Aktuell drängen neue Marktteilnehmer mit Angeboten zum kostenfreien Wertpapierhandel auf den deutschen Direct Brokerage Markt. Über die Auswirkungen auf die eigene Strategie von flatex sprach ich mit Frank Niehage und Benon Janos von der FinTech Group AG.
Wie kürzlich berichtet, machen sich einige Anbieter drauf und dran, dem Vorbild des US FinTech-Einhorns Robinhood zu folgen und provisionsfreien Wertpapierhandel nach Deutschland zu bringen. Im hart umkämpften Markt für Direct Brokerage dürfte dies für neuen Preis- und Kostendruck sorgen.
Einen der neuen Anbieter – justTRADE – hatte ich dazu bereits befragt. Dessen Gründer und Geschäftsführer Ralf Oetting erläuterte im Interview, dass sein Geschäftsmodell bereits mit 40.000 bis 50.000 Kunden nachhaltig profitabel sei.
Heute nun folgt ein Gespräch mit den Verantwortlichen eines Pionieres für innovative Preisgestaltung. flatex trat 2006 mit einem neuen Preismodell in den deutschen Direct Brokerage ein. Statt Provisionen – wie seit jeher gang und gäbe – umsatzabhängig zu berechnen, bezahlen Kunden eine fixe Gebühr pro Trade. Dies war und ist insbesondere für die Zielgruppe der Vieltrader ein grundsätzlich interessantes Preismodell, das Nachahmer fand.
Einst mit 5,00 Euro (börslich) bzw. 5,90 Euro (ausserbörslich) gestartet, nimmt flatex seit kurzem einheitlich 5,90 pro Transaktion. 2015 wurde der freiwillige Einlagensicherungsfond verlassen. Seitdem gilt die gesetzliche Höchstgrenze von 100.000 Euro im Rahmen des allgemeinen Sicherungsfonds der privaten Banken. 2017 hat das Unternehmen zudem als einziger Online Broker Strafzinsen auf Einlagen eingeführt.
Die Zahl der Kunden konnte dennoch auf aktuell rund 300.000 gesteigert werden. flatex selbst besitzt keine Banklizenz. Seit 2014 ist der Broker Bestandteil der FinTech Group und eine Marke der flatex Bank AG.
Gespräch mit Frank Niehage und Benon Janos
Vor dem Hintergrund neuer Angebote für provisionsfreies Trading in Deutschland, habe ich mich mit Frank Niehage und Benon Janos über die Perspektiven dieses Angebots für den deutschen Markt und die Auswirkungen auf das eigene Preismodell unterhalten.
Frank Niehage ist CEO der FinTech Group AG und Vorstandsvorsitzender der flatex Bank AG. Er verfügt über weitreichende Expertise in allen Bereichen des Privatkunden- sowie des Firmenkundengeschäfts im Finanzdienstleistungssektor und war u.a. Managing Director bei Goldman Sachs CEO Privatbank Sarasin in Deutschland und bekleidete leitende Positionen bei der Commerzbank, Credit Suisse und UBS sowie der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Beiten Burkhardt.
Dr. Benon Janos ist Managing Director der FinTech Group AG und als Head B2B u.a. für die Online Broker Flatex und ViTrade zuständig. Zuvor war er als Managing Director für das Aktiengeschäft von Goldman Sachs in Deutschland verantwortlich.
Kostenfreies Trading setzt ein intelligentes Geschäftsmodell voraus
Der Bank Blog: Wie beurteilen Sie grundsätzlich das Geschäftsmodell eines provisionsfreien Wertpapierhandels?
Frank Niehage: Kein Geschäftsmodell funktioniert auf Dauer ohne Erträge. Bei Robinhood ermöglichen es im Wesentlichen zwei Ertragsquellen, Wertpapierorder für Kunden gebührenfrei anbieten zu können:
- Zum einen wird der Wertpapier-Flow an High Frequency Trader verkauft. D.h. Kundenorder werden zur Ausführung gegen Bezahlung an externe Partner (Citadel Securities and Two Sigma Securities) weitergegeben.
- Zum anderen werden die Einlagen der Kunden genutzt, um Zinserträge zu generieren. Das ist in den USA möglich, da z.B. US-Staatsanleihen rund 2,5 Prozent Ertrag generieren.
Beide Wege funktionieren aufgrund der Regulatorik und des Zinsumfeldes in Europa und Deutschland nicht.
Der Bank Blog: Derzeit gibt es einige neue Wettbewerber, die das Modell von Robinhood, provisionsfreien Wertpapierhandel anzubieten, in Deutschland einführen. Sie praktizieren dies seit kurzem in den Niederlanden. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Frank Niehage: Seit Mitte Juni sind wir in den Niederlanden aktiv und bieten Kunden die Möglichkeit, Wertpapiere ohne Gebühren zu kaufen und zu verkaufen. Zur Generierung von Einnahmen haben wir intelligente Partnerschaften mit Produktlieferanten und Emittenten sowie mit Börsen geschlossen.
Das Geschäft läuft gut an. Wir haben sehr viele Interessenten und mehrere Tausend Kundenanträge und wir sind sehr zuversichtlich, dass dies ein erfolgreiches Modell wird.
Die Niederlande sind für uns das zweite europäische Ausland nach Österreich, in dem wir aktiv geworden sind. Das Vorgehen, das wir dort gewählt haben (Technik, Marketing, Geschäftsmodell), soll unsere Blaupause für die Expansion in andere europäische Länder werden. Aktuell stehen vier Märkte auf unserer Shortlist und wir wollen noch in diesem Jahr ein weiteres neues Land bekanntgeben.
Wir wollen zukünftig in Deutschland kostenfreies Trading anbieten
Der Bank Blog: In Deutschland müssen Kunden aber für das Trading bezahlen?
Frank Niehage: Wenn die weiteren Erfahrungen in den Niederlanden positiv sind, wollen wir zukünftig auch in Deutschland kostenfreies Trading anbieten, auch um sicherzustellen, dass sich unsere Kunden hierzulande nicht benachteiligt fühlen.
Bereits heute sind rund 50 Prozent unserer Trades in Deutschland für die Kunden gebührenfrei, darunter zum Beispiel Produkte unseres Partners Morgan Stanley.
Benon Janos: Sowohl für die Niederlande, als auch in anderen Märkten wird es erweiterte Zusatzangebote geben, mit denen wir Erträge generieren können und die das Geschäftsmodell eines kostenlosen Trading-Angebots unterstützen, wie z.B. ein Wertpapierkredit.
Der Bank Blog: In den Niederlanden sind den Banken und Brokern, anders als bei uns, Zuwendungen komplett untersagt. Wie beurteilen Sie die Gefahr, dass dieses Geschäftsmodell durch eine europäische Vereinheitlichung ausgehebelt werden könnte?
Frank Niehage: Für unser europäisches Wachstum wollen wir unsere deutsche Plattform skalieren und nutzen dazu unseren europäischen Pass. Selbstverständlich ist unser Vorgehen in Deutschland und in anderen Ländern eng mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt.
Die holländischen Kunden werden daher Kunde bei unserer deutschen Bank und unterliegen den hier gültigen Regeln und Bestimmungen, die das Geschäftsmodell, so wie wir es angelegt haben, erlauben.
Kurzfristig erwarten wir keine Änderungen. Sollte in den nächsten Jahren eine europäische Vereinheitlichung kommen, stellt sich ja die Frage, in welche Richtung diese gehen wird. Entweder werden Zuwendungen dann überall erlaubt oder überall verboten.
Sollten Zuwendungen generell verboten werden, würden wir andere Wege suchen und andere Partnerschaften mit den Produktanbietern abschließen. Denkbar wären z.B. Joint Ventures, in denen Produktpartner Wertpapiere in unserem Namen emittieren und die dabei entstehenden Erträge geteilt werden.
In den Niederlanden gibt es eine solche Zusammenarbeit zwischen der BinckBank und der UBS, bei der Zinseinnahmen aus Emissionen strukturierter UBS-Produkte der BinckBank zufließen.
Kostenloses Trading ist eine klare Verbesserung für die Kunden
Der Bank Blog: Die BaFin sagt ja klar, dass erhaltene Zuwendungen in Qualitätsverbesserungen für die Kunden investiert werden müssen. Welche Qualitätsverbesserungen sind dies bei Ihnen?
Frank Niehage: Wenn Kunden kostenlos traden können, ist dies ganz bestimmt eine Verbesserung. Weitere Elemente sind ein gut sortiertes, übersichtliches Produktangebot, eine – auch vorbörslich – vernünftige Kursstellung,
Benon Janos: Hinzu kommen noch garantierte Ausführungspreise, längere Handelszeiten, was insbesondere für unsere Zielgruppe Privatanleger von Interesse ist.
Alles, was wir dem Kunden systemseitig anbieten, erfordert Investitionen, für die wir die Zuwendungen nutzen.
Provisionsfreier Wertpapierhandel wird die Spreu vom Weizen trennen
Der Bank Blog: Wird provisionsfreier Wertpapierhandel den deutschen Markt nachhaltig verändern?
Frank Niehage: Ein klares Ja! Meine Erwartung ist zum einen, dass sich dadurch die Spreu vom Weizen trennen wird, zum anderen, dass sich neue Kundengruppen ermutigt fühlen, mehr in Aktien und Wertpapiere zu investieren.
In Zeiten, in denen niemand mehr vernünftige Zinsen für sein Guthaben erhält und unter Einbezug von Kosten und Inflation Spargelder vernichtet werden, benötigen wir dringend eine erweiterte Anlagekultur in Deutschland.
Benon Janos: Natürlich ist auch verbessertes Finanzwissen erforderlich, aber wenn es günstigere oder gar kostenlose Angebote hierfür im Markt gibt, ist dies eine Hürde weniger, die Menschen davon abhält, in Wertpapiere zu investieren. Gerade für Kleinanleger, würde dies die Möglichkeit vereinfachen, mit dem Kauf einiger weniger Aktien Erfahrungen zu sammeln.
Der Bank Blog: Erwarten Sie, dass Wettbewerber wie comdirect, Consorsbank oder ING auch auf provisionsfreies Trading umschwenken werden?
Frank Niehage: Wenn sie sich das leisten können… und wollen… Mal schauen. Wettbewerb belebt auch in diesem Bereich das Geschäft.
Benon Janos: Wir haben eine andere DNS als die genannten Banken. Wir sind ein IT-Haus und eine Bank unter einem gemeinsamen Dach. Die eine Hälfte unserer Mitarbeiter sind Techies und Programmierer, die andere Hälfte Banker und Businessleute.
Unser Kronjuwel ist das hauseigene Kernbankensystem, das seinerzeit mit dem Ziel konzipiert wurde, Wertpapieraufträge möglichst effizient und skalierbar auszuführen. Es ist die Grundlage für unseren vollautomatisierten, vertikal integrierten Betrieb. Wir greifen nur in ganz wenigen Bereichen auf externe Dienstleister zurück.
Als Ergebnis bringt uns dies ein Höchstmaß an Schnelligkeit und Flexibilität sowie sehr günstige Stückkosten pro Transaktion.
Im deutschen Online Trading gibt es bis zu 1,5 Mio. potentielle Kunden
Der Bank Blog: Die derzeitigen Direct-Brokerage-Angebote zielen ja auf Kunden, die zwischen 20 und 80 Trades im Jahr machen. Wie groß schätzen Sie diesen Markt?
Frank Niehage: Der Markt für Online Trading umfasst derzeit zwischen 60 und 65 Millionen Transaktionen pro Jahr. Wenn wir mal durchschnittlich 50 Trades pro Kunden annehmen, gelangen wir zu einer Zahl zwischen 1,2 und 1,3 Mio. Kunden. Da es diesen Durchschnittskunden so aber nicht gibt, dürfte die Zahl tatsächlich irgendwo zwischen 1 und 1,5 Mio. Kunden liegen.
Der Bank Blog: In unserem Gespräch vor zwei Jahren nannten Sie 1,25 Euro als Kosten pro Transaktion im Online Brokerage. Wo liegen Sie aktuell?
Frank Niehage: Wir liegen derzeit bei Kosten von ca. 1,05 Euro pro Transaktion. Unsere knapp 300.000 Kunden machen jedes Jahr rund 12,5 Mio. Trades. Unsere Ziele sind eine Verdoppelung der Anzahl Trades und wir wollen weiterhin Kostenführer sein. Erreichen wollen wir dies mit Trading-affinen Kunden, die im Vergleich zu den Kunden anderer Institute mehr Trades pro Jahr machen.
Deutschland bleibt unser Kernmarkt
Der Bank Blog: Wie sehen Ihre strategischen Ziele für die nächsten Jahre aus?
Benon Janos: Deutschland bleibt unser Kernmarkt, unser Ziel ist es aber, der führende und größte bankenunabhängige Online Broker in Europa zu werden. Am Beispiel der Niederlande wird deutlich, was dies bedeutet: Obwohl das Land kleiner ist als Deutschland, ist der relevante Markt für uns mit rd. 1,1 Mio. Zielkunden fast genauso groß, da die Holländer sehr viel stärker trading-affin sind als die Deutschen.
Unsere Produkte, unsere Preise und unsere IT-Plattform sind hierbei wichtige Bausteine, um die gesteckten Ziele auch zu erreichen.
Frank Niehage: Im Vergleich zu den bereits genannten anderen Instituten haben wir zwar weniger Kunden, liegen aber bei der Anzahl Trades auf Augenhöhe. Und wir wollen unseren Marktanteil in diesem Bereich nochmal deutlich steigern.
Wir wollen der europäische Robinhood „made in Germany“ werden. Wir sehen in Europa insgesamt rund 10 Mio. Kunden als interessant an. Dort sehen wir unser Wachstumspotential für die nächsten Jahre. Unser Ziel sind zehn bis zwanzig Prozent Marktanteil in den Ländern, in denen wir aktiv werden.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.