Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre Niedrigzinspolitik auf absehbare Zeit beibehalten. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, kritisiert dies als geldpolitischen Ausnahmezustand und Sondersteuer für die Banken.
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hält weiterhin an seinem eingeschlagenen Kurs fest. Die Zinssätze würden weit über die Zeit der Anleihekäufe hinaus auf dem derzeitigen Niveau oder noch niedriger liegen, hieß es heute nach der Sitzung des Gremiums. EZB-Präsident Mario Draghi konstatierte weiter gesunkene Wachstumsrisiken für die Eurozone. Dennoch verteidigte er die Politik der Quantitativen Lockerung. Der milliardenschwere Aufkauf von Staatsanleihen habe positive Auswirkungen auf die Inflationsentwicklung gehabt und werde daher fortgesetzt.
Kritik an der EZB-Entscheidung
Der Bankenverband kritisiert diese Entscheidung.
„Die Bereitschaft der EZB, den geldpolitischen Ausnahmezustand in absehbarer Zeit zu beenden, ist offenbar gering – trotz guter Konjunktur und überwundener Deflationsrisiken“,
sagte Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. Die Geschäftsbanken im Euroraum zahlten für die auf inzwischen über 1,5 Billionen Euro angewachsene Überschussliquidität zurzeit – vor allem durch das Aufkaufprogramm der EZB – jeden Monat eine halbe Milliarde Euro als „Liquiditätssteuer“. Auf das Jahr hochgerechnet seien das mehr als 6 Milliarden Euro. Mit der Fortsetzung des Aufkaufprogramms bis zum Jahresende werde dieser Betrag noch weiter steigen.
„Diese Sondersteuer entzieht den europäischen Banken Geld, das ihnen bei vordringlichen Aufgaben fehlt: bei der Restrukturierung, beim Ausbau der Digitalisierung und bei der Stärkung der Kapitalbasis“, so Kemmer.
Die Belastung des Bankensektors durch die negativen Einlagezinsen sei eine der zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen der extrem expansiven Geldpolitik, vor denen der Bankenverband schon seit längerem warne. „Um die Kollateralschäden der negativen Notenbankzinsen zumindest teilweise zu begrenzen, wäre es sinnvoll, die Überschussliquidität der Banken bei der EZB in einem bestimmten Umfang von den Negativzinsen freizustellen“, fordert Kemmer. „Eine Maßnahme, die die Notenbanken in der Schweiz und in Japan schon seit längerem nutzen. Die Schweizer Nationalbank gewährt ihren Geschäftsbanken beim Negativzins beispielsweise einen Freibetrag in Höhe des 20-fachen des Mindestreserve-Solls, mindestens jedoch 10 Millionen Schweizer Franken pro Geschäftsbank. Bezogen auf die Banken im Eurosystem würde das 20-fache des Mindestreserve-Solls derzeit einen Betrag von gut 2 Billionen Euro ergeben.“