Diese Nachricht erreicht, laut Erhebungen, innerhalb von 14 Tagen durchschnittlich 27 Menschen. Halleluja, das wird teuer! Mehr dazu in einem der nächsten Blogs von mir.
Das ist natürlich vollkommen richtig. Danke für die Ergänzung.
Hallo Herr Leichsenring!
Natürlich muss man die Rechnung mit einem Augenzwinkern sehen, a la „schwäbische Hausfrau“, da der gemeine Deutsche wahrscheinlich wiederkommt und sich noch einmal abwatschen lässt :-)
Aber Ihr Tenor beschreibt es treffend: Wir haben es noch nicht verstanden, dass der Kunde tatsächlich im Mittelpunkt des Handelns steht!
In einem Angebotsmarkt, wohin sich auch die Finanzbranche entwickelt, gilt es den Kunden zu begeistern und damit zu gewinnen/halten!
Die PayPals und Googles dieser Welt werden das jedenfalls bei den Erben der heutigen konservativen Bankkunden tun ;-)
Beste Grüße und ein erfolgreiches Bankenjahr 2013!
Auch Ihnen alles Gute für ein kundennahes und damit gutes, erfolgreiches 2012 lieber Herr Barkhofen
Hallo Herr Leichsenring,
ja, dieser eine Luftballon wird teuer! Trotzdem muss man sich fragen: ist das Mindset des Unternehmers das Problem oder hatte er vielleicht nur einen schlechten Tag? Ich sehe beinahe tagtäglich, wie Manager falsche Entscheidungen treffen und am nächsten Tag wieder auf Schiene sind. C´est la vie!
Beste Grüße aus Wien
Hallo Herr Lemerz
Klar hat jeder mal einen schlechten Tag und im Kundenservice ist es immerhin nicht so lebensgefährlich wie z.B. in der Chirurgie.
Nur dürfte das den Kunden weder beruhigen noch ihn wieder bringen…
Immerhin bietet in größeren Unternehmen (und auch in vielen Banken) ein funktionierendes Beschwerdemanagement einen Rettungsansatz.
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring